Mitarbeiter der Jobcenter befinden sich Leistungsberechtigten gegenüber in einer Machtposition. Aus Ermessen der Behörde wird dann sehr schnell Willkür, wie dieser aktuelle Fall zeigt.
Jobcenter verstoßen gegen geltendes Recht
Immer wieder verstoßen Angestellte der Behörde dabei gegen geltendes Recht und nutzen dabei Notlagen der Leistungsberechtigten aus. So verlangte das Hanse-Jobcenter Rostock von einem Leistungsberechtigten ungeschwärzte Kontoauszüge. Dabei verstößt dies glasklar gegen den Datenschutz.
Es ging um die Mietkaution
Ein Bürgergeld-Bezieher brauchte die Unterstützung des Jobcenters, um ein Darlehen für eine Mietkaution zu erhalten. Gewährt die Behörde ein solches Darlehen, dann muss der Leistungsberechtigte bestimmte Nachweise bringen, wofür es verwendet wird.
Soweit ist das alles in Ordnung und entspricht den gesetzlichen Vorgaben.
Vollständige Kontoauszüge
In diesem Fall ging das Hanse-Jobcenter aber weit über das hinaus, was es als Nachweise für ein Darlehen für eine Mietkaution anfordern darf. In der Regel wird, rechtlich einwandfrei, verlangt, einen Vorvertrag mit dem Vermieter vorzulegen, sowie dessen Bankverbindung, und außerdem die Anlage VM zu den Vermögensverhältnissen auszufüllen.
Das Hanse-Jobcenter Rostock forderte jedoch außerdem, “Kontoauszüge der letzten 3 Monate lückenlos und ungeschwärzt.”
Klarer Rechtsbruch
Hier beging die Behörde einen lupenreinen Rechtsbruch, so als ob die Regelungen zum Datenschutz bei Bürgergeld-Beziehern keine Gültigkeit hätten.
Leistungsberechtigte dürfen nämlich Kontoauszüge teilweise schwärzen, genauer gesagt, dürfen sie genau die Stellen der Ausgabenseite unkenntlich machen, die für das Anliegen beim Jobcenter (beziehungsweise des Jobcenters) ohne Bedeutung sind.
Einnahmen, und damit die Einträge beim Guthaben, dürfen tatsächlich nicht geschwärzt werden. In diesem Fall zum Beispiel hätte das Jobcenter das Recht, diese einzusehen, um zu entscheiden, ob ein Darlehen notwendig ist, oder ob der Betroffene ausreichende eigene Mittel hat, um die Kaution zu zahlen.
Anders sieht es bei den Ausgaben aus. Hier geht es das Jobcenter schlicht nichts an, wofür der Betroffene Geld ausgegeben hat, insbesondere, wenn es sich um sensible Daten handelt.
Zum Beispiel dürfen Höhe und Adressat von Spenden und Mitgliedsbeiträgen unkenntlich gemacht werden. Erkennbar sein muss, dass es sich um solche handelt, nicht aber, für wen diese konkret sind.
Das Bundessozialgericht hat die Rechtslage diesbezüglich geklärt. ((Aktenzeichen B 14 AS 45/07 R)
Willkür und Erpressbarkeit
Jobcenter sind in einer für sie bequemen Situation, um derartige Rechtsbrüche zu begehen. Für Bedürftige, die eine Wohnung gefunden haben, geht es um Zeit. Kaum ein Vermieter wird lange warten, wenn sich die Zusage zum Mietverhältnis (und das Überweisen der Mietkaution) verzögert.
Deshalb ist das Risiko hoch, dass Leistungsberechtigte bei Übergriffen wie Rechtsbrüchen der Jobcenter mitspielen, um nicht die gefundene Wohnung zu verlieren.
Das Jobcenter kann die Situation nutzen, um die Betroffenen zu erpressen. Denn Darlehen sind keine Leistung, die Jobcenter erbringen müssen, sondern die Behörde hat hier einen Ermessensspielraum. Sie kann das Darlehen also gewähren, kann es aber auch verweigern.
In der Praxis bedeutet das: Wer gehorcht und alles tut, was das Jobcenter verlangt, der hat eine Chance auf das Darlehen. Wer kritische Fragen stellt, auf den Datenschutz und geltendes Recht verweist, hat hingegen schlechte Karten,
Dr. Utz Anhalt ist Buchautor, Publizist und Historiker. 2000 schloss er ein Magister Artium (M.A.) in Geschichte und Politik an der Universität Hannover ab. Seine Schwerpunkte liegen im Sozialrecht, Sozialpolitik und Naturwissenschaften. Er war wissenschaftlicher Mitarbeiter bei Dokumentationen für ZDF , History Channel, Pro7, NTV, MTV, Sat1.