Bürgergeld: Jobcenter verursachte Jobverlust und forderte 6000 Euro Hartz IV-Leistungen zurück

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Der Vorwurf, Bürgergeldbezieher hätten ihre Hilfebedürftigkeit “selbst herbeigeführt”, wird von Jobcentern immer wieder erhoben. Das Jobcenter will dann Leistungsrückforderungen wegen “sozialwidrigen Verhaltens” geltend machen. In diesem Fall hat die Behörde sogar dafür gesorgt, dass die Arbeitsstelle nicht angetreten werden konnte.

Jobcenter warf Sozialwidriges Verhalten vor

Solche Fälle landen häufig vor Gericht, weil die Behörde nicht nur Leistungen zum Lebensunterhalt, sondern auch Sozialversicherungsbeiträge zurückfordert.

In diesem Fall hat das Jobcenter maßgeblich dazu beigetragen, dass eine neue Arbeitsstelle nicht angetreten werden konnte. Dennoch warf das Jobcenter sozialwidriges Verhalten vor und verlangte 6000 Euro Hartz-IV-Leistungen zurück.

Mit dem Fall hatte sich das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen (LSG, Az.: L 11 AS 336/21) zu befassen. Das Gericht entschied, dass kein “sozialwidriges Verhalten” eines Leistungsbeziehers vorliege, wenn das Jobcenter Leistungsempfänger “sich selbst überlasse” und nicht die “erforderliche Hilfe” leiste.

Im konkreten Fall hatte der Kläger bis 2003 als Buchhalter gearbeitet. Dann wurde er arbeitslos und musste nach dem Arbeitslosengeld 1 Hartz-IV-Leistungen beantragen. Zwischenzeitlich arbeitete der Kläger immer wieder im Lager, in der Gebäudereinigung und in einem Supermarkt. Doch auf die Jobs folgte immer wieder die Arbeitslosigkeit.

Viele Jahre erfolglos beworben

Über viele Jahre bewarb sich der Betroffene erfolglos auf Stellenangebote im Bereich Buchhaltung. Da die Bewerbungen erfolglos blieben, übernahm das Jobcenter die Fahrtkosten zu Vorstellungsgesprächen nicht mehr.

Nach Ansicht der Behörde müsse ein Strategiewechsel erfolgen, zumal der Bewerber insbesondere wegen seiner Gleichstellung als Schwerbehinderter zu Vorstellungsgesprächen eingeladen werde und Bewerbungen als Buchhalter nach so langer Zeit nicht mehr erfolgversprechend seien.

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Jobcenter verweigerte Hilfe, um Arbeitsplatz antreten zu können

Im Jahre 2019 gelang es dem Mann einen Arbeitsvertrag als Buchhalter bei einer Behörde zu unterzeichnen. Die Arbeitsstelle war jedoch in einer anderen Stadt, zu der er umziehen müsse.

Zu der Aufnahme der Arbeitsstelle kam es allerdings nicht, weil das Jobcenter sich weigerte, die Mietkaution für die neue Wohnung einzuspringen. Der Kläger selbst konnte die Mietkaution selbst nicht aufbringen. Ein Umzug nach Düsseldorf war somit nicht mehr möglich.

Im Jahr 2020 forderte das Jobcenter den Betroffenen überraschend auf, rund 6.000 Euro Hartz-IV-Leistungen zurückzuzahlen. Es bestehe ein Erstattungsanspruch wegen sozialwidrigen Verhaltens, so die Behörde. Er habe das Zustandekommen eines Arbeitsverhältnisses verhindert.

Klage gegen Erstattungsbescheid eingelegt

Gegen den Erstattungsbescheid legte der Betroffene zunächst Widerspruch ein. Als dieser zurückgewiesen wurde, erhob er Klage. Er habe die Arbeitsstelle nicht antreten können. Das habe nicht an ihm gelegen.

Das Jobcenter habe ihn nicht unterstützt, deshalb habe er den Mietvertrag nicht unterschrieben. Er habe kein Geld zur Verfügung gehabt, um die Kaution zahlen zu können. Aus seinem alten Mietvertrag sei er zu diesem Zeitpunkt noch nicht entlassen gewesen. Deshalb habe er die Kaution für die neue Wohnung nicht zahlen können.

Landessozialgericht: Fehlender Arbeitsantritt lag an unterlassener Hilfe des Jobcenters

Das Landessozialgericht folgte der Argumentation des Klägers.

“Der Nichtantritt einer außerhalb des Tagespendelbereichs liegenden Arbeitsstelle stellt kein sozialwidriges Verhalten im Sinne eines objektiven Unwerturteils dar, wenn der Arbeitsuchende eine Wohnung am künftigen Beschäftigungsort nicht anmieten konnte, weil er selbst nicht über die Mittel für eine Mietkaution verfügte und das Jobcenter die Übernahme der Mietkaution abgelehnt hatte”, so das Landessozialgericht.

Bei sozialwidrigem Verhalten werfen die Jobcenter den Betroffenen vor, ihre Hilfebedürftigkeit “selbst herbeigeführt” zu haben. In solchen Fällen fordern die Behörden die gezahlten Leistungen im Rahmen eines Erstattungsverfahrens zurück.

Wann werfen Jobcenter sozialwidriges Verhalten vor?

Die Jobcenter werfen “sozialwidriges Verhalten” vor, wenn folgende Umstände vermutet werden:

  • Der Arbeitsplatz wurde ohne wichtigen Grund gekündigt, um Hilfebedürftigkeit herbeizuführen.
  • Wohneigentum wurde deutlich unter Wert verkauft, um kein oder nur wenig anrechenbares Vermögen zu schaffen
  • Die Miete wurde vorsätzlich nicht gezahlt und die Wohnung muss geräumt werden. Das Jobcenter fordert die Umzugskosten zurück
  • Die Ausbildung wurde selbst gekündigt, ohne sich rechtzeitig um eine Anschlussbeschäftigung oder eine andere Ausbildungsstätte zu bemühen.
  • Bei einer selbstständigen Tätigkeit musste Insolvenz angemeldet werden, weil Betrug begangen wurde
  • Vorhandenes Vermögen wurde verschwendet, um Hilfebedürftigkeit herbeizuführen

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