Menschen im Bürgergeld-Bezug müssen ein Darlehen beim Jobcenter beantragen, um defekte Haushaltsgeräte zu ersetzen. Einer Behörde reichte der vorgeschriebene Antrag nicht, sondern sie “beauftragte den Außendienst zur Bedarfsprüfung”, wie Helena Steinhaus von Sanktionsfrei e.V. berichtet.
Steinhaus kommentiert: “Jetzt sollen also wildfremde Leute kontrollieren, ob ihre Maschine wirklich kaputt ist.”
Es geht um ein Darlehen, nicht um eine Leistung
Steinhaus erklärt, dass es sich lediglich um ein Darlehen handelt, das die Bürgergeld-Bezieherin Monat für Monat von ihrem Regelsatz zurückzahlen muss und nicht um eine Leistung, die das Jobcenter übernimmt.
Außerdem, so Steinhaus, zieht sich der Prozess bereits seit November in die Länge. Also seit einem Monat, in dem die Leistungsberechtigte ohne Waschmaschine dasteht.
Unwirtschaftliches Verhalten
Steinhaus kritisiert zudem, dass die Jobcenter zwar stets “wirtschaftliches Verhalten” von den Leistungsbeziehern fordern. Die Frage sei aber, “wie teuer ist der Außendienst im Verhältnis zu einer Waschmaschine?” und “Ist das hier nicht auch unwirtschaftlich?”.
“Könnten die bundesweiten Weisungen nicht menschenfreundlich überarbeitet werden?”, stellt Steinhaus in den Raum.
Kontrollzwang verschlingt Steuergelder
Es handelt sich nicht um einen Einzelfall. Politiker, besonders aus der Union, der AfD und der FDP, malen zwar tagaus tagein an die Wand, wieviel das System Bürgergeld kosten würde und machen dafür die Leistungsberechtigten verantwortlich.
Sie verschweigen dabei bestenfalls überflüssige Kosten, die die Jobcenter verursachen. Statt die finanziellen Mittel effektiv dafür einzusetzen, Arbeitssuchende passgenau in Stellen zu vermitteln, werden Unsummen verschwendet, um Leistungsberechtigte zu kontrollieren.
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Hilfebedürftige unter Generalverdacht
Die Jobcenter stellen die Bürgergeld-Bezieher unter Generalverdacht, und die kleinsten Dinge des Alltags durchlaufen bei der Behörde einen Hickhack bürokratischer Prüfungen, als seien Hilfebedürftige Kriminelle auf Bewährung.
Jobcenter führen Arbeitssuche ad absurdum
Das alles kostet Geld und Ressourcen. Mitarbeiter, deren Gehalt die Behörde sinnvoll einsetzen könnte, um die Arbeitssuche zu fördern, müssen ihre Arbeitszeit verschwenden, um mit der Lupe zu gucken, ob zum Beispiel eine Waschmaschine funktioniert.
Die Leistungsberechtigten, denen die Behörde solche Knüppel zwischen die Beine werfen, verlieren die Zeit und die Nerven, die sie dringend für die Jobsuche benötigen. Die gesetzliche Aufgabe der Jobcenter, die Arbeitssuche zu fördern, führen solche Schikanen ad absurdum.
Immer wieder müssen die Sozialgerichte für Klarheit sorgen
Die Jobcenter verweigern Hilfebedürftigen imnmer wieder Leistungen mit Konstrukten, deren Widersinn auf den ersten Blick ersichtlich ist. So ist glasklar, dass ein Totalschaden einer alten Waschmaschine für einen Bürgergeld-Bezieher ohne Rücklagen ein Desaster darstellt, und dass er einen Ersatz braucht, den er selbst nicht leisten kann.
Nicht so dem zuständigen Jobcenter. Das sah weder einen Anspruch auf einen Zuschuss noch auf ein Darlehen. Erst das Sozialgericht Kiel verdonnerte die Behörde dazu, ihre Pflicht zu tun, und den Kaufpreis einer neuen Waschmaschine samt Lieferung als einmaligen Mehrbedarf zu zahlen. (Az: S35 AS 35/22).
Jobcenter vergeuden also nicht nur Ressourcen aus Steuergeldern für ihren Kontrollzwang, sondern rauben zusätzlich mit ihren grotesken Entscheidungen auch noch Richtern ihre Arbeitszeit, die diese unbedingt benötigen, um einen Berg von wichtigen Verfahren abzuarbeiten.
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Dr. Utz Anhalt ist Buchautor, Publizist, Sozialrechtsexperte und Historiker. 2000 schloss er ein Magister Artium (M.A.) in Geschichte und Politik an der Universität Hannover ab. Seine Schwerpunkte liegen im Sozialrecht und Sozialpolitik. Er war wissenschaftlicher Mitarbeiter bei Dokumentationen für ZDF , History Channel, Pro7, NTV, MTV, Sat1.