Bürgergeld: Sohn haftet beim Jobcenter für grobe Fahrlässigkeit des Vaters

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Ein Jobcenter forderte von einem Sohn Leistungen zurück, die dieser zu Unrecht erhalten hatte, weil sein Vater falsche Angaben gemacht hatte. Das Bundessozialgericht stimmte dem Jobcenter zu. (B 4 AS 46/20 R)

Es folgte dabei dem Leitsatz: “Wer es duldet, dass ein Dritter für ihn Leistungen nach dem SGB II beantragt, muss sich dessen Verhalten nach den Grundsätzen der Duldungs- oder Anscheinsvollmacht zurechnen lassen.”

Zum Fall

Ein Vater verschwieg, dass sein Sohn eigenes Einkommen in einer Ausbildung erhielt. Der Sohn bekam daraufhin Leistungen der Grundsicherung ausbezahlt.

Der Sohn war seinerzeit 20 Jahre alt und lebte gemeinsam mit seinen Eltern in der Region Hannover. Die Mutter bezog Sozialhilfe, der Vater beantragte wiederholt Hartz IV für sich und seinen Sohn.

Die Sache kam ans Tageslicht, weil der Sohn seine Gehaltsabrechnungen dem Jobcenter vorlegte. Daraufhin forderte die Behörde vom Sohn die bezogenen Leistungen zurück, obwohl der Vater im Antrag das Einkommen des Sohnes nicht erwähnt hatte – nicht der Sohn.

Den Sohn hörte das Jobcenter nicht an und forderte ihn auf, 2233,58 Euro zu erstatten.Der Sohn legte Widerspruch ein, und im Widerspruchsverfahren senkte die Behörde die geforderte Summe auf 1.894 Euro.

Grobe Fahrlässigkeit

Der Sohn klagte vor dem Sozialgericht Hannover. Dieses erkärte die Forderung des Jobcenters für rechtmäßig. Der Vater hätte durch das Nichterwähnen des Einkommens des Sohnes grob fahrlässig gehandelt, und dies sei dem Sohn zuzurechnen, denn dieser habe davon gewusst und es geduldet.

Erfolglose Berufung

Auch die Berufung vor dem Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen war für den Sohn erfolglos. Dieses folgte der Begründung des Sozialgerichts Hannover.

“Das Verhalten des Vaters des Klägers bei Antragstellung sei dem Kläger zuzurechnen, da sein Vater für die Bedarfsgemeinschaft tätig geworden sei und damit auch den Kläger – zumindest im Rahmen einer sog Duldungsvollmacht – vertreten habe.”

Die grob fahrlässigen Angaben des Vaters seien dem Sohn zuzuschreiben, und das Geld müsste zurückgezahlt werden.

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Die Revision scheitert

Zwar kam es zu einem Revisionsverfahren vor dem Bundessozialgericht, doch diese dritte und letzte Instanz bestätigte nur die vorgehenden juristischen Entscheidungen.

Fehlende Angaben geduldet

Die Leistungsbewilligung, so das Gericht, hätte auf grob fahrlässigen Angaben des Vaters basiert. Die Rücknahme der Leistunsgbewilligung sei rechtmäßig, da der Sohn die falschen Nicht-Angaben duldete. Diese seien ihm insofern zuzurechnen.

Grobe Verletzung der Mitwirkungspflicht

Einkommen nicht anzugeben sei eine grobe Verletzung der Mitwirkungspflicht. Der Sohn hätte zugelassen, dass sein Vater ihn vertrat, und damit hätte er auch die Handlungen des Vaters zu verantworten.

Wörtlich heißt es: “Wer es duldet, dass ein anderer für ihn wie ein Vertreter auftritt, muss sich nach den Grundsätzen der Duldungs- oder Anscheinsvollmacht dessen Verhalten zurechnen lassen, selbst wenn er keinen Bevollmächtigungswillen gehabt hätte.”

Die rechtswidrigen Leistungen müssen zurückgezahlt werden.

Was folgt aus dem Urteil?

Dieses Urteil kann ein Leitfaden für künftige Verfahren in einer ähnlichen Situation sein.

Das Bundessozialgericht bezog sich erstens auf die Verantwortung des Sohns, da dieser seinen Vater als Vertreter akzeptierte und deshalb mithaftete. Zweitens betonte das Gericht die Verantwortung des Sohns, weil dieser von den fehlenden Angaben des Vaters wusste.

Wie ist hingegen die rechtliche Situation, wenn zwar ein Vertreter grob fahrlässig handelt, aber der Leistungsbezieher nichts davon weiß? Das bleibt auch nach diesem Urteil unklar.