Bußgeld und Geldstrafe: Müssen Bürgergeld-Beziehende immer die volle Höhe zahlen?

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Bürgergeld-Beziehende leben oft am Existenzminimum. Dürfen sie trotzdem mit Bußgeldern bestraft werden? Und wie werden diese berechnet?

Wenn Bürgergeldempfänger eine Straftat oder Ordnungswidrigkeit begehen, besteht das Problem darin, dass sie sich in einer finanziellen Notlage befinden.

Die vom Jobcenter gewährten Leistungen, insbesondere der Regelsatz, sind so bemessen, dass sie gerade ausreichen, um über die Runden zu kommen. Dennoch kann bei nicht als schwerwiegend eingestuften Vergehen, wie z.B. Diebstahl, eine Geldbuße verhängt werden. Grundsätzlich können Leistungsempfänger nicht von der Verhängung einer Geldstrafe ausgenommen werden. Es bestehen jedoch Möglichkeiten der Ermäßigung, Stundung oder Ratenzahlung.

Verhängung einer Geldstrafe trotz Bezug von Bürgergeld

Die finanzielle Situation hat unterschiedliche Auswirkungen auf die Verhängung einer Geldstrafe oder Geldbuße. Die Höhe einer Geldstrafe richtet sich sowohl nach der Anzahl der Tagessätze als auch nach der Höhe des jeweiligen Tagessatzes. Die Anzahl der Tagessätze richtet sich nach dem Strafrahmen, also nach der Schwere der Straftat. Das Einkommen des Verurteilten spielt keine Rolle.

Anders verhält es sich mit der Höhe des Tagessatzes. Diese richtet sich grundsätzlich nach dem Nettoeinkommen des Täters gemäß § 40 Abs. 2 StGB. Dies bedeutet, dass das Nettoeinkommen durch 30 geteilt wird.

Tagessatz: Minderung bei Bezug von Bürgergeld möglich

Damit soll der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Betroffenen Rechnung getragen werden. Ob dieses Ziel mit dieser Berechnung tatsächlich erreicht wird, ist in der Rechtsprechung umstritten.

Viele Gerichte gewähren Grundsicherungsempfängern daher weitere Abschläge. Dazu gehört insbesondere eine Kürzung des Tagessatzes. Wie diese genau aussieht, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab.

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Dies hat das Oberlandesgericht Hamm in seinem Beschluss (Az. III-3 RVs 4/12) ebenso klargestellt wie das Oberlandesgericht Köln in seinem Beschluss (Az. 214/75). Unter Umständen kann sogar eine Begrenzung des Tagessatzes auf 10 Euro erforderlich sein, wie das Amtsgericht Hann. Münden in seinem Urteil (Az. 4 Cs 43 Js 4382/14) festgestellt hat. In diesem Fall reduzierte das Gericht den Tagessatz von 23 Euro wegen der damit verbundenen unzumutbaren Härte auf 10 Euro.

Demgegenüber vertritt das Oberlandesgericht Braunschweig die Auffassung, dass einem Sozialleistungsempfänger mindestens 70 % des aktuellen Regelbedarfs verbleiben müssen (OLG Braunschweig, Beschluss Az. 1 Ss 18/14). Das Gericht begründet dies damit, dass dieser Betrag zur Deckung der Lebenshaltungskosten unerlässlich sei und keinesfalls unterschritten werden dürfe.

Ratenzahlung oder Stundung bei einer Geldstrafe beantragen

Wer eine verhängte Geldstrafe nicht bezahlen kann, sollte beim zuständigen Gericht Zahlungserleichterungen wie Ratenzahlung oder Stundung beantragen. Voraussetzung ist lediglich, dass die sofortige Zahlung des Gesamtbetrages nach den persönlichen oder wirtschaftlichen Verhältnissen des Betroffenen unzumutbar ist.

Liegen diese Voraussetzungen vor, ist das Gericht in der Regel verpflichtet, die Stundung zu gewähren. Dies ergibt sich aus einer Entscheidung des Oberlandesgerichts Hamm (Az. 1 RVs 48/14).

Gegebenenfalls sollten Zahlungserleichterungen auch im Vollstreckungsverfahren bei der zuständigen Staatsanwaltschaft beantragt werden, da diese in diesem Fall Zahlungserleichterungen gewähren kann. Dies sollte rechtzeitig geschehen, da ansonsten die Beschlagnahme beweglicher Sachen oder sogar die Verhängung einer Ersatzfreiheitsstrafe drohen kann.

Müssen Bürgergeldempfänger eine Geldbuße in voller Höhe zahlen?

Wird gegen einen Bürgergeld Beziehenden wegen einer Ordnungswidrigkeit ein Bußgeld verhängt, zum Beispiel im Straßenverkehr wegen überhöhter Geschwindigkeit, ist die Situation schwieriger. Denn die Höhe des Bußgeldes richtet sich nicht direkt nach dem Einkommen, wie es bei der Bemessung einer Geldstrafe nach Tagessätzen der Fall ist, sondern nach der begangenen Ordnungswidrigkeit.

Zwar sind nach § 17 OWiG bei der Bemessung der Geldbuße auch die wirtschaftlichen Verhältnisse des Täters zu berücksichtigen, dies gilt jedoch in der Regel nicht für “geringfügige” Ordnungswidrigkeiten.

Was genau darunter zu verstehen ist, wird vom Gesetzgeber nicht näher erläutert und bleibt somit der Rechtsprechung überlassen. Darunter fallen z.B. Bußgelder bis ca. 35 Euro.

Bei Geldbußen bis zu 250 Euro kann jedoch nach Auffassung einiger Gerichte eine Berücksichtigung der wirtschaftlichen Verhältnisse in der Regel unterbleiben (so z.B. OLG Oldenburg – 2 Ss (OWi) 278/14; OLG Braunschweig, Beschluss 1 Ss (OWi) 163/15; OLG Hamm, Beschluss Az. III-3 RBs 354/14).

Wichtig ist vor allem, dass die wirtschaftlichen Verhältnisse bei Geldbußen über 250 Euro in der Regel nur dann zu einer Ermäßigung führen können, wenn der Betroffene seine schlechten wirtschaftlichen Verhältnisse darlegt. Dabei sollten auch Bezieher von Bürgergeld oder Sozialhilfe auf Besonderheiten wie bestehende Zahlungsverpflichtungen aus Unterhaltsverpflichtungen oder Schulden hinweisen.

Ratenzahlung oder Stundung beantragen bei einem Bußgeld beantragen

Bürgergeldbezieher sollten auch im Bußgeldverfahren auf jeden Fall Ratenzahlung oder Stundung beantragen, wenn sie die Geldbuße nicht ohne Schwierigkeiten sofort bezahlen können. Diese Möglichkeit ergibt sich aus § 18 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten (OWiG).

Derzeit gibt es eine Initiative von Staatsanwälten und Richtern, die sich dafür einsetzen, dass Bußgelder deutlich reduziert werden, wenn Täter/innen Sozialleistungen beziehen. Dazu mehr hier.

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