Jobcenter müssen wohnungslosen Bürgergeldbeziehern notfalls vorübergehend die Unterbringung in einem Hostel bezahlen.
Können die Betroffenen wegen einer Suchterkrankung nicht in einer Notunterkunft für Wohnsitzlose unterkommen und ist die Wohnungssuche trotz Hilfe durch Sozialarbeiter erfolglos geblieben, können die Hostelkosten von 70 Euro pro Tag für ein Doppelzimmer als angemessen angesehen werden, entschied das Sozialgericht Leipzig in einem kürzlich veröffentlichten Beschluss vom 7. März 2024 (Az.: S 9 AS 1774/23 ER).
Paar findet trotz Hilfe keine Wohnung
Konkret ging es um ein wohnungsloses Paar aus Leipzig, das auf Bürgergeld angewiesen war. Anfang November 2023 beantragten die Bürgergeldbezieher die Übernahme der Unterbringungskosten in einem Doppelzimmer in einem Hostel in Höhe von 70 Euro pro Tag.
Sie führten an, dass der Winter nahe und ihnen das Übernachten auf der Straße nicht mehr zuzumuten sei. Trotz der Hilfe von Sozialarbeiterinnen hätten sie keine Wohnung finden können.
Ein Grund dafür sei auch ihre Suchterkrankung. Eine Unterbringung in einer Notunterkunft sei nicht möglich, da diese keine Paare aufnehme und der Therapieerfolg durch das dort vorhandene Drogenangebot gefährdet sei.
Jobcenter lehnte Antrag ab
Das Jobcenter lehnte die Kostenübernahme ab. So würden für November 2023 in dem Hostel 2.095 Euro an Bruttokaltmiete anfallen. Dies sei keine angemessene Unterkunft. Die Stadt Leipzig habe die abstrakt angemessene Miete für zwei Personen auf 450 Euro monatlich bestimmt. Die Hostelkosten lägen aber weit darüber.
Lesen Sie auch:
– Bürgergeld: Fehlerhafte Rechtsmittelbelehrung verlängert Widerspruchsfrist
Von Ende Dezember 2023 bis zum 7. März 2024 konnte das Paar die Unterbringung in dem Hostel durch Spenden eines gemeinnützigen Vereins finanzieren. Beim Sozialgericht beantragten sie eine einstweilige Anordnung, wonach das Jobcenter für den Rest des Monats März 2024 1.680 Euro, für April 2024 insgesamt 2.100 Euro und für Mai 2024 weitere 2.170 Euro an Hostelkosten übernimmt.
Sozialgericht Leipzig verweist auf drohende Obdachlosigkeit
Das Sozialgericht gab dem Antrag statt und verpflichtete das Jobcenter zur Zahlung. Die Bürgergeldbezieher hätten glaubhaft gemacht, dass sie „keine andere Möglichkeit hatten, je für sich eine Wohnung an einem für sie zumutbaren Wohnort anzumieten“.
Zwar würden die Hostelkosten die von der Stadt Leipzig festgelegte abstrakt angemessene Miete von 450 Euro monatlich bei weitem überschreiten. Es müsse aber auch die konkrete Angemessenheit berücksichtigt werden.
„Konkret angemessen ist die Miete für den günstigsten Wohnraum, der für den wohnungssuchenden Leistungsberechtigten tatsächlich zugänglich ist, sofern er sich in ausreichendem und zumutbaren Umfang um Wohnraum bemüht hat“, so das Sozialgericht. Hier hätten sich die Antragsteller mit Hilfe von Sozialarbeiterinnen erfolglos um eine Wohnung bemüht.
Zur Vermeidung einer Wohnungslosigkeit
Das Gesetz sehe zudem vor, dass auch erhöhte Aufwendungen zur Vermeidung von Wohnungslosigkeit vom Jobcenter übernommen werden können. Die Antragsteller dürften auch nicht auf eine Gemeinschaftsunterkunft verwiesen werden, weil dort wegen des bestehenden Drogenangebots ihre Suchttherapie gefährdet sei. Ein Umzug an einen anderen Ort scheide aus, da sie sich täglich in der behandelnden Klinik vorstellen müssten.
Das Jobcenter habe die Antragsteller auch nicht bei der Wohnungssuche unterstützt. Dazu sei die Behörde zwar im Normalfall nicht verpflichtet, hier liege aber kein Normalfall vor, so das Gericht. fle
- Über den Autor
- Letzte Beiträge des Autors