Schwerbehinderung: Anspruch auf Urlaubszuschuss in vielen Fällen – Urteil

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Schwerbehinderte haben ein „legitimes Teilhabebedürfnis” nach Erholungsurlaub.

Haben schwerbehinderte Menschen sich eine einwöchige Urlaubsreise mit dem Kreuzfahrtschiff in der Nordsee angespart und sind auf einen Rollstuhl angewiesen, können sie sich die Mehrkosten für eine notwendige Begleitperson als Eingliederungshilfeleistungen erstatten lassen, urteilte das Bundessozialgericht (BSG) in Kassel (Az.: B 8 SO 13/20 R). Dies gelte zumindest dann, wenn der Urlaub „angemessen” ist.

Antrag auf Übernahme der Mehrkosten für eine Begleitperson

Im Streitfall ging es um einen Rollstuhlfahrer aus dem Landkreis Leipzig, der in einer eigenen Wohnung lebt und rund um die Uhr von drei Assistenzkräften unterstützt wird. Der auf Grundsicherung im Alter angewiesene Mann war zudem Behindertenbeauftragter des Landkreises.

2016 hatte er sich eine selbst angesparte einwöchige Urlaubsreise mit einem Kreuzfahrtschiff auf der Nordsee geleistet.

Die behinderungsbedingten Mehrkosten machte er beim Landkreis als Eingliederungshilfeträger geltend. Dabei ging es um insgesamt 2.015 Euro, die für die Reisekosten der notwendigen Assistenzkraft fällig wurden.

Ohne die Begleitperson habe er den Urlaub nicht durchführen können. Ein Ansparen für die Reisekosten der Begleitperson sei aber nicht möglich, da er dann über den geltenden Vermögensfreibeträgen liege.

Der Landkreis lehnte die Übernahme der Mehrkosten für die Begleitperson ab. Die Reise habe nur zur Erholung und nicht zur Teilhabe am sozialen Leben gedient.

Der Teilhabebedarf des Rollstuhlfahrers sei wegen seines wahrgenommenen Ehrenamtes sowieso mehr als gedeckt gewesen. Er könne zur Erholung ja auch Tagesausflüge im Raum Leipzig machen.

Das Sächsische Landessozialgericht (LSG) lehnte mit Urteil vom 29. August 2019 den Anspruch auf Kostenübernahme für die Begleitperson ab (Az.: L 8 SO 6/18; JurAgentur-Meldung vom 9. September 2019).

Soziale Teilhabe kann Mehrkosten für Begleitperson umfassen

Doch das BSG gab nun dem Kläger dem Grunde nach recht. Auch behinderte Menschen hätten ein „legitimes Bedürfnis” nach Urlaub. Die Eingliederungshilfe müsse zwar die eigenen Urlaubskosten des Rollstuhlfahrers nicht finanzieren.

Allerdings dürfe der Landkreis den behinderungsbedingten Mehrbedarf infolge der Urlaubsreise nicht einfach verweigern. Denn auch Freizeitaktivitäten und damit auch eine Urlaubsreise gehörten zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft.

Sei etwa eine Begleitperson zur Durchführung des Urlaubs notwendig, sei dies eine Leistung der Eingliederungshilfe.

Allerdings müsse die Reise angemessen sein. Als Maßstab sei hier der nicht-behinderte durchschnittliche Deutsche anzulegen. Danach sei es bei rund 70 Prozent aller Deutschen durchaus üblich, zumindest einmal pro Jahr für eine Woche Urlaub zu machen.

Allerdings müsse das LSG noch einmal prüfen, ob die Reise bei anderen Anbietern mit geringeren behinderungsbedingten Mehrkosten günstiger gewesen wäre. fle/mwo