Wer voll erwerbsgemindert ist, bekommt eine Erwerbsminderungsrente – aber nur, wenn sämtliche versicherungsrechtlichen Voraussetzungen erfüllt sind
In Deutschland sind die Regelungen zur Gewährung einer Erwerbsminderungsrente klar und strikt geregelt. Voll erwerbsgemindert bedeutet, dass Betroffene aufgrund von Krankheit oder Behinderung nicht in der Lage ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich zu arbeiten.
Diese Lebenssituation trifft auf eine Frau aus Bremen zu, der jedoch trotz nachgewiesener Erwerbsminderung die Rente verweigert wurde.
Der Fall, der vor Gericht verhandelt wurde, zeigt die harten gesetzlichen Voraussetzungen, die für den Erhalt der Rente erfüllt sein müssen.
Pflichtbeitragszeiten fehlten
Die Rentenversicherung lehnte den Antrag der Frau ab, weil ihr Versicherungskonto nicht die erforderliche Anzahl von Pflichtbeiträgen aufwies.
Konkret bedeutet das, dass in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung nicht mindestens drei Jahre (36 Monate) an Pflichtbeitragszeiten vorhanden waren.
Die Pflichtbeiträge sind jedoch notwendig, um die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen zu erfüllen, wie es im Sozialgesetzbuch (SGB VI) festgelegt ist.
Die Wartezeit vor 1984 war nicht erfüllt
Eine Ausnahme von der erforderlichen Mindestzahl an Pflichtbeiträgen besteht, wenn die Erwerbsminderung durch einen Arbeitsunfall verursacht wurde oder innerhalb von sechs Jahren nach einer Ausbildung eintritt.
Zudem können Zeiten vor dem 1. Januar 1984 berücksichtigt werden, wenn die allgemeine Wartezeit von fünf Jahren erfüllt und seitdem ununterbrochen Beiträge gezahlt wurden.
Die Klägerin, die 1964 geboren wurde, konnte jedoch keine dieser Voraussetzungen nachweisen. Sie hatte die Wartezeit vor 1984 nicht erfüllt und somit auch diese Ausnahme nicht genutzt.
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Betroffene beschritt den Rechtsweg
Nachdem ihr Widerspruch abgelehnt wurde, klagte die Frau vor dem Sozialgericht Bremen. Sie argumentierte, dass ihre freiwilligen Beiträge von Mai 2014 bis Mai 2019 berücksichtigt werden sollten, um eine Lücke im Versicherungsverlauf zu schließen. Diese Argumentation fand jedoch keine Anerkennung vor Gericht.
§ 43 SGB VI regelt die Voraussetzungen für die Erwerbsminderungsrente
Das Sozialgericht Bremen wies die Klage ab und verwies auf § 43 SGB VI, der die Voraussetzungen für eine Erwerbsminderungsrente regelt. Diese beinhalten:
- Teilweise oder volle Erwerbsminderung,
- Drei Jahre Pflichtbeiträge in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung,
- Erfüllung der allgemeinen Wartezeit vor Eintritt der Erwerbsminderung.
Die Klägerin konnte diese Voraussetzungen nicht erfüllen, insbesondere fehlten die erforderlichen Pflichtbeiträge in den letzten fünf Jahren.
Die Klägerin war voll erwerbsgemindert
Unstreitig war die Klägerin aufgrund von Krankheit oder Behinderung voll erwerbsgemindert. Dies bestätigten ärztliche Gutachten und Befunde.
Dennoch konnte die Klägerin in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung keine drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung nachweisen.
Das Gesetz lässt eine Verlängerung des Fünfjahreszeitraums zu
Eine Verlängerung des Fünfjahreszeitraums ist nach § 43 Abs. 4 SGB VI möglich, wenn bestimmte Anrechnungszeiten vorliegen, wie zum Beispiel Zeiten des Bezugs von Krankengeld oder Arbeitslosengeld,
Zeiten einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit, Zeiten der Kindererziehung oder schulischer Ausbildung.
Die Verlängerung greift jedoch nur, wenn in den letzten sechs Monaten vor Beginn dieser Zeiten mindestens ein Pflichtbeitrag geleistet wurde.
Für die Klägerin verlängert sich der Zeitraum nicht
Im Fall der Klägerin lagen weder Pflichtbeitragszeiten noch eine der anderen im Gesetz aufgeführten Zeiten vor, die zu einer Verlängerung des Fünfjahreszeitraums geführt hätten.
Seit Januar 2005 hatte die Klägerin lediglich freiwillige Beiträge gezahlt, die jedoch nicht zur Erfüllung der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die Erwerbsminderungsrente zählen.
Die Rechtslage und die Konsequenzen
Das Sozialgericht Bremen bestätigte, dass freiwillige Beiträge nicht zur Erfüllung der Pflichtbeitragszeiten herangezogen werden können.
Auch der Ausnahmetatbestand des § 43 Abs. 5 SGB VI, der eine Pflichtbeitragszeit von drei Jahren bei Erwerbsminderung durch Arbeitsunfall oder Berufskrankheit entfallen lässt, war nicht gegeben. Somit hatte die Rentenversicherung zu Recht den Antrag auf Gewährung einer Erwerbsminderungsrente abgelehnt. (Az. S 14 R 36/20)
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Carolin-Jana Klose ist seit 2023 Autorin bei Gegen-Hartz.de. Carolin hat Pädagogik und Sportmedizin studiert und ist hauptberuflich in der Gesundheitsprävention und im Reha-Sport für Menschen mit Schwerbehinderungen tätig. Ihre Expertise liegt im Sozialrecht und Gesundheitsprävention. Sie ist aktiv in der Erwerbslosenberatung und Behindertenberatung.