Auch bei Wohnsitz im EU-Ausland darf Krankenkasse nicht trödeln

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BSG: „Genehmigungsfiktion” aber nicht außerhalb bekannter Grenzen

Lässt eine Krankenkasse sich für ihre Antwort auf einen Leistungsantrag zu lange Zeit, können auch Versicherte mit Wohnsitz im EU-Ausland sich auf eine fiktive Genehmigung berufen. Das hat am Dienstag, 27. August 2019, das Bundessozialgericht (BSG) klargestellt (Az.: B 1 KR 36/18 R). Mit weiteren Urteilen vom selben Tag schlossen die Kasseler Richter eine „Genehmigungsfiktion” aber aus, wenn die beantragte Leistung gesetzlich ausgeschlossen ist (Az.: B 1 KR 8/19 R). Bei bekannten Obergrenzen ist auch die fiktive Genehmigung entsprechend gedeckelt (Az.: B 1 KR 9/19 R).

Nach dem Gesetz zur Verbesserung der Patientenrechte aus 2013 haben die Krankenkassen drei Wochen Zeit, einen Leistungsantrag zu bearbeiten. Holen sie ein Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen (MDK) ein, müssen die Kassen den Versicherten innerhalb der drei Wochen informieren und haben dann insgesamt fünf, bei Zahn-Leistungen sechs Wochen Zeit. Werden diese Fristen ohne wichtigen Grund nicht eingehalten, gilt der Antrag als „fiktiv genehmigt”.

Wie nun das BSG entschied, können sich hierauf auch Versicherte mit Wohnsitz im EU-Ausland berufen; die Frist verlängere sich deswegen nicht. Es gab damit einer Frau recht, die in Großbritannien wohnt aber als Teilzeitkraft bei einem ambulanten Pflegedienst in Deutschland arbeitet. Sie hatte massiv an Gewicht verloren und daher unter anderem Operationen zur Straffung ihrer Haut beantragt. Die Krankenkasse hatte ein MDK-Gutachten eingeholt und den Leistungsantrag erst nach über zwei Monaten abgelehnt.

In einem weiteren Fall hatte die Klägerin Leistungen zur künstlichen Befruchtung beantragt. Auch hier hatte die Krankenkasse ein MDK-Gutachten eingeholt und dann nicht rechtzeitig geantwortet. Sie räumte daher eine fiktive Genehmigung ein, betonte aber, dass diese nur für Behandlungen vor dem 40. Geburtstag gilt. Dies hat das BSG nun bestätigt. „Denn die beantragte Leistung lag ab diesem Zeitpunkt nach der klaren gesetzlichen Altersgrenze offensichtlich außerhalb des Leistungskatalogs der gesetzlichen Krankenversicherung”. Dies habe auch der Klägerin klar sein müssen.

Ähnlich argumentierten die Kasseler Richter in einem Streit um höhere Leistungen für Zahnersatz. Die Krankenkasse hatte einen um 30 Prozent erhöhten Festzuschuss bewilligt, die Klägerin beantragte eine volle Kostenübernahme. Weil die Krankenkasse dies zu spät ablehnte, steht der Frau nun der doppelte Festzuschuss zu, mehr aber nicht. Dies sei „das Höchstmaß dessen, was ein Versicherter beanspruchen kann”, so das BSG zur Begründung. Diese Grenzen müssten gerade beim Zahnersatz „jedem Versicherten geläufig sein”.

In zwei Fällen bekräftigte das BSG, dass die Krankenkassen den Zweck der Genehmigungsfiktion nicht einfach unterlaufen können, indem sie eine solche Genehmigung einfach wieder zurücknehmen. „Die Entziehung der fingierten Genehmigung ist rechtswidrig” (Az.: B 1 KR 36/18 R und B 1 KR 1/19 R). Entsprechend hatten die obersten Sozialrichter bereits am 7. November 2017 entschieden (Az.: B 1 KR 15/17 R und B 1 KR 24/17 R; JurAgentur-Meldung vom Urteilstag). mwo/fle

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