Bürgergeldempfänger haben Anspruch auf die tatsächlichen angefallenen Heizkosten vom Jobcenter, sofern diese in angemessener Höhe sind, denn zu den Aufwendungen für Heizung gehören auch diejenigen Forderungen, die ein Energieversorgungsunternehmen im Rahmen einer Jahresabrechnung für Wärme erhebt.
Kommt es nach Abrechnung der tatsächlich verbrauchten Wärme zu Nachzahlungsverlangen, gehören solche einmalig geschuldeten Zahlungen zum aktuellen Bedarf im Fälligkeitsmonat ( ständige BSG Rechtsprechung )
Ein sich aus der Jahresgesamtabrechnung des Haushaltsenergieversorgers ergebender Abrechnungsbetrag für Heizkosten ist auch dann in voller Höhe als Heizkostenbedarf vom Jobcenter zu berücksichtigen, wenn er vom Energieversorger intern mit einem zugleich abgerechneten Guthaben für Stromlieferungen verrechnet wurde (Orientierungssatz Detlef Brock). So aktuell entschieden vom BSG, Urt. v. 10.04.2024 – B 7 AS 21/22 R – mit Veröffentlichung des Volltextes von heute.
Begründung:
Tatsächliche Heizkosten – Heizkostennachforderung
1. Beziehen Leistungsempfänger nach dem SGB II Strom und Gas vom selben Anbieter und rechnet dieser in der Jahresabrechnung ein vorhandenes Stromguthaben gegen eine Heizkostennachforderung auf, muss der SGB II-Leistungsträger die gesamte Heizkostennachforderung übernehmen und nicht nur den um das Stromguthaben geminderten Betrag.
Interne Verrechnung mit einem Stromkostenguthaben durch den Energieversorger
2. Beziehen Leistungsberechtigte Lieferungen für Wärme und Strom von einem Energieversorgungsunternehmen, ist Aufwendung im Sinne des § 22 Absatz 1 Satz 1 SGB II grundsätzlich die Forderung des Unternehmens für Wärmelieferungen nach Abzug der Vorauszahlungen im Rahmen der Jahresabrechnung. Das ändert sich nicht durch eine nachfolgend vorgenommene Aufrechnung durch den Energieversorger mit einem Guthaben aus den Abschlagszahlungen für die Stromlieferung.
Strom und Gasvertrag sind getrennt voneinander zu betrachten
3. Die in die Jahresrechnungen des Energieversorgungsunternehmens eingestellten Forderungen für Wärme (Forderung des Energieversorgungsunternehmens) und Strom (Forderung gegen das Energieversorgungsunternehmen) sind getrennt voneinander zu betrachten. Beiden Positionen liegen separate Verträge zugrunde.
4. Nichts anderes gilt, wenn die Gas- und Stromlieferungen im Rahmen von Grundversorgungsverhältnissen erfolgen sollte.
Das Jobcenter irrt, wenn es meint, das Abrechnungsergebnis des Energieversorgers würde den Bedarf des Leistungsbeziehers begrenzen
5. Dazu meint das BSG: Anders als das Jobcenter meint, begrenzt dieses Abrechnungsergebnis den Bedarf nicht.
Das Bestehen einer Abrechnungsforderung aus der Gaslieferung ist vielmehr (wie auf der anderen Seite das des Guthaben aus der Stromlieferung) Voraussetzung der vom Energieversorgungsunternehmen angenommenen Aufrechnungslage.
Stromkosten für den Betrieb der Gastherme als Heizkostenbedarf nur bei tatsächlicher Zahlung dieser vom Leistungsbezieher
6. Die Berücksichtigung von Stromkosten einer Gastherme als Heizkostenbedarf ist nach Auffassung des BSG nicht zu beanstanden.
Aber:
Allerdings müssen auch in diesem Fall anzuerkennende Aufwendungen iS von § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II entstanden sein.
Dass Brennstoffkosten vom Leistungsempfänger für das Hauptheizmedium zu zahlen sind, genügt insoweit – nicht -. Denn sie sind bei der Schätzung des Stromverbrauchs für die Heizungsanlage nach mietrechtlich gebräuchlichen Berechnungsmethoden nur Berechnungsgrundlage (vgl BSG vom 3.12.2015 – B 4 AS 47/14 R – ).
Den Ausführungen der Vorinstanz kann nicht entnommen werden, dass die Leistungsbezieher im Februar 2018 Abschläge für Strom zu zahlen hatten oder einer Nachforderung aus der Jahresabrechnung für Strom und das Kalenderjahr 2017 ausgesetzt gewesen sind.
In diesem Fall gibt es keine Aufwendungen, die als Bedarfe im Februar 2018 berücksichtigt werden könnten, so ausdrücklich das BSG
Stromkosten müssen auch tatsächlich entstanden sein, um sie als Heizkosten zu berücksichtigen zu können
7. Die Berücksichtigung von Stromkosten einer Gastherme als Heizkostenbedarf besteht nur, wenn auch tatsächliche Stromkosten entstanden waren, sprich Stromkosten auch tatsächlich vom Hilfeempfänger bezahlt wurden oder eine Nachforderung von Stromkosten bestanden.
Rechtstipp zum SGB XII: ebenso in der Entscheidung
SG Schleswig, Urteil vom 28. September 2017 – S 15 SO 122/16 und bestätigend LSG Schleswig-Holstein, Urteil vom 24. September 2020 – L 9 SO 72/17 – ).
Verrechnet ein Versorger seine Heizkostennachforderung mit einem gleichzeitig bestehenden, aus dem Regelbedarf angesparten Stromkostenguthaben, führt diese Verrechnung nicht zu einem geringeren Bedarf des Leistungsbeziehers für die Heizung.
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Detlef Brock ist Redakteur bei Gegen-Hartz.de und beim Sozialverein Tacheles e.V. Bekannt ist er aus dem Sozialticker und später aus dem Forum von Tacheles unter dem Namen “Willi2”. Er erstellt einmal wöchentlich den Rechtsticker bei Tacheles. Sein Wissen zum Sozialrecht hat er sich autodidaktisch seit nunmehr 17 Jahren angeeignet.