Glaubenswechsel zum Christentum kann Abschiebeschutz begründen

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EGMR: Schweiz hatte mögliche Verfolgung in Afghanistan nicht geprüft

Konvertieren muslimische Asylbewerber nach ihrer Flucht vom Islam zum Christentum, dürfen Behörden eine damit einhergehende mögliche religiöse Verfolgung in dem Heimatland nicht außer Acht lassen.

Nicht nur mögliche Verfolgung prüfen

Behörden und Gericht müssen nicht nur eine mögliche Verfolgung wegen des Glaubenswechsels und eine drohende Todesstrafe prüfen, sondern auch die Voraussetzungen, wie im Falle einer Abschiebung der Glaube in dem Herkunftsland gelebt werden kann, urteilte am Dienstag, 5. November 2019, der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg im Fall eines Afghanistan-Flüchtlings in der Schweiz (Az.: 32218/17).

Der Mann war im März 2014 in die Schweiz eingereist und beantragte Asyl. In der Schweiz konvertierte er vom islamischen hin zum christlichen Glauben. Die Schweizer Behörden lehnten seinen Asylantrag wegen fehlender Gründe ab.

Auch das Schweizer Bundesverwaltungsgericht hielt eine Abschiebung nach Afghanistan für zumutbar. Der Glaubenswechsel stelle zudem keinen ausreichenden Asylgrund dar.

Zwar gebe es keine Hinweise, dass der Mann seine Konvertierung zum Christentum nur vorgetäuscht habe. In Afghanistan könne er seinem Glauben aber im Verborgenen nachgehen. Dann drohe ihm auch keine Verfolgung. Außerdem bestehe eine inländische Fluchtalternative. Statt in seiner Heimatregion, der Ghazni-Provinz im Osten des Landes, könne er ja in Kabul bei Verwandten leben. Diese wüssten auch nichts von dem Glaubenswechsel.

Unmenschliche und erniedrigende Behandlung droht

Der EGMR urteilte, dass dem Beschwerdeführer wegen seiner Konvertierung zum Christentum in Afghanistan eine Verfolgung aus religiösen Gründen und eine unmenschliche und erniedrigende Behandlung drohe. So gebe es in dem Land zahlreiche Gruppierungen, die zum Christentum konvertierte Menschen gefährdeten. Auch eine staatliche Verfolgung oder sogar die Todesstrafe seien möglich.

Die mögliche Verfolgung aus religiösen Gründen habe die Schweiz aber gar nicht genau geprüft, obwohl sie den Glaubenswechsel als nicht vorgetäuscht angesehen hatte, so die Straßburger Richter. Den Einwand des Bundesverwaltungsgerichts, dass der Beschwerdeführer seinen neuen Glauben in Afghanistan im Geheimen leben könne, ließ der EGMR nicht gelten. Ein im Alltag geleugneter Glaube sei mit einem untragbaren psychischen Druck verbunden. Zudem gehöre der Mann der Hazara-Minderheit an, die in Afghanistan diskriminiert werde. Dies habe die Schweiz ebenfalls nicht berücksichtigt.

Bereits am 23. März 2016 hatte der EGMR ähnlich im Fall eines nach Schweden geflohenen Iraners entschieden (Az.: 43611/11; JurAgentur-Meldung vom Urteilstag). Auch im Iran seien vom Islam zum Christentum konvertierte Menschen von Verfolgung oder gar der Todesstrafe bedroht. Dies müsse bei der Asylprüfung berücksichtigt werden.

Vorrausetzung ist ernsthafter christlicher Glaube

Voraussetzung für eine Asylanerkennung sei aber, dass es der Flüchtling tatsächlich ernst mit seinem christlichen Glauben meine. So müsse geprüft werden, wie er in Schweden nach seinem Glauben lebt. Danach müsse untersucht werden, inwieweit ihm im Iran Verfolgung aus religiösen Gründen droht. So seien hier mehrere Unterlagen über seinen christlichen Glauben – unter anderem von seinem Pastor – mit zu berücksichtigen, so damals der EGMR im Fall des Iraners. fle/mwo

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