Kommen Bürgergeld-Bezieher nicht zu einem Termin beim Jobcenter, dann kann das Kürzungen der Leistungen zur Folge haben – begründet mit einer Verletzung der Mitwirkungspflicht.
Das Landessozialgericht Sachsen fällte eine wichtige Entscheidung für Leistungsberechtigte: Das Jobcenter muss beweisen, dass die Betroffenen die Einladung erhalten haben – ansonsten liegt keine Verletzung der Mitwirkung vor. (Az. L 3 AS 64/18)
Inhaltsverzeichnis
Zum Tatbestand
Das Jobcenter Leipzig behauptete, einem Leistungsbezieher am 07. April 2014 einen Brief geschickt zu haben mit dem Meldetermin zum 15.04.2014. Der Mann kam jedoch nicht.
Das Jobcenter kürzte ihm daraufhin den Regelsatz um zehn Prozent, und das für drei Monate. Das war seinerzeit bei Hartz IV möglich, beim Bürgergeld würde beim ersten Nichterscheinen zu einem Termin die zehnprozentige Kürzung für einen Monat gelten.
Widerspruch abgelehnt
Der Betroffene ließ sich das nicht gefallen. Er legte Widerspruch ein und stellte einen Überprüfungsantrag gegen die Sanktion.
Er begründete dies damit, dass er sich nicht erinnern könne, eine entsprechende Einladung erhalten zu haben, und außerdem enthalte der Sanktionsbescheid keine Rechtsfolgenbelehrung. Das Jobcenter wies den Widerspruch zurück.
Das Sozialgericht stimmt dem Jobcenter zu
Der Betroffene ging den nächsten Schritt und legte Klage beim Sozialgericht Leipzig ein. Diese blieb erfolglos, denn das Gericht vertrat den Standpunkt, die Sanktion sei zu Recht erfolgt.
Der Leistungsbezieher ging am 22. Januar 2018 in Berufung vor dem Landesgericht Sachsen. In der zweiten Instanz führte sein Anliegen zum Erfolg.
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Beweislast liegt beim Jobcenter
Das Landessozialgericht Sachsen entschied, das Sozialgericht Leipzig habe die Klage zu Unrecht abgewiesen. Es verwies auf den Paragrafen 37 Abs 2 im Sozialgesetzbuch X.
Laut diesem müsse eine Behörde (das Jobcenter) den Zugang eines Schreibens beweisen, wenn derjenige, an den es gerichtet war, abstreitet, es erhalten zu haben.
Dies gelte, so führte das Landessozialgericht aus, auch, wenn der Betroffene in der Vergangenheit nicht ausnahmslos die Wahrheit gesagt hätte.
Was bedeutet das für Bürgergeld-Bezieher?
Bürgergeld-Bezieher können so auf eine juristische Grundlage verweisen, die ihre Rechte stützt.
Das Jobcenter ist in der Beweispflicht, den Nachweis zu erbringen, dass eine Mitteilung der Behörde den Empfänger erreicht hat, wenn der Leistungsberechtigte dies bestreitet.
Wie wird der Zugang bewiesen?
Eine persönliche Übergabe mit Quittierung durch einen Boten gilt ebenso als Nachweis wie die Übersendung per Einschreiben mit Benachrichtigungskarte.
Ein Einwurfeinschreiben gilt zwar, laut Bundesgerichtshof, ebenfalls als beweissicherer Zugang und gilt einen Tag nach Einwurf als zugegangen. (BGH, Urteil vom 25.01.2012, Aktenzeichen: VIII ZR 95/11).
In konkreten Fällen, und zwar gerade im Arbeits- und Sozialrecht, entschieden jedoch Gerichte, dass ein Einwurfeinschreiben keinen Zugang nachweist.
Einfache Postzustellung ist kein Beweis
Ein mit einfachem Brief übersandtes Schreiben des Jobcenters gilt nicht als Nachweis des Zugangs. Wenn das Jobcenter Euch wegen eines “versäumten Termins” sanktionieren will, und die Einladung mit einfachem Brief geschickt hat – dann seid Ihr auf der sicheren Seite.
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Dr. Utz Anhalt ist Buchautor, Publizist, Sozialrechtsexperte und Historiker. 2000 schloss er ein Magister Artium (M.A.) in Geschichte und Politik an der Universität Hannover ab. Seine Schwerpunkte liegen im Sozialrecht und Sozialpolitik. Er war wissenschaftlicher Mitarbeiter bei Dokumentationen für ZDF , History Channel, Pro7, NTV, MTV, Sat1.