Sozialgericht entschied: Bürgergeld-Mehrbedarf für Straßenschuhe

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Um als Bürgergeld-Bezieher einen unabweisbaren, laufenden und nicht nur einmaligen besonderen Bedarf gegenüber dem Jobcenter geltend zu machen, muss häufig das Sozialgericht mit einer Klage eingeschaltet werden, da sich die Jobcenter in der Regel quer stellen und Anträge zunächst ablehnen. Es kann sich aber lohnen, sich nicht entmutigen zu lassen, wie dieses Urteil zeigt.

Anspruch auf Straßenschuhe aufgrund einer Erkrankung

as Sozialgericht Hamburg entschied, dass Bürgergeld Bezieher einen Anspruch auf einen Mehrbedarf für Schuhe haben, deren Schuhe aufgrund einer Erkrankung fortlaufend verschlissen sind. Das Jobcenter hatte sich geweigert einen Mehranspruch zu gewähren. Stattdessen sollte die Krankenkasse die Straßenschuhe zahlen.

Hoher Verschleiß der Schuhe durch Krankheit

Im konkreten Fall beantragte die Klägerin einen Mehrbedarfszuschuss für die Anschaffung neuer Schuhe. Aufgrund einer neurologischen Erkrankung leidet die Betroffene an einer Fehlstatik der Beine. Die Sprunggelenke und Füße verursachen eine starke Veränderung des Gangbildes.

Aus diesem Grund sind die Schuhe bereits nach 4 bis 8 Wochen innen stark abgenutzt. Die schnelle Abnutzung führt zu medizinisch nachgewiesenen starken Schmerzen in den Knien und Füßen. Die Betroffenen müssen daher wesentlich häufiger neue Schuhe kaufen als der Durchschnitt der Bevölkerung.

Jobcenter lehnte Mehrbedarfsantrag ab und verwies auf die Krankenkasse

Die Betroffene stellte daher beim zuständigen Jobcenter einen Antrag auf Mehrbedarf für die bereits gekauften vier Paar Schuhe.

Das Jobcenter lehnte den Antrag ab und verwies an die Krankenkasse. Dort solle die Betroffene orthopädische Schuhe beantragen. Zudem bezweifelte die Behörde die Notwendigkeit, obwohl ein Gutachten diese bescheinigte.

Das Sozialgericht sprach der Klägerin einen “Anspruch auf Mehrbedarf für handelsübliche Schuhe wegen krankheitsbedingter übermäßiger Abnutzung” zu.

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Ein unabweisbarer, laufender und nicht nur einmaliger besonderer Bedarf

Schließlich erkennt das Sozialgesetzbuch einen Mehrbedarf an, wenn im Einzelfall ein unabweisbarer, laufender und nicht nur einmaliger besonderer Bedarf besteht.

Er entsteht, wenn Leistungen Dritter (z.B. der Krankenkasse) und Einsparmöglichkeiten aus dem Regelbedarf nicht ausreichen. Der Mehrbedarf muss “erheblich vom durchschnittlichen Bedarf abweichen”.

Im entschiedenen Fall liegt ein Mehrbedarf vor, weil alle zwei Monate neue Schuhe gekauft werden müssen. Dieser Bedarf weicht erheblich vom durchschnittlichen Bedarf ab und ist daher nicht durch die Regelleistungen des SGB II gedeckt.

Mehrbedarf in Höhe von 19,46 Euro

Für Schuhe und Bekleidung sind in den Regelleistungen monatlich 34,60 Euro vorgesehen. Daraus ergeben sich durchschnittliche monatliche Aufwendungen für “Schuhe für Damen ab 14 Jahren” in Höhe von 5,30 Euro.

Da die Antragstellerin diesen Bedarf mit einer Rechnung für 4 Paar Schuhe nachgewiesen hat, weil die Schuhe aufgrund der neurologischen Erkrankung sehr schnell verschlissen sind, lag der Bedarf um 19,46 Euro über dem eines durchschnittlichen Referenzhaushaltes zur Ableitung des Regelbedarfs im damaligen Hartz IV.

Daraus ergibt sich eine Bedarfsunterdeckung, um das Existenzminimum nicht zu unterschreiten. Der Mehrbedarf der Betroffenen für Schuhe betrug bei einem Regelbedarf von 424 Euro etwa 4,5 bis 4,6 Prozent des Regelbedarfs.

Die Krankenkasse zahlt nachweislich nicht, da es sich um einen Bedarf für “normale” und nicht orthopädische Schuhe handelt. Deshalb muss nun das Jobcenter für den Mehrbedarf aufkommen.

Aus dem Urteil: “Schließlich ergibt sich auch aus den Umständen des Einzelfalles, dass die Klägerin grundsätzlich einen regelmäßigen monatlichen höheren Bedarf hat, der aufgrund der angeborenen Erkrankung ohne eine bestimmte zeitliche Begrenzung anfällt (…). Längerfristige Planungen bieten der Klägerin keine Möglichkeit, diesen immer wiederkehrenden Sonderbedarf zu decken”. (AZ: S 39 AS 100/21)

Entscheidung reiht sich in weitere Urteile ein

Die Entscheidung des Sozialgerichts Hamburg reiht sich somit in weitere Urteile ein. So hatte bereits das Landessozialgericht Berlin laufende Kosten für Bekleidung, Wäsche und Schuhe in Übergröße in Höhe von monatlich 28,36 Euro für einen Leistungsbezieher mit einer Körpergröße von 2,07 m und Schuhgröße 52 als Mehrbedarf nach § 21 Abs. 6 SGB II anerkannt.

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