Bürgergeld-Bezieherin muss 11.400 Euro ans Jobcenter nicht zurückzahlen

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Eine Bürgergeld-Bezieherin muss über 11.000 Euro nicht an das Jobcenter zurückzahlen. Das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen hatte sich aktuell mit der Frage zu beschäftigen, ob die fruchtlose Pfändung einen Durchsetzungsverwaltungsakt im Sinne des § 52 SGB X darstellt.

Das Gericht hat hierzu aktuell geurteilt, dass die Forderungen aus den Aufhebungs- und Erstattungsbescheiden des Jobcenters, die in der Zahlungserinnerung der Bundesagentur für Arbeit aufgelistet sind, verjährt sind ( LSG NRW, Urt. v. 20.03.2024 – L 12 AS 400/23 – Revision zugelassen).

Statt 30 Jahre, gealt die vierjährige Verjährungsfrist

Die Feststellungsklage ist aufgrund der Verjährung der Forderungen aus den Erstattungsbescheiden begründet, denn nach Auffassung der Richter des 12. Senats des LSG NRW greife mangels Vorliegens eines von den Erstattungsbescheiden unabhängigen Verwaltungsaktes vorliegend nicht die in § 52 Abs. 2 SGB X normierte dreißigjährige, sondern die in § 50 Abs. 4 S. 1 SGB X geregelte vierjährige Verjährungsfrist.

Sodass die Erstattungsforderungen verjährt seien.

Die Niederschrift über die fruchtlose Pfändung stelle keinen zusätzlichen Verwaltungsakt i.S.v. § 31 SGB X dar. Es fehle an der Regelungswirkung der Niederschrift.

Anderweitige Maßnahmen als die Niederschrift zur fruchtlosen Pfändung, die einen zusätzlichen Verwaltungsakt i.S.v. §§ 52/31 SGB X verkörpern und damit die dreißigjährige Verjährungsfrist auslösen könnten, seien weder ersichtlich noch vom Jobcenter benannt worden.

Erstattung zu Unrecht erbrachter Leistungen – Verjährung des Erstattungsanspruchs – Vierjahresfrist – Hemmung der Verjährung durch Verwaltungsakt – Vorliegen eines Durchsetzungsverwaltungsaktes iS des § 52 Abs 1 SGB 10

1. § 52 SGB X findet auf die Konstellation eines Erstattungsbescheides, der den Anspruch eines Leistungsträgers auf Erstattung zu Unrecht erbrachter Leistungen erstmals nach § 50 Abs. 3 SGB X festsetzt und damit den Lauf einer Verjährung beginnen lässt, nach dem Wortlaut und der Regelungssystematik beider Vorschriften keine Anwendung (dazu ausführlich BSG Urteil vom 04.03.2021 – B 11 AL 5/20 R – ).

2. Weder die Niederschrift über die fruchtlose Pfändung noch die fruchtlose Pfändung als solche stellen einen Durchsetzungsverwaltungsakt im Sinne des § 52 Abs 1 SGB 10 dar.

3. In den Fallgestaltungen des § 50 SGB X kann jedoch erst ein weiterer Bescheid die erstmals durch den Erstattungsbescheid nach § 50 Abs. 3 SGB X in Gang gesetzte Verjährung hemmen und erst ein (weiterer) Verwaltungsakt zur Feststellung oder Durchsetzung des Anspruchs eines öffentlich-rechtlichen Rechtsträgers im Sinne des § 52 Abs. 1 SGB X löst nach dessen Unanfechtbarkeit den Übergang in eine längere Verjährungsfrist von 30 Jahren nach § 52 Abs. 2 SGB X aus (BSG Urteil vom 04.03.2021, B 11 AL 5/20 R -).

4. Auch die vorliegend erfolgten Mahnungen und Zahlungserinnerungen stellen keine Verwaltungsakte dar. Es handelt sich lediglich um Mahnungen im Sinne des § 3 Abs 3 VwVG, die als unselbständige Vorbereitungshandlungen zur Vollstreckungsanordnung nicht anfechtbar sind und keine eigene Verwaltungsaktqualität haben.

5. Auch weitere Bescheide, die einen Durchsetzungsbescheid im Sinne des § 52 Abs. 1 SGB X darstellen könnten, wie ein Aufrechnungsbescheid (LSG Sachsen-Anhalt Urteil vom 09.11.2022 – L 5 AS 252,19 – ein Stundungsbescheid (LSG Berlin-Brandenburg Beschluss vom 06.04.2022, L 8 AS 18/22 B ER -) oder ein Pfändungsbeschluss mit eindeutiger Bekanntgabe der beizutreibenden Forderung, in dem auch ein so genannter Leistungsbescheid enthalten wäre (BSG Urteil vom 07.10.2004 – B 11 AL 43/03 R – liegen nicht vor.

Anmerkung Detlef Brock

Kann ein fruchtloser Pfändungsversuch einen Durchsetzungsverwaltungsakt im Sinne des § 52 Absatz 1 SGB X darstellen und die dreißigjährige Verjährungsfrist des § 52 Absatz 2 SGB X auslösen?

Diese Frage wird nun das Bundessozialgericht beantworten müssen und auch klären müssen, ob der die Forderungen aus den Aufhebungs- und Erstattungsbescheiden des Jobcenters verjährt waren.

LSG NRW, Urt. v. 20.03.2024 – L 12 AS 400/23 – Revision anhängig beim Bundessozialgericht unter dem Az. : B 7 AS 17/24 R