Hartz IV-Urteil: Jobcenter sanktionierte Erkrankten zu Unrecht

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So lautet eine Entscheidung des Sozialgerichts Cottbus vom 1. April 2019. Das Jobcenter verlangte entgegen eines ärztlichen Rates, von einem psychisch kranken Mann, für einen neuen Job seine gewohnte Umgebung zu verlassen. Dieser weigerte sich und wurde prompt sanktioniert. Zu Unrecht wie sich jetzt herausstellte.

Umzug würde Gesundheit negativ beeinflussen

Der Kläger des Verfahrens leidet an einer psychischen Störung. Eine gutachterliche Äußerung des medizinischen Dienstes der Bundesagentur für Arbeit stellte bei ihm Beeinträchtigungen der psychischen Belastbarkeit fest. Diese seien bisher jedoch nur gering ausgeprägt. Demnach bestehe auch nur ein geringer Einfluss auf die berufliche Vermittlung. Der Kläger sei in der Lage, vollschichtig eine körperlich leichte bis mittelschwere Tätigkeit auszuüben. Allerdings schließt der Facharzt eine Vermittlung aus, die die Notwendigkeit eines Umzuges mit sich bringen würde. Eine Vermittlung, die außerhalb des Tagespendelbereiches liege, hätte demnach negative Auswirkungen auf die Gesundheit des Mannes.

Jobcenter unterbreitet Jobangebot außerhalb des Wohnortes

In einem Schreiben unterbreitete das Jobcenter dem Mann schließlich ein Jobangebot als IT-Consultant. Die Arbeitszeit sollte sich auf 40 Wochenstunden belaufen. Das Jobcenter forderte den Leistungsberechtigten auf, sich umgehend per Mail mit seinen Zeugnissen und seinem Lebenslauf zu bewerben. Kurz darauf kam es zu einem Vorstellungsgespräch in dem Unternehmen. Während des Gespräches stellte sich jedoch heraus, dass man den Leistungsberechtigten an einem Standort außerhalb des derzeitigen Wohnortes einsetzen wolle. Folglich hätte der Erwerbslose für den Job umziehen müssen. Aufgrund dessen kam es zu keiner Vertragsunterzeichnung.

Sanktionen als Konsequenz

Unmittelbar darauf folgte ein Schreiben des Jobcenters. Dieses setzte den Mann darüber in Kenntnis, dass ihm eine Leistungsminderung in Höhe von 30 Prozent drohe. Der Mann wurde für die Monate Januar bis einschließlich März 2015 sanktioniert. Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger im Februar 2015 Widerspruch. Er beruft sich auf seinen gesundheitlichen Zustand, der nachweislich von einem Facharzt diagnostiziert wurde. Demnach wäre die Beschäftigung für ihn unzumutbar gewesen. Sie verstoße gegen die im Vorfeld festgelegte Bestimmung der Arbeitsbedingungen. In seinem Fall die Erreichbarkeit der Arbeitsstätte. Bei dem vorliegenden Angebot wären die täglichen Pendelzeiten im Vergleich zu der Arbeitszeit unverhältnismäßig lang. Daher wäre ein Umzug die Folge.

Unbekanntes Umfeld stellt nicht zu unterschätzenden Stressreiz dar

Das Jobcenter wies den Widerspruch als unbegründet zurück. Es vertritt vielmehr die Auffassung, dass die angebotene Arbeit für den Kläger zumutbar gewesen wäre. Da er diese aber nicht annahm, sei die Sanktionierung die berechtigte Konsequenz. Im Mai folgte die Klage mit dem erneuten Hinweis auf die medizinische Einschätzung des Facharztes. Laut dieser sei für die Stabilität der psychischen Symptomatik des Klägers, ein gewohntes Umfeld von großer Bedeutung. Der Arzt riet daher von einer überregionalen Vermittlung ab. Das Gericht bat zur Aufklärung des Sachverhaltes um den Befundbericht des zuständigen Arztes sowie um die Beantwortung ergänzender Fragen. Dieser bestätigte die Erkrankung des Klägers und auch die Tatsache, dass ein unbekanntes Umfeld einen nicht zu unterschätzenden Stressreiz darstellen würde.

Der Erkrankung zugrunde liegt das Stress-Vulnerabilitäts-Konzept. Demnach sei das Stressverarbeitungssystem deutlich anfälliger als bei gesunden Menschen. Basierend auf diesen Tatsachen, erklärt das Gericht die zulässige Anfechtungsklage für begründet. Der Widerspruchsbescheid des Jobcenters verletze den Kläger in seinen Rechten. Das Jobcenter hat den Kläger zu Unrecht sanktioniert und muss ihm rückwirkend die gestrichenen Leistungen zahlen.

 

 

 

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