Hartz IV: Darlehen für Mietkaution und Abzug vom Regelsatz verfassungswidrig?

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Landessozialgericht stärkte erst Rechte von Hartz IV Beziehern und widerspricht grundgesetzwidriger Kürzung aufgrund der Vergabe eines Mietkationsdarlehen. Das Bundessozialgericht kassierte jedoch das Urteil.

Die Praxis der Jobcenter ist bei der Vergabe von Darlehen eigentlich grundgesetzwidrig. Wird eine Wohnung per Antrag gewährt, muss fast immer eine Mietkaution gezahlt werden. Da aber der Hartz IV Regelbedarf zu niedrig bemessen ist, um dies daraus zu finanzieren, wird meistens ein Darlehen gewährt.

Hartz IV Schild

Problematisch dabei ist, dass das Geld nur geliehen ist und der Behörde zurück gezahlt werden muss. Wer von Hartz IV lebt, und ansonsten über kein Einkommen verfügt, kann den Betrag aber nicht zurückzahlen. Deshalb ziehen die Leistungsträger die Raten oftmals vom ALG II-Regelsatz einfach ab. Aber der Hartz IV Satz soll eigentlich das verbriefte Existenzminimum sichern. Über einen derartigen Fall musste das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen urteilen.

Mietkaution nur als Darlehen gewährt

Im konkreten Fall ist der Kläger auf Leistungen nach dem SGB II angewiesen. Der junge Mann wollte in eine Wohnung der Evangelischen Jugendhilfe einziehen. Das Jobcenter stimmte dem Einzug in die Wohnung zu. Die Kosten der Unterkunft waren nach den kommunalen Vorgaben angemessen.

Regelsatz nach Auszahlung des Darlehens gekürzt

Der Vermieter forderte eine Mietkaution von 566 EUR. Weil der Regelbedarf hierfür nicht ausreichte, um die Kaution zu zahlen, stellte der junge Mann einen Antrag auf Übernahme der Mietkaution. Das Jobcenter verweigerte die Übernahme, bot jedoch ein Mietkautionsdarlehen an. Nachdem das Darlehen ausgezahlt war, kürzte die Behörde den Regelsatz um 10 Prozent, um die Abzahlung des Darlehens zu gewährleisten. Das bedeutet, das Jobcenter kürzte den Regelsatz, obwohl das Verfassungsgericht das Existenzminimum verlangt.

Landessozialgericht kassierte Jobcenter-Entscheidung

Das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen (AZ: L 7 AS 607/17, Vorinstanz: Sozialgericht Dortmund, S 58 AS 4433/12) gab dem Kläger Recht und stärkte gleichzeitig die Rechte von Leistungsbeziehern. Das Vorgehen der Behörde verstoße gegen das Grundgesetz und stellte klar, dass „der soziokulturelle Bedarf […] zum grundrechtlich gesicherten menschenwürdigen Existenzminimum“ gehört.

Bundessozialgericht hat keine verfassungsrechtlichen Bedenken

Doch das Bundessozialgericht kassierte sogleich das Urteil (Az: (AZ: B 14 AS 31/17 R). Die Jobcenter dürfen nach Ansicht der Richter die gewährten Darlehen für eine Mietkaution/Genossenschaftsanteile durch monatliche Aufrechnung in Höhe von 10 % des Regelsatzes „zurückholen“. „Nach Wortlaut, Systematik, Entstehungsgeschichte und Regelungszweck umfasst die Aufrechnungsvorschrift des § 42a Abs. 2 SGB II alle nach dem SGB II zu gewährenden Darlehen, soweit keine Ausnahme angeordnet ist“, so das BSG. Das Bundessozialgericht sieht auch keine „durchgreifenden“ verfassungsrechtlichen Bedenken. Allerdings sei eine Unterdeckung existenznotwendiger Bedarfe zu vermeiden. Dies insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Mietkaution nicht in die Bemessung des Regelbedarfs eingeflossen ist und die Tilgung häufig längere Zeit dauert.

In Einzelfällen könnten aber laut der Bundessozialrichter auch abweichende Regelungen greifen.

  • Abweichung der Soll-Regelung in § 22 Abs. 6 Satz 3 SGB II, Kautionen und Genossenschaftsanteile als Zuschuss erbringen Das bedeutet, die Betroffenen müssen noch andere Darlehen tilgen und würden dann im erheblichen Maße in Not geraten, da nicht mehr die eigene Existenz gesichert werden könne
  • Aufrechnungsbegrenzung auf drei Jahre in entsprechender Anwendung von § 43 Abs. 4 SGB II. Der Gesetzgeber sagt, bis spätestens 3 Jahre. Hier könnte ein deutlich kürzerer Zeitraum beantragt werden.
  • Erlass oder Teilerlass des Darlehens nach § 44 SGB II. Ist die Belastung erheblich, kann das Jobcenter die Schulden durch das Darlehen erlassen. Bei Überbrückungsdarlehen in der Grundsicherung im Alter und Erwerbsminderung nach dem 4. Kap. des SGB XII wird zunächst das Darlehen mit 5 % (!) = 20,80 €/mtl. des Regelbedarfes getilgt. Die Aufrechnung wird auf  ½ des Eckregelsatzes begrenzt = 208 € (§ 37a Abs. 2 S. 1 SGB XII). Danach gibt es keine Darlehensforderung mehr gegen den oder die SGB XII- Leistungsbezieher*in. Praktisch bedeutet das eine Tilgungsdauerbegrenzung  auf 10 Monate. Geleitet von der Erkenntnis: mehr kann gegen aufstockende Rentner*innen wegen der so geringen Regelbedarfe nicht geltend gemacht werden. Diese gleiche Erkenntnis könnte im SGB II angewendet werden, da hier ja mit 10 % zu tilgen ist, Begrenzung der Tilgung auf max. 5 Monate und danach Erlass des Darlehens.

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