Alle zwei bis drei Stunden während der Arbeitszeit auf die Toilette zu gehen ist „nicht betriebsunüblich“. Die berufliche Leistungsfähigkeit einer gesetzlich Versicherten wird dadurch ebenso wenig eingeschränkt, wie zweimal täglich sich selbst außerhalb der Arbeitszeit ein Harnkatheter legen zu müssen, entschied das Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg in Stuttgart in kürzlich veröffentlichten Urteil (Az.: L 10 R 3541/19).
Die Klägerin war von 2009 bis 3. Januar 2014 als Produktionshelferin beschäftigt. Seither ist sie arbeitsunfähig beziehungsweise arbeitslos. Seit 2014 klagt sie über Dauerschwindel und Drehschwindelattacken; hinzu kamen Migräne sowie Knie- und Gelenkschmerzen.
Klägerin leidet an Harninkontinenz
Unter anderem infolge der Geburt von drei Kindern leidet sie auch an einer Harninkontinenz. Sie müsse sich zweimal am Tag selbst einen Harnkatheter legen.Jede Stunde müsse sie wegen ihres Harndrangs zweimal auf die Toilette gehen. Damit könne sie nur unter „betriebsunüblichen Bedingungen“ arbeiten. Die Arbeit sei ihr letztlich nicht möglich.
Wegen ihrer gesundheitlichen Beeinträchtigungen beantragte sie die Gewährung einer vollen oder zumindest teilweisen Erwerbsminderungsrente.
Ewerbsminderungsrente abgelehnt
Sowohl der Rentenversicherungsträger als nun auch das LSG lehnten dies nach Einholung mehrerer Gutachten ab. Die Klägerin, so die Stuttgarter Richter, sei arbeitsfähig und könne zumindest sechs Stunden täglich leichte Tätigkeiten verrichten. Daher könne sie keine Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung beanspruchen.
Ihr vorgebrachter Dauerschwindel habe auch nach einer vierstündigen Untersuchung nicht belegt werden können.
Alle zwei bis drei Stunden auf Toilette gehen sei nicht betriebsunüblich
Gleiches gelte für ihren vermeintlich ausgeprägten Harndrang. Sie habe zwar ein „Harnkatheter-Protokoll“ vorgelegt, nach dem sie täglich mittels Katheter und Toilettengängen bis zu 6,6 Liter Flüssigkeit ausscheide. Danach müsste sie aber acht Liter Flüssigkeit täglich trinken, eine krankhaft hohe Trinkmenge. Dies habe die Klägerin aber nicht vorgebracht.
Während einer vierstündigen Begutachtung habe sie dagegen kein einziges Mal auf die Toilette gehen müssen. Dem Gutachter zufolge ist davon auszugehen, dass die Frau alle zwei bis drei Stunden einen Toilettengang durchführen könne.
Toilettengänge in diesen Zeiträumen seien aber nicht „betriebsunüblich“, urteilte das LSG. Wegen der bestehenden Arbeitsfähigkeit könne die Klägerin daher keine Erwerbsminderungsrente beanspruchen. fle/mwo