Krankengeld: Entgeltzahlung für Wartezeit nach 4 Wochen – Urteil

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Das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen hat am 21. Januar 2025 ein Urteil verkündet, das weitreichende Bedeutung hat. Im Kern geht es um die Frage, ob Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sofort nach Unterzeichnung eines neuen Arbeitsvertrags Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall haben, wenn sie direkt zu Arbeitsbeginn erkranken und ihre Tätigkeit nicht aufnehmen können. Geklagt hatte ein 36-jähriger Mann aus Cuxhaven, der zwar einen Arbeitsvertrag unterschrieben, seine neue Stelle jedoch aufgrund einer unmittelbar eintretenden Erkrankung nie angetreten hatte.

Der Kläger forderte von seinem vermeintlichen neuen Arbeitgeber die Anmeldung zur Sozialversicherung und die Zahlung von Entgeltfortzahlung. Die Richterinnen und Richter des Landessozialgerichts entschieden jedoch, dass in einem solchen Fall kein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis zustande kommt und damit auch kein Anspruch auf Lohnfortzahlung besteht.

Der Betroffene hätte sich vielmehr an seine Krankenkasse halten müssen, um gegebenenfalls Krankengeld zu erhalten.

Was besagt das Urteil im Detail?

Das Landessozialgericht (AZ: L 16 KR 61/24) stellte klar, dass die bloße Unterzeichnung eines Arbeitsvertrags nicht automatisch zu einem versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis führt. Entscheidend sei, dass die vertraglich vereinbarte Tätigkeit tatsächlich aufgenommen wird und dass der oder die Beschäftigte tatsächlich entlohnt wird. Genau dies war im Fall des Klägers nicht geschehen: Er wurde krank, bevor er auch nur einen einzigen Tag im Betrieb gearbeitet hatte.

Zudem erläuterte das Gericht, dass nach dem Entgeltfortzahlungsgesetz eine Wartezeit von vier Wochen besteht. Beschäftigte haben in einem neuen Arbeitsverhältnis erst dann Anspruch auf Entgeltfortzahlung durch den Arbeitgeber, wenn sie mindestens vier Wochen tatsächlich gearbeitet haben. Dieses Prinzip wurde vom Gesetzgeber eingeführt, um zu verhindern, dass Arbeitgeber unmittelbar nach Arbeitsbeginn für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer aufkommen müssen, die gleich am ersten Tag erkranken.

Warum ist die Wartezeit von vier Wochen so entscheidend?

Die gesetzlich verankerte Wartezeit soll zum einen den Arbeitgeber vor unvorhersehbaren Kosten schützen. Wenn Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer beispielsweise bereits vor oder bei Arbeitsantritt wussten, dass sie erkranken könnten, sollte der Arbeitgeber nicht unmittelbar zur Kasse gebeten werden.

Zum anderen dient diese Regelung auch der Praktikabilität: Ein Arbeitsverhältnis kann im Rahmen der Probezeit schnell wieder gekündigt werden, wenn sich herausstellt, dass die Zusammenarbeit nicht funktioniert – sei es aus gesundheitlichen oder anderen Gründen.

Erst nach Ablauf von vier Wochen kontinuierlicher Beschäftigung im neuen Betrieb greift die sogenannte Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall.

Wer also gleich zu Beginn eines neuen Jobs krank wird, kann nicht auf Lohnfortzahlung durch den Arbeitgeber hoffen. In solchen Fällen ist gegebenenfalls die Krankenkasse der richtige Ansprechpartner, um Fragen zu Krankengeld oder sonstigen Leistungen zu klären.

Welche Auswirkungen hat das Urteil für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer?

Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sollten sich darüber im Klaren sein, dass ein schriftlich geschlossener Arbeitsvertrag zwar formell das Arbeitsverhältnis begründet, aber nicht automatisch bei Krankheiten zur sofortigen Entgeltfortzahlung führt. Das Urteil macht deutlich, dass tatsächliche Arbeitsleistung maßgeblich dafür ist, ob ein Entgeltfortzahlungsanspruch entsteht.

Die Konsequenz ist, dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die vor Antritt ihrer Beschäftigung oder direkt an ihrem ersten Tag erkranken, in der Regel keine Entgeltfortzahlung von ihrem neuen Arbeitgeber erwarten können. Für sie lohnt es sich, bei Fragen zu finanziellen Absicherungen oder Krankengeld schnellstmöglich das Gespräch mit ihrer Krankenkasse zu suchen.

Wie ist die Situation aus Sicht der Arbeitgeber?

Arbeitgeber können sich durch dieses Urteil bestätigt fühlen, dass sie nicht für Krankheitskosten aufkommen müssen, wenn die betreffende Person keine tatsächliche Arbeitsleistung erbracht hat. Ein rein formaler Arbeitsvertrag, der nie durch tatsächliches Arbeiten mit Leben erfüllt wurde, führt also nicht zu einem Entgeltfortzahlungsanspruch.

Trotzdem sollten Arbeitgeber darauf achten, dass sie ihre gesetzlichen Pflichten korrekt erfüllen. Sobald klar ist, dass ein neues Arbeitsverhältnis mit tatsächlicher Arbeitsaufnahme beginnt, müssen sie die ordnungsgemäße Anmeldung bei den Sozialversicherungsträgern vornehmen. Ein Verzicht oder ein Zögern an dieser Stelle kann für das Unternehmen juristische Konsequenzen nach sich ziehen.

Wie sollten Betroffene vorgehen, wenn sie direkt zum Arbeitsstart erkranken?

Das Urteil verdeutlicht, dass sich Erkrankte, die ihre Tätigkeit noch nicht aufgenommen haben, in erster Linie an ihre Krankenkasse wenden sollten. Sofern ein Anspruch auf Krankengeld besteht, kann dies die finanzielle Lücke schließen, die durch den Ausfall von Arbeitsentgelt entsteht.

Ob ein solcher Anspruch besteht, hängt von verschiedenen Faktoren ab, etwa davon, wie lange zuvor die Person gesetzlich krankenversichert war und ob andere Leistungsansprüche (zum Beispiel Arbeitslosengeld) noch gelten.

Vor Gericht scheitern Betroffene mit ihrem Anliegen häufig, wenn sie versuchen, ihren vermeintlich neuen Arbeitgeber zur Lohnfortzahlung zu verpflichten, ohne dass jemals eine tatsächliche Beschäftigung stattgefunden hat. Dies ist die zentrale Botschaft des Landessozialgerichts: Ohne geleistete Arbeit kann es keinen Anspruch auf Lohnfortzahlung geben.

Welche Bedeutung hat das Urteil für die Praxis?

Das Urteil hat Signalwirkung für alle, die kurz vor Aufnahme eines neuen Arbeitsverhältnisses stehen. Es schafft Klarheit für die Frage, was geschieht, wenn jemand direkt bei Arbeitsbeginn oder unmittelbar zuvor krank wird. Insbesondere verdeutlicht es, dass ein neuer Arbeitgeber nicht für Entgeltfortzahlung in Haftung genommen werden kann, bevor die Wartezeit von vier Wochen erfüllt ist.

Zugleich ist das Urteil ein Weckruf dafür, dass Betroffene ihre Rechte gegenüber der Krankenkasse prüfen lassen sollten. Häufig entscheidet sich erst im Einzelfall, ob möglicherweise doch Krankengeld beansprucht werden kann. Wer aber ausschließlich auf den Arbeitgeber setzt, wird sich auf das Risiko einer Ablehnung einstellen müssen.

Wie ist die rechtliche Einordnung?

Grundlage für das Urteil ist das Entgeltfortzahlungsgesetz, das den Anspruch auf Lohnfortzahlung im Krankheitsfall regelt. Dort ist in § 3 Absatz 3 festgelegt, dass die Wartezeit vier Wochen beträgt. Erst nach Ablauf dieser Frist muss der Arbeitgeber im Krankheitsfall das Gehalt weiterzahlen.

Im konkreten Fall vor dem Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen stand fest, dass der Kläger die vereinbarte Tätigkeit nie antrat und dementsprechend nie entlohnt wurde. Das Gericht argumentierte, dass in dieser Konstellation kein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis entstehen konnte, weshalb eine Entgeltfortzahlung schon aus Prinzip nicht infrage kam.

Es ist zu erwarten, dass dieses Urteil in weiteren Verfahren als Orientierungshilfe dienen wird. Nicht selten treten Streitfälle auf, bei denen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer kurz vor Arbeitsantritt erkranken. Arbeitgeber und Beschäftigte können daher mit mehr Rechtssicherheit planen.

Das Landessozialgericht hat den Rahmen klar abgesteckt: Ohne tatsächliche Arbeitsaufnahme ist das neue Arbeitsverhältnis sozialversicherungsrechtlich nicht wirksam zustande gekommen. Somit bleibt die Krankenkasse oft der erste und wichtigste Ansprechpartner, um eine finanzielle Absicherung im Krankheitsfall zu gewährleisten.