Ist die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel für einen schwerbehinderten Schüler unmöglich oder unzumutbar, sind im Rahmen des Anspruchs auf Leistungen der Schülerbeförderung auch die Aufwendungen für Pkw-Fahrten zu berücksichtigen ( Orientierungssatz Detlef Brock ).
Die Aufwendungen, die durch die Fahrten von der Wohnung seiner Mutter zur Schule und von der Schule zurück entstanden sind, sind unabhängig von den zivilrechtlichen Verhältnissen am Fahrzeug grundsicherungsrechtlich seinem Bedarf zuzuordnen ( vgl. LSG BW L 7 SO 5382/14 ).
Fahrtkosten bei Nutzung eines PKW sind durch Rückgriff auf Kilometerpauschalen zu bestimmen. In Anlehnung an § 5 Abs 1 BRKG (juris: BRKG 2005) sind 0,20 € pro Kilometer zugrunde zu legen.
Im Rahmen des Anspruchs auf Leistungen für Schülerbeförderung sind nicht lediglich die Aufwendungen für solche Fahrten zu berücksichtigen, in denen sich der zu befördernde Schüler (hier: der Kläger) in dem von dem Elternteil (hier: der Mutter) geführten Pkw befindet.
Sondern der Anspruch umfasst auch solche weiteren Fahrten, die zwingend oder zumindest vernünftigerweise mit der Beförderung zur Schule und / oder von der Schule zurück einhergehen.
Dies sind namentlich Fahrten, welche der befördernde Elternteil alleine zurücklegen muss, um nach dem Absetzen des Schülers an der Schule wieder nach Hause zu gelangen oder um den Schüler nach Beendigung des Unterrichts dort abzuholen.
So entschieden vom LSG Berlin- Brandenburg vom 24.11.2022 – L 34 AS 1588/18 –
Inhaltsverzeichnis
Begründung
Bildung und Teilhabe – Schülerbeförderungskosten – Nutzung eines Pkw – Eigentumsverhältnisse am Pkw.
Verweis auf öffentliche Verkehrsmittel unzumutbar
Denn wenn die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel unmöglich oder unzumutbar ist, sind vielmehr auch die Aufwendungen für Pkw-Fahrten zu übernehmen, zum Bsp. aufgrund gesundheitlicher Einschränkungen u. Behinderung.
Der behinderte Schüler leidet an einer Autismus-Spektrum-Störung sowie an Epilepsie. Das Gutachten der Bundesagentur für Arbeit hat ausdrücklich darauf hingewiesen, dass eine Benutzung der öffentlichen Verkehrsmittel für den behinderten Schüler – unzumutbar ist.
Auch wenn der Kläger selbst nicht Eigentümer des Pkw war
Ist der Anspruch auf Übernahme der Kosten gegeben, denn ie Aufwendungen, die durch die Fahrten von der Wohnung seiner Mutter zur Schule und von der Schule zurück entstanden sind, sind unabhängig von den zivilrechtlichen Verhältnissen am Fahrzeug grundsicherungsrechtlich seinem Bedarf zuzuordnen.
Dem Schüler darf kein Nachteil daraus erwachsen
Dass er auf die Inanspruchnahme kostenintensiver Transportmöglichkeiten (z. B. Taxi) verzichtet und stattdessen auf familiäre Hilfe zurückgegriffen hat.
Bemessung der Fahrtkosten nach Kilometerpauschalen
Die Höhe der Fahrtkosten ermittelt sich durch Rückgriff auf die Kilometerpauschalen des BRKG.
Das Jobcenter meint, dass lediglich die Aufwendungen für solche Fahrten zu berücksichtigen, in denen sich der zu befördernde Schüler in dem von der Mutter geführten Pkw befindet
Dem ist aber der 34. Senat des LSG BB nicht gefolgt
Denn der Anspruch umfasst auch diejenigen Fahrten, die der befördernde Elternteil alleine zurücklegen muss ( ebenso in Bezug auf die Übernahme von Fahrtkosten für den Schulbesuch im Rahmen der Eingliederungshilfe LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 29. Juni 2017 – L 7 SO 5382/14 – )
Anmerkung Sozialrechtsexperte Detlef Brock
In beeindruckender Weise hat der 34. Senat hier klar und deutlich Rechtsprechung gesprochen zu Gunsten eines Schwerbehinderten.
Hinweis:
Fahrkosten für den Schulbesuch können auch im Rahmen der Eingliederungshilfe zu übernehmen sein.
Behinderungsbedingte Fahrtkosten für den Schulweg müssen von der Eingliederungshilfe bezahlt werden – Grundsatzentscheidung des Bundessozialgerichts – BSG, Urt. v. 08.05.2024 – B 8 SO 3/23 R –
Behinderte Menschen können einen Anspruch auf die Übernahme von Taxikosten für Schulfahrten als Eingliederungshilfe haben, soweit diese nicht vom Träger der Schule erstattet werden. Dieser Anspruch folgt seit dem 01.01.2020 aus § 112 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB IX (§§ 53, 54 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB XII a.F.).
Schwerbehinderung: Eingliederungshilfe muss Taxi für Schulweg bezahlen
Detlef Brock ist Redakteur bei Gegen-Hartz.de und beim Sozialverein Tacheles e.V. Bekannt ist er aus dem Sozialticker und später aus dem Forum von Tacheles unter dem Namen “Willi2”. Er erstellt einmal wöchentlich den Rechtsticker bei Tacheles. Sein Wissen zum Sozialrecht hat er sich autodidaktisch seit nunmehr 17 Jahren angeeignet.