Wenn berühmte Schauspieler Hartz IV beziehen – und sanktioniert werden

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Hartz IV ist absurd, brutal, menschenverachtend und kontraproduktiv

Die Schauspielerin Bettina Kenter-Götte musste am eigenen Leib erfahren, wie unmenschlich das Hartz IV System ist. Sie ist damit nicht allein. Die Schauspielerei ist für viele ein prekärer Job. Bleiben zeitweise Aufträge aus oder wird man krank, ist man schnell auf Hartz IV angewiesen.

Bettina Kenter-Götte

Eine Krankheit beendete die Schauspielerei

Bettina Kenter-Götte (68) ist als Schauspeilerin aus Fernsehen, Film und der Theater bekannt. Viele werden sie zum Beispiel aus Filmen wie “Reise in die Finsternis” oder “Der Kreis des Lebens” kennen. Wer es schafft, wie Bettina Kenter-Götte, gelangt schnell zu großer Anerkennung und finanzieller Absicherung.

Jahrzehntelang stand sie auf der Bühne, syncronisierte Filme und übernahm hierfür auch die Regie. Doch schnell kann der soziale Abstieg kommen, wenn unvorhersehbare Dinge wie eine Krankheit das Leben schwer machen. Bereits im Jahre 2011 klagte die Schauspielerin in der TV-Sendung “37 Grad” über ihre damalige Armut, die aufgrund einer längere Krankheitspause und dem geringen Rollenangebot für ältere Schauspielerinnen entstanden sei. Dann rutschen auch Schauspieler in das Hartz IV-System und erfahren am eigenen Leib, was das bedeutet.

In einem Interview sprach sie über ihre Erfahrungen mit dem Jobcenter. Wie es ist, Angst vor Sanktionen zu haben und sich der Behörde ausgeliefert zu fühlen.

Rechtswidrige Sanktionen und die ständige Angst davor

Nach 25 Jahren Berufstätigkeit blieb Kenter-Götte im Hartz IV-Sumpf stecken. Aufgrund eines Meldeversäumnisses wurden 100 Prozent der Regelleistungen gekürzt. Zu damaliger Zeit, auch vor dem Urteil am Bundesverfassungsgericht, waren die Sanktionen rechtswidrig.

Das Jobcenter musste nach erfolgreicher Gegenwehr die Leistungseinstellung zurücknehmen. Doch dann landete ein weiterer Sanktionsbescheid in ihrem Briefkasten. Angeblich hätte sie zu früh einen Antrag auf Leistungen gestellt. „Danach wusste ich: Hartz IV ist absurd, brutal, menschenverachtend, kontraproduktiv und in weiten Teilen rechtswidrig. Es sind ja auch schon Menschen verhungert bei Vollsanktionen”, erzählt sie in dem Interview.

Urteil des Bundesverfassungsgerichtes sozial schwach

Als das Bundesverfassungsgericht sein Urteil fällte, hofften viele Menschen, dass sich nun endlich etwas ändern würde. Schließlich sagten die Richter, dass Sanktionen über 30 Prozent nicht mit dem Grundgesetz vereinbar wären. Doch für Bettina Kenter-Götte könne man zwischen den Zeilen “Schlumpflöcher” erkennen. Daher sei das Urteil “sozial schwach”. Der nun folgende Umgang des Arbeitsministeriums, das in dieser Woche eine Weisung erarbeitet, die addierte Sanktionen vorsehen, sei Beweis dafür, dass Hartz IV ein “Armuts- und Ausgrenzungsgesetz” ist.

Sie musste selbst erfahren, was es bedeutet, vom Jobcenter drangsaliert und schikaniert zu werden. Die SZ fragte, wie sie Sanktionen bei Pflichtverletzungen bewertet. Daraufhin die Schauspielerin: „Die größte Pflichtverletzung liegt auf Seiten des Staates. Die Jobcenter haben über fast 15 Jahre Millionen von unbescholtenen Bürgerinnen und Bürgern verfassungswidrig behandelt. Das ist der schlimmste Rechtsbruch.“

Unsinnige Maßnahmen

Als besondere Drangsalierung empfand die Schauspielerin und Synchronsprecherin eine Zwangsmaßnahme, an der die Künstlerin teilnehmen musste, um keine Leistungskürzungen zu erleiden.

Nach 40 Jahren erfolgreicher künstlerische Betätigung sollte sie einen sogenannten Bewerbungskurs absolvieren. „Und noch dazu bei einer Frau, die in einer Mail sieben Fehler gemacht hat. Es war hanebüchen! Aber wenn ich gesagt hätte, das mache ich nicht, das ist Steuergeldverschwendung, dann wäre ich vollsanktioniert worden.“

Hartz IV ist die Schreckenskammer der Gesellschaft

Hartz IV ist für Bettina Kenter-Götte eine “Schreckenskammer der Gesellschaft”. Wer es nicht am eigenen Leib erfährt, weiß nicht was da passiert. „Das Vertrackte ist, dass die einzelnen Geschichten oft so absurd und kompliziert sind, dass man sie nicht glaubt.“ Deshalb werde Hartz IV von denjenigen toleriert, die selbst noch nie betroffen waren. (Bild: Elisabeth Greil, Gemeinfrei, Wikimedia)

Ist das Bürgergeld besser als Hartz IV?

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