Krankengeld trotz zu spät bei Kasse eingegangener Krankmeldung

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BSG: Bei Versand durch Arzt muss Versicherter nicht Risiko tragen

Übernimmt ein Hausarzt üblicherweise die Versendung von Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen an die Krankenkasse, darf ein verspäteter Zugang nicht dem Versicherten zur Last gelegt werden. Ein Aussetzen des Krankengeldbezugs ist dann ausnahmsweise nicht zulässig, urteilte am Donnerstag, 8. August 2019, das Bundessozialgericht (BSG) (Az.: B 3 KR 6/18 R und B 3 KR 18/18 R). Dies gelte erst recht, wenn die Krankenkasse dem Arzt für den Versand der Bescheinigungen Freiumschläge zur Verfügung gestellt hat. Diese Praxis ist von den Krankenkassen mittlerweile allerdings eingestellt worden.

Nach dem Gesetz setzt der Anspruch auf Krankengeld voraus, dass die vom Arzt ausgestellte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung innerhalb von sieben Tagen bei ihrer Krankenkasse eingegangen ist. Für die Vorlage bei der Krankenkasse ist nach einem Urteil des BSG vom 25. Oktober 2018 der Versicherte zuständig (Az.: B 3 KR 23/17 R; JurAgentur-Meldung vom Urteilstag). Ein verspäteter Zugang bei der Krankenkasse wirkt sich daher grundsätzlich zulasten des Versicherten aus, so dass ein Verlust von Krankengeldzahlungen droht.

Bis 2016 hatten Krankenkassen allerdings Ärzten Freiumschläge zur Verfügung gestellt, mit denen die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen verschickt werden konnten.

Im ersten nun vom BSG entschiedenen Fall wurde der Kläger nach einem Herzinfarkt von seinem Hausarzt als arbeitsunfähig eingestuft. Die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung wurde dem Mann nicht ausgehändigt. Der Arzt hatte diese – wie damals üblich – an die Krankenkassen direkt mit dem Freiumschlag pünktlich versandt. Doch der Brief kam nicht rechtzeitig an.

Erst zwei Wochen später erfuhr die Krankenkasse im Rahmen eines persönlichen Gesprächs mit dem Versicherten von dessen Arbeitsunfähigkeit. Da die Bescheinigung nicht innerhalb von sieben Tagen der Krankenkasse vorgelegen hatte, wollte die Kasse bis zum Zeitpunkt der persönlichen Vorsprache kein Krankengeld zahlen.

Auch wenn der Arzt die Bescheinigung mit einem Freiumschlag der Krankenkasse verschickt hatte, bestehe für die streitigen zwei Wochen kein Krankengeldanspruch. Der Versicherte hätte ohne Weiteres bei der Kasse anrufen und darauf hinweisen können, dass die Bescheinigung nun unterwegs sei. Auch wenn sich der Kläger der Hilfe eines Dritten bemüht hat, habe er grundsätzlich das Postrisiko für den rechtzeitigen Zugang zu tragen, so die Kasse.

Das BSG bestätigte, dass zwar grundsätzlich der Versicherte das Übermittlungsrisiko trägt. Hier liege jedoch ein Ausnahmefall vor. Denn der Kläger habe die Bescheinigung ja gar nicht ausgehändigt bekommen. Er habe daher darauf vertrauen können, dass sein Hausarzt – wie damals üblich – die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung an die Krankenkasse pünktlich verschickt.

Die Kasse habe sogar dem Arzt an sie adressierte Freiumschläge zur Verfügung gestellt. Es bestehe auch keine Pflicht, dass der Versicherte nach dem Versand einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung bei der Kasse noch einmal anruft und auf die zu erwartende Bescheinigung hinweist. Solch eine Rückversicherung sehe das Gesetz nicht vor.

Selbst wenn der Arzt die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung mit einem Freiumschlag einer anderen Krankenkasse verschickt, diese den Brief dann an die zuständige Krankenkasse weiterleitet, könne der Versicherte für einen verspäteten Zugang nicht zur Verantwortung gezogen werden, so das BSG im zweiten Fall. Der Hausarzt hatte hier seit vielen Jahren immer dieselben Freiumschläge einer Krankenkasse verwendet, die dann die Briefe an die zuständige Kasse weiter schickte. Auch hier habe der Versicherte darauf vertrauen können, dass das Vorgehen so seine Richtigkeit hatte, urteilte das BSG.

Am 11. Mai 2017 hatte das BSG zudem entschieden, dass ausnahmsweise auch dann eine Krankengeldzahlung verlangt werden könne, wenn der Hausarzt einem Versicherten zu spät die weiter bestehende Arbeitsunfähigkeit bescheinigt (Az.: B 3 KR 22/15 R; JurAgentur-Meldung vom Urteilstag). Habe der arbeitsunfähige Versicherte „alles in seiner Macht stehende” getan, damit die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung bei der Krankenkasse rechtzeitig ankommt, dürfe ein Fehler des Arztes nicht zu seinen Lasten gehen. fle/mwo

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