Bürgergeld: Jobcenter berechnete Fantasiepreise fürs Heizen – Urteil

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Das Sozialgericht Hannover verurteilte ein Jobcenter dazu, einem Bürgergeld-Bezieher die realen Heizkosten zu zahlen statt sich an einen irrealen Heizspiegel zu halten. Im vorliegenden Fall (Aktenzeichen S 38 AS 1052/22) hätte der Kläger sogar sparsam geheizt. Zudem sei das Jobcenter verpflichtet, die Angemessenheit der Heizkosten im Einzelfall zu prüfen, was es nicht getan habe.

Gestiegene Ölpreise

Der Betroffene ist auf Bürgergeld angewiesen und bewohnt die Hälfte eines 120-Quadratmeter-Hauses. Er hatte im Oktober 2021 500 Liter Heizöl für 523,30 Euro gekauft, und im Februar 2022 200 Liter für 422,45 Euro. Der Preis war also in den vier Monaten auf mehr als das Doppelte gestiegen – von 0,8695 Euro auf 1,75 Euro.

Jobcenter zahlte zu wenig für Heizkosten

Das Jobcenter wollte jedoch lediglich 572,50 Euro zahlen statt der realen 945,75 Euro – 373,25 Euro hätte der Betroffene, der ja per Definition des Bürgergeldes am Existenzminimum lebt, aus eigener Tasche zahlen müssen.

Warum weigerte sich das Jobcenter?

Das Jobcenter bezog sich bei der unzureichenden Zahlung auf den bundesweiten Heizspiegel von 2021 und einen Heizölpreis von 0,53 Euro pro Liter. Damit hätte dem Betroffenen in einem Ein-Personen-Haushalt exakt die Summe von 575,20 Euro zugestanden. Der Betroffene klagte und bekam Recht.

Das Sozialgericht Hannover sah einen Rechtsbruch des Jobcenters und urteilte: „Der Kläger hat Anspruch auf Gewährung einer weiteren Beihilfe für die Beschaffung von Heizmaterial für die Heizperiode 2021/2022 in beantragter Höhe.“ Das Gericht stufte den Verbrauch an Heizöl durch den Angeklagten als angemessen ein.

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Warum war der Heizspiegel irreal?

Die Werte der Durchschnittskosten beim Heizspiegel bezogen sich auf das Jahr 2021 und gingen vom damaligen Heizölpreis aus. Für die Bezahlung der Heizkosten durch das Jobcenter sind Bürgergeld-Bezieher in der Pflicht, wirtschaftlich und angemessen zu heizen – also keine Heizung aufzudrehen, wenn es nicht nötig ist.

Wenn jetzt aber, die Literpreise für Heizöl von 2021 auf 2022 um mehr als das Doppelte ansteigen, dann zahlt jemand, der ebenso viel verbraucht, doppelt so viel. Dieser Unterschied hat nichts mit einem weniger wirtschaftlichen Verhalten zu tun.

Keine unangemessenen Heizkosten

Das Gericht stellte klar, dass es sich beim Heizkostenspiel lediglich um einen Hinweis darauf handle, dass von unangemessenen Heizkosten auszugehen sei. Der oder die jeweilige Bürgergeld-Betroffene müsse in einem solchen Fall darlegen, ob und weshalb die Ausgaben angemessen waren.

In diesem Fall hätte der Kläger „überzeugend dargelegt und nachgewiesen, dass seine höheren Aufwendungen für Heizöl nicht auf unwirtschaftlichem und unangemessenem Heizverhalten beruhten“. Die Ursache seien vielmehr die gestiegenen Heizpreise. Außerdem verwiesen das Gericht auf die gültige Rechtslage: „Die zu zahlenden Heizkosten ergeben sich im Einzelfall nicht aus dem Heizspiegel.“

Realität steht im Gegensatz zur Unterstellung

Das Gericht bescheinigte dem Betroffenen sogar, dass sein Verbrauch für einen Ein-Personenhaushalt „eher unterdurchschnittlich“ sei. Mit den Kosten von 0,53 Euro pro Liter, die das Jobcenter zugrundelegte, hätte der Betroffene sich 1100 Liter Heizöl kaufen können. In den Augen des Jobcenters wäre das „angemessen“ gewesen. Die realen 700 Liter, die der Mann tatsächlich verbrauchte, bewertete das Jobcenter hingegen als „unangemessen“.