Bürgergeld-Beziehende haben keine Pflicht beim Jobcenter nachzufragen und zu betteln – urteilte das Bundesverfassungsgericht

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Wenn das Jobcenter seinen Pflichten nicht nachkommt und Bescheide nicht rechtzeitig erlässt, entstehen Bürgergeldbeziehern Kosten für die Rechtsvertretung, die den Klägern erstattet werden müssen. Das hat das Bundesverfassungsgericht entschieden.

Nicht nur die Bürgergeldempfänger, sondern auch die Jobcenter müssen sich an Fristen halten. Tun sie das nicht, ist eine Untätigkeitsklage „grundsätzlich nicht treuwidrig“, wie das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe in einem am Mittwoch, 15. März 2023, veröffentlichten Beschluss entschied (Az.: 1 BvR 311/22).

Jobcenter rechnete zu viel Einkommen an

Die Klägerin aus Südhessen und ihre zwei Kinder bezogen Grundsicherungsleistungen, hier noch das Anfang 2023 vom Bürgergeld abgelöste Hartz IV. In einem Leistungsbescheid vom Oktober 2020 hatte das Jobcenter viel zu hohe Einkünfte angerechnet – 1.400 statt 907 Euro.

Mithilfe eines Anwalts legte die Frau erfolgreich Widerspruch ein. Das Jobcenter korrigierte den Fehler und sicherte zu, die Kosten des Widerspruchsverfahrens zu übernehmen. Mit einem sogenannten Kostenfestsetzungsantrag reichte der Anwalt seine Rechnung ein.

Behörde zahlte Verfahrenskosten nicht

Doch auf eine Reaktion auf den Antrag und erst recht auf sein Geld wartete der Anwalt vergeblich. Nach Ablauf der sechsmonatigen „Wartefrist“ reichte er daher für seine Mandantin eine Untätigkeitsklage ein.

Nun reagierte das Jobcenter sofort; es entschied über den Kostenfestsetzungsantrag und bezahlte das Geld. Erneut gab es aber Streit um die Verfahrenskosten, nun für die Untätigkeitsklage.

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Das Sozialgericht Darmstadt meinte, die Verfahrenskosten müsse die Bürgergeld-Bezieherns tragen (Beschluss Az.: S 16 AS 333/21). Sie und ihr Anwalt hätten „mutwillig“ ihre Pflicht zur Schadensminderung verletzt. Statt gleich zu klagen, hätten sie zunächst anfragen müssen, wie es mit der Bearbeitung der Sache steht.

Fristen sind auch für das Jobcenter Fristen

Doch eine solche Pflicht zur Rücksichtnahme gegenüber dem Jobcenter lässt sich dem Gesetz nirgends entnehmen, betonte nun das Bundesverfassungsgericht. Mit seinem Beschluss vom 8. Februar 2023 hob es daher die Entscheidung des Sozialgerichts auf.

Zur Begründung betonten die Karlsruher Richter, die Entscheidungsfrist für das Jobcenter sei abgelaufen, die Untätigkeitsklage daher „zulässig und begründet“ gewesen. Für die Frage der Verfahrenskosten sei grundsätzlich der Ausgang des Streits maßgeblich.

Bundesverfassungsgericht: Keine Hinweispflicht vor Untätigkeitsklage

Eine Ausnahme sei „nur unter besonderen Umständen des Einzelfalls“ denkbar und liege hier nicht vor. Eine generelle Pflicht, die Behörde auf den Fristablauf hinzuweisen und nachzufragen, ob sie nun bald zu entscheiden gedenkt, gebe es nicht. Besonderheiten, die hier die Untätigkeitsklage als missbräuchlich erscheinen ließen, lägen nicht vor. mwo

Ist das Bürgergeld besser als Hartz IV?

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