Der Anspruch auf Krankengeld bleibt auch bei verspäteter Krankmeldung durchgehend erhalten, wenn die Hausarztpraxis einen Termin erst zwei Tage zu spät angeboten hat. Es reicht aus, wenn Versicherte sich rechtzeitig morgens um einen Termin kümmern, wie das Hessische Landessozialgericht (LSG) in Darmstadt in zwei am Dienstag, 22. Dezember 2020, bekanntgegebenen Urteilen entschied (Az.: L 1 KR 125/20 und L 1 KR 179/20). Danach müssen sie weder eine andere Praxis aufsuchen noch sich schon lange vorher um einen Termin kümmern.
Im Regelfall müssen sich Krankengeldbezieher spätestens am ersten Werktag nach dem Ende der letzten Bescheinigung die Fortdauer der Arbeitsunfähigkeit erneut bescheinigen lassen. Nach heutigem Recht ruht sonst der Anspruch auf Krankengeld, hier wäre er in beiden Fällen nach früherem Recht sogar ganz verloren gegangen.
Im ersten Fall endete die Ausgangsbescheinigung an einem Freitag. Am darauffolgenden Montag bat die Versicherte bei ihrem Hausarzt um einen Termin am selben Tag. Weil ihr Arzt im Urlaub war, konnte sie erst am Mittwoch einen Termin bekommen. An diesem bescheinigte der Vertreter die fortdauernde Arbeitsunfähigkeit.
Im zweiten Fall endete die Ausgangsbescheinigung an einem Sonntag. Auch hier bemühte sich die Patientin am Montag um einen Termin, wurde aus organisatorischen Gründen aber ebenfalls auf den Mittwoch verwiesen, an dem sie dann die neue Bescheinigung erhielt.
In beiden Fällen hielten die Krankenkassen die Folgebescheinigung für verspätet und lehnten daher weitere Krankengeldzahlungen ab.
LSG Darmstadt: Terminverschiebung durch Arztpraxis schadet nicht
Mit seinen auch bereits schriftlich veröffentlichten Urteilen vom 24. September 2020 gab das LSG Darmstadt nun aber den Versicherten recht. Beide hätten sich rechtzeitig um einen Termin bemüht, seien aber von ihrer jeweiligen Praxis auf einen späteren Termin verwiesen worden. Dies liege „in der Sphäre des Vertragsarztes” und sei den Krankenkassen zuzurechnen.
Ausreichend ist danach, wenn Versicherte wie hier schon am Morgen des nächsten Werktags nach einem Termin fragen. Die Krankenkassen könnten nicht verlangen, dass Versicherte „sich bereits Tage vorher ‚auf Vorrat’ um einen Arzttermin bemühen”.
Ebenso müssten Versicherte nicht eine andere Praxis oder gar den Notdienst aufsuchen. Denn ein „Arzt-Hopping” sei gesetzlich nicht erwünscht und könne auch von den Versicherten nicht verlangt werden, betonten die Darmstädter Richter.
Zur Begründung verwies das LSG auch auf ein Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) in Kassel vom 11. Mai 2017 (Az.: B 3 KR 22/15 R; JurAgentur-Meldung vom Urteilstag). Danach ist es für den Krankengeldanspruch nicht schädlich, wenn der Arzt oder Praxispersonal einen späteren Termin für ausreichend gehalten hat. Dem schloss sich das LSG an und weitete die Rechtsprechung generell auf Terminverschiebungen durch die Praxis aus. Die Revision ließen die Darmstädter Richter nicht zu.
Nach früherem Recht konnte eine verspätete Folgebescheinigung nicht nur zum Ruhen, sondern zum dauerhaften Verlust des gesamten Versicherungsverhältnisses und damit auch des Anspruchs auf Krankengeld führen. Das war der Fall, wenn ein Arbeitsverhältnis und auch ein Anspruch auf Arbeitslosengeld I nicht mehr bestand. Das traf hier auf beide Klägerinnen zu. Nach dem zum 10. Mai 2019 in Kraft getretenen heutigen Recht kommt es auch dann nur zum Ruhen des Anspruchs, wenn die Folgebescheinigung spätestens nach einem Monat erteilt wird. mwo/fle
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