Bürgergeld-Umzug: Jobcenter muss auch die neuen Möbel zahlen

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Werden bei einem vom JobCenter veranlassten Umzug Möbel beschädigt, haben Bürgergeld-Bezieher Anspruch auf eine neue Grundausstattung. So entschieden vom Bundessozialgericht (Az.: B 4 AS 77/08 R).

Jobcenter forderte zum Umzug auf

Wenn Möbel allein durch den von den Behörden veranlassten Umzug unbrauchbar würden, sei die Neubeschaffung einer Erstausstattung gleichzustellen.

Allerdings schränkten die Bundessozialrichter ausdrücklich ein: Wenn die Möbel einfach nicht mehr zur neuen Wohnung passten oder ohnehin unbrauchbar geworden wären, sei der Steuerzahler nicht in der Pflicht.

Die Ersatzbeschaffung ist der Erstausstattung einer Wohnung mit Einrichtungsgegenständen dann wertungsmäßig gleich zu setzen, wenn vorhandene Ausstattungsgegenstände allein durch einen vom Grundsicherungsträger veranlassten Umzug in eine angemessene Wohnung unbrauchbar geworden sind.

Hier nun ein Beispiel, wo der Antragsteller nicht beweisen konnte, dass seine Möbel beim Umzug kaputt gegangen waren!

Kosten für die Ersatzbeschaffung eines Kühlschrankgriffs und einer Kommode

Die Beschaffung von Einrichtungsgegenständen als “Wohnungserstausstattung” durch einen Zuschuss des Leistungsträgers ist nur unter engen Voraussetzungen möglich.

Die Klägerin begehrt die Übernahme der Kosten für die Ersatzbeschaffung eines Kühlschrankgriffs und einer Kommode, welche beim Umzug beschädigt wurden. Keine Erstausstattung vom Jobcenter, wenn die Hilfebedürftige nicht beweisen kann, dass die Möbel beim Umzug beschädigt wurden. So entschieden mit Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 14.11.2016 – L 19 AS 1375/15 –

Begründung des Gerichts

Zum einen muss überhaupt ein Bedarf des Leistungsberechtigten im Hinblick auf die begehrten Einrichtungsgegenstände bzw. den begehrten Einrichtungsgegenstand gegeben sein. Dies ist dann der Fall, wenn er nicht mehr über die für eine geordnete Haushaltsführung und ein an den herrschenden Lebensgewohnheiten orientiertes Wohnen angemessenen wohnraumbezogenen Gegenstände im Sinne des Grundsicherungsrechts verfügt (BSG, Urteile vom 20.08.2009 – B 14 AS 45/08 R ).

Zum anderen setzt ein Anspruch auf die zuschussweise Bewilligung von Geldleistungen für die erneute Beschaffung von Einrichtungsgegenständen als “Wohnungserstausstattung” auf der Grundlage von § 24 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 SGB II voraus, dass der konkrete Bedarf durch außergewöhnliche Umstände (vgl. BT-Drucks. 15/1514 S. 60) bzw. ein besonderes Ereignis entstanden ist.

Bedarfe für wohnraumbezogene Gegenstände können Erstausstattungsbedarfe, aber auch Teil der Regelbedarfe sein.

Insofern geht der Gesetzgeber im Sinne einer typisierenden Betrachtung davon aus, dass alle wohnraumbezogenen Bedarfe, die nicht im Zusammenhang mit der spezifischen Situation der Erstausstattung stehen, nicht von diesem Anspruch, sondern bereits vom Regelbedarf “umfasst” werden.

Anmerkung

Ein vernichtendes Urteil, denn wovon soll der Hilfebedürftige das Geld ansparen? Hier noch mal etwas besser erklärt, Zusammenfassung von Detlef Brock:

1. Schäden am Umzugsgut müssen vom Jobcenter nicht übernommen werden. Ein durch den Grundsicherungsträger veranlasster Umzug kann jedenfalls nicht dazu genutzt werden, sich auf Kosten des Grundsicherungsträgers neu einzurichten.

2. Um sich gegen Schäden am Umzugsgut abzusichern, hat ein Leistungsbezieher – wie jeder andere Nicht-Leistungsbezieher auch – entweder eine entsprechende Versicherung abzuschließen oder er muss sich mit etwaigen Schadensersatzansprüchen an den Schadensverursacher halten.

3. Soweit das Bundessozialgericht entschieden hat, dass die Voraussetzungen von § 24 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 SGB II auch dann erfüllt seien, wenn aufgrund eines vom Grundsicherungsträger veranlassten Umzugs Möbel des Hilfebedürftigen unbrauchbar werden und insoweit eine Ersatzbeschaffung erforderlich sei, weil der erstmaligen Ausstattung einer Wohnung wertungsmäßig diejenigen Fälle einer Ersatzbeschaffung gleichzustellen seien, bei denen vorhandene Ausstattungsgegenstände allein durch einen vom Grundsicherungsträger veranlassten Umzug in eine angemessene Wohnung unbrauchbar werden (BSG, Urteil vom 01.07.2009 – B 4 AS 77/08 R), ist diese Entscheidung auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar.

Hinweis

Noch trauriger wird es, wenn man von Sozialhilfe leben muss. So urteilte das Bundessozialgericht 2022 wie folgt: Sozialamt zahlt nur einmal für Waschmaschine, denn Kosten für Ersatzbeschaffung einer Waschmaschine sind aus der Sozialhilfe anzusparen. BSG, Urteil v. 19.05.2022 – B 8 SO 1/21 R –

1. Die Gewährung eines Zuschusses für die Anschaffung von Haushaltsgeräten kommt nur in Betracht, wenn es sich um einen Fall der Erstausstattung, nicht aber – wie hier – um einen Fall der Ersatzbeschaffung handelt.

2. Zu einer erweiternden Auslegung des § 31 Abs 1 Nr 1 SGB XII, wonach die Kosten für die Anschaffung von langlebigen und deshalb besonders teuren Geräten – sogenannte “weiße Ware” – auch dann zu zahlen wären, wenn die Neuanschaffung verschleißbedingt notwendig wird, sieht sich der Senat nicht aus verfassungsrechtlichen Erwägungen gedrängt.

Die obersten Sozialrichter schlossen sich nun den Vorinstanzen an. Die Gewährung eines Zuschusses für die Anschaffung von Haushaltsgeräten sei gesetzlich nur bei einer Erstausstattung vorgesehen, befanden sie.

Bei einer Ersatzbeschaffung seien hingegen aus dem Regelsatz Ansparungen vorzunehmen, ohne dass darin ein Verstoß gegen Verfassungsrecht zu sehen sei. “Eine gegebenenfalls auftretende Bedarfsunterdeckung kann durch die Gewährung eines Darlehens vermieden werden”, schreiben sie in ihrem Sitzungsbericht.

Hieran kann man sehen, dass die Ärmsten aller Armen kaum Möglichkeiten haben, im Leben etwas zu erreichen! Dieses Urteil hatte zu großer Aufregung geführt, doch geändert hat sich bis heute nichts.

Rechtstipp

SG Kiel, Urteil vom 14.03.2023 – S 35 AS 35/22 – Berufung anhängig beim SH LSG, Az. L 6 AS 41/23

Bürgergeld: Mehrbedarf für die Anschaffung einer Waschmaschine

Bezieher von Leistungen nach dem SGB II (Bürgergeld) können gegenüber ihrem Jobcenter einen Anspruch auf Geldleistungen für die Anschaffung einer Waschmaschine haben, wenn ihre bereits vorhandene Waschmaschine kaputt gegangen ist und sich eine Reparatur wirtschaftlich nicht mehr lohnt. Der Anspruch folgt aus § 21 Abs. 6 SGB II.

Lesetipp

Ein Bürgergeld-Bezieher hat vor dem Sozialgericht Kiel den Mehrbedarf für eine Waschmaschine durchgesetzt. Mit dem Regelsatz hätte er 21 Jahre auf das Gerät sparen müssen.