Hartz IV: Jobcenter verlangt Bettlägerigkeitsbescheinigung und sanktionierte

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Einladung zur Jobakademie: Zwang zur Hilfe

Im Mai 2017 wurde eine Hartz IV-Betroffene in die Jobakademie Hannoversch Münden eingeladen, wo sie sofortige Unterstützung bei der Arbeitssuche erhalten würde. Die Jobakademie teilte ihr außerdem mit, dass bei Nichterscheinen eine Senkung der Bezüge nach § 32 SGB II erfolgen würde.

Jobakademie: Wenn Sie krank sind, beweisen Sie, dass sie nicht trotzdem kommen können!

Allein im Falle Bescheinigter Arbeitsunfähigkeit sei ein Nichterscheinen zu entschuldigen. Und weiter: „da jedoch nicht jede Erkrankung dazu führt, dass ein Meldetermin nicht wahrgenommen werden kann, ist von Ihnen statt der allgemeinen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung eine Bettlägerigkeitsbescheinigung als Nachweis dafür vorzulegen, mit der Ihr Arzt bestätigt, dass Sie aufgrund Ihrer Erkrankung nicht in der Lage waren, zum angegebenen Termin beim Leistungsträger zu erscheinen.“

ALG II-Bezieherin verweist auf absolviertes Bewerbungstraining

Die Betroffene sagte der Jobakademie ab und verwies darauf, dass sie ihrer Pflicht zur Beendigung der Arbeitslosigkeit mit regelmäßigen Bewerbungen nachkomme, die dem zuständigen Bearbeiter des Jobcenters vorliegen würden. Eine Pflicht zur Teilnahme an der Beratung durch die Jobakademie sehe sie nicht gegeben. Bei einer erneuten Anhörung teilte sie außerdem mit, dass sie zuvor ein Bewerbungstraining absolviert habe und bisher keine Einwände gegen ihre Bewerbungen vom Jobcenter vorgebracht worden seien.

Jobakademie verordnet Zwangsberatung und verhängt Sanktionen

Die Jobakademie zeigte jedoch keine EInsicht und kürzte die Sozialleistungen der Betroffenen. Diese reichte gemeinsam mit ihrem Anwalt Widerspruch gegen die Sanktion ein und verwies auf die Meldepflicht gegenüber dem Jobcenter und die Verfassungswidirgkeit der Sanktion. Die Jobakademie lehnte den Widerspruch ab und verhängte stattdessen die Teilnahme an 32 Einzelterminen, die Betroffene solle drei mal wöchentlich je drei Stunden das Angebot der Jobakademie verpflichtend wahrnehmen.

Sozialgericht entscheidet: Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung oder gar „Bettlegerigkeitsbescheinigung“ muss nicht vorgelegt werden

Die Betroffene reichte schließlich Klage ein. Im Juli entschied das Sozialgericht Hildesheim zugunsten der ALG II-Bezieherin (Az.: S 38 AS 1417/17): Eine Voraussetzung für eine Leistungskürzung nach § 32 SGB II liegt nicht vor. Der Einladung habe keine hinreichende Rechtsfolgenbelehrung beigelegen. Dies sei der Fall, da die mit dem Einladungsschreiben versandten Rechtshinweise falsch seien.

Weder sei es notwendig, eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorzulegen, geschweige denn eine „Bettlegerigkeitsbescheinigung“ vorzuweisen. Das objektive Vorliegen einer Erkrankung, beispielsweise durch einen Zeugen bestätigt, reiche völlig aus, eine ärtzliche Bescheinigung könne erst nach wiederholte Meldeversäumnissen verlangt werden. Die irreführende Rechtsfolgenbelehrung würde Betroffene vielmehr daran hindern, eine Erkrankung als Grund für die Ausschlagung eines Termins anzubringen.

Einladung zur Maßnahme ist kein Meldetermin

Außerdem habe es sich nicht um einen Meldetermin gehandelt, sondern um eine Einladung zu einer Maßnahme, die ggf. nach § 32 SGB II sanktioniert werden müsste, nicht nach § 32 SGB II. Eine Einladung zu einer Maßnahme wie der Beratung durch die Jobakademie stelle jedoch noch keine Zuteilung der Betroffenen zur Maßnahme dar, es gehe vielmehr darum, zuerst die Eignung der Betroffenen für eine Teilnahme festzustellen. Auch die Einladung zu einem „Eingangsgespräch“ in die Maßnahme sei damit rechtswidrig, weil behauptet werde, „grundsätzlich jeder“ nehme an der Jobakademie teil.

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