Bürgergeld: Totalsanktionen auf Null trotz Kinder im Haushalt – Urteil

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Das Sozialgericht Augsburg urteilte: Ein Jobcenter kann Bürgergeld verweigern, wenn die dafür nötigen Unterlagen nicht eingereicht werden. Eine Verletzung der Mitwirkungspflicht der Eltern wirkt auch bei den Kindern, da diese selbst nicht mitwirken können.

Eine falsche Ermessensentscheidung der Behörde liegt nicht vor, wenn ausschließlich der Leistungsempfänger mitwirken kann. (Az: S 3 AS 308/23)

Worum ging es?

Die Kläger/innen, eine Frau und deren drei minderjährige Kinder, beziehen seit dem 1. Juli Bürgergeld. Sie fordern Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts, die ihnen wegen mangelnder Mitwirkung versagt wurden.

Erstmals beantragten die Betroffenen am 31.5. Hartz IV-Leistungen vom Jobcenter. Dieses forderte sie zur Mitwirkung auf und zum Einreichen der nötigen Dokumente wie zum Beispiel Mietvertrag, Kontoauszügen und ausgefüllten Vordrucken.

Als Frist zur Abgabe setzte das Jobcenter den 21.6.und wies auf die Rechtsfolgen hin, falls die Nachweise bis dahin nicht eingegangen wären.

Die Unterlagen wurden nicht eingereicht

Die Unterlagen wurden bis zum jetzigen Gerichtsbeschluss nicht eingereicht. Das Jobcenter versagte am 28.6. die Leistungen für alle Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft:

„Sie (…) in Ihrer Eigenschaft als gesetzliche Vertreterin Ihrer Kinder (…) haben keine Gründe mitgeteilt, die im Rahmen der Ermessensentscheidung zu Ihren Gunsten und zu Gunsten Ihrer Kinder berücksichtigt werden konnten.“

„Jobcenter kann die Nachweise nicht selbst erbringen“

Das Jobcenter könne die Antragsvordrucke nicht für die Betroffene vollständig und richtig ausfüllen unterschreiben oder Nachweise erbringen, um über die Einkommens- und Vermögenssituation abschließende Gewissheit zu erlangen.

Es sei auch nicht erkennbar, warum die Betroffene keine Unterlagen eingereicht habe. Eine Nachfrage sei erfolglos geblieben. Das Jobcenter hätte dies als fehlende Mitwirkung nach Ermessen der Behörde beurteilt. Bis die Hilfevoraussetzungen nachgewiesen seien, würde im Ergebnis die Hilfe versagt.

Die Klägerin teilte am am 7.7. mit, dass sie die angeforderten Unterlagen am 22.6. per Post zum Jobcenter geschickt habe. Das Jobcenter erklärte, die Unterlagen seien nicht eingegangen und müssten eingereicht werden.

Unterlagen fehlen weiterhin

Am 30.7. stellten die Kläger/innen einen neuen Antrag auf Bürgergeld. Am 8.12. wies das Jobcenter darauf hin, dass immer noch Unterlagen fehlten. Die Klägerin teilte mit, dass sie die angeforderten Formulare erneut benötige. Das Jobcenter verschickte die Unterlagen ein zweites Mal, diese wurden wiederum nicht vorgelegt.

Mehrfach rechtswidrig?

Am 30.06.erhoben die Betroffenen Klage vor dem Sozialgericht Augsburg mit der Begründung, dass der Versagungsbescheid mehrfach gegen geltendes Recht verstoße. Eine einmalige Aufforderung zur Mitwirkung mit einer Frist von zwei Wochen sei nicht angemessen gewesen.

Zudem hätten nicht alle Betroffenen ihre Mitwirkungspflicht verletzt, und außerdem hätte es keine ausreichende Belehrung über die Möglichkeit der Versagung gegeben, denn diese müsse auf den konkreten Fall bezogen sein.

Es mangele zudem an einer angemessenen Frist, denn es hätte sich um einen Erstantrag mit umfangreichen Dokumenten gehandelt. So sei von Anfang an wahrscheinlich gewesen, dass es in der gesetzten Frist nicht möglich war, die Unterlagen einzureichen.

Klage wird in vollem Umfang abgelehnt

Das Sozialgericht Augsburg lehnte die Klage als unbegründet ab. Weder liege eine Verstoß gegen die Rechtsfolgenbelehrung vor, noch eine zu kurze Frist, noch eine falsche oder unzureichende Benennung der Mitwirkung, und auch keine falsche oder ungenügende Ermessensausübung.

Die Klägerin hätte die nötigen Unterlagen nicht vorgelegt. Es hätte eine verständliche Rechtsfolgebelehrung gegeben. Die gesetzte Frist sei nicht zu kurz bemessen gewesen. Eine Fristverlängerung bei Rückmeldung wäre möglich gewesen, doch die Klägerin hätte sich überhaupt nicht gemeldet und die Unterlagen auch später nicht eingereicht.

Wegen Geschäftsunfähigkeit könne es an minderjährige Kinder keine Aufforderung zur Mitwirkung geben. Eltern würden als gesetzliche Vertreter ihrer Kinder handeln.

Die fehlenden Unterlagen seien relevant für eine Entscheidung gewesen, und ohne sie hätte das Jobcenter überhaupt keine Leistungen vergeben dürfen. Dies hätte das Jobcenter auch deutlich schriftlich erklärt.

Das Sozialgericht Karlsruhe vertritt eine andere Rechtsauffassung

In einem anderen Urteil hatte das Sozialgericht Karlsruhe (AZ: S 12 AS 2046/22) festgestellt, dass Bescheide, die regelmäßig die vollständige Entziehung von Bürgergeld-Leistungen vorsehen, nur in Ausnahmefällen als rechtmäßig betrachtet werden können.

Die Entscheidung des Sozialgerichts Karlsruhe steht jedoch in deutlichem Kontrast zu anderen Sozialgerichten, wie beispielsweise dem LSG Schleswig-Holstein, welches in vergleichbaren Fällen häufig die Rechtmäßigkeit solcher Bescheide bestätigt (so etwa LSG Schleswig-Holstein, AZ: L 6 AS 121/13).