Stellt ein Rentenversicherter wegen einer falschen Rentenauskunft über die geltende Hinzuverdienstgrenze erst viel später einen Rentenantrag, muss ihm eine rückwirkende Rente ermöglicht werden. Denn die Falschauskunft kann einen sogenannten sozialrechtlichen Herstellungsanspruch auslösen, so dass der Versicherte Anspruch auf Beseitigung des erlittenen Nachteils hat, entschied das Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg in Stuttgart in einem aktuell veröffentlichten Urteil vom 21. Januar 2025 (Az.: L 9 R 1412/23).
Rentenversicherung gab Falschauskunft
Im konkreten Fall wollte der im November 1955 geborene Kläger von der Rentenversicherung wissen, wann er in Rente gehen kann. Er ließ sich im Februar 2021 telefonisch beraten und erhielt daraufhin eine maschinell erstellte Rentenauskunft. Aus dieser ging hervor, dass er die Wartezeit von 35 Jahren für eine Altersrente für langjährig Versicherte erfüllt habe. Ab September 2021 könne er abschlagsfrei und seit Dezember 2018 mit Abschlägen in Rente gehen.
Zudem enthielt die Rentenauskunft die Angabe, dass der Versicherte ab Erreichen der Regelaltersgrenze unbegrenzt hinzuverdienen könne und bei einer Rente mit Abschlägen ein Hinzuverdienst bis zu 6.300 Euro im Kalenderjahr anrechnungsfrei bleibe. Die Rentenauskunft enthielt den Hinweis, dass sie nicht rechtsverbindlich sei.
Doch dann beantragte der Kläger im Juli 2021, ihm rückwirkend ab Dezember 2020 eine Altersrente für langjährig Versicherte zu bewilligen. Er berief sich darauf, dass die Angaben zur Hinzuverdienstgrenze in der Rentenauskunft falsch gewesen seien.
Zum Zeitpunkt der Auskunft sei die Hinzuverdienstgrenze angesichts der Pandemie vorübergehend auf 46.060 Euro angehoben worden. Hätte er dies gewusst, hätte er den Rentenantrag im Februar 2021 gestellt und den Rentenanspruch rückwirkend erworben.
Der Rentenversicherungsträger räumte zwar die falsche Angabe über die Hinzuverdienstgrenze in der Rentenauskunft ein, lehnte aber die rückwirkende Rentengewährung ab. Eine generelle Aufklärungspflicht hinsichtlich der erhöhten Hinzuverdienstgrenze habe nicht bestanden.
LSG Stuttgart: Versicherter kann rückwirkend Rente beanspruchen
Das LSG gab dem Kläger recht. Dem Versicherten stehe die Altersrente auch ab Dezember 2020 zu. Dies geböten die Grundsätze des sogenannten sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs.
Danach sei ein Sozialleistungs- und Sozialversicherungsträger verpflichtet, von ihm verursachte Schädigungen – hier des Klägers – soweit wie möglich auszugleichen. Es sei davon auszugehen, dass der Kläger bei richtiger Rentenauskunft über die Hinzuverdienstgrenze früher in Rente gegangen wäre.
Verspäteter Rentenantrag nach falscher Rentenauskunft
Der Rentenversicherungsträger habe seine Beratungspflicht verletzt. Denn nicht nur das Unterlassen einer verpflichtenden Beratung, sondern auch eine erteilte, aber falsche Auskunft stelle eine Pflichtverletzung dar, für die der Rentenversicherungsträger einzustehen habe.
Die Versicherten müssten darauf vertrauen können, dass die Rentenauskunft auch stimmt. Durch die falsche Rentenauskunft sei dem Kläger die Möglichkeit genommen worden, zwischen einem früheren oder späteren Rentenbeginn zu wählen.