Vollbeschäftigung in Deutschland? Neue Hartz IV-Zahlen der Bundesagentur im Fakten-Check

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Wer arbeiten will, findet auch Arbeit. Dieses Bild sollen die Zahlen der Bundesagentur für Arbeit zumindest jeden Monat aufs Neue vermitteln. Der Sprecherinnenrat der Bundesarbeitsgemeinschaft Hartz IV von der Linken hat sich die neuesten Zahlen einmal genauer angeschaut und wirft Licht auf die Bereiche, die die Bundesagentur lieber im Dunkeln lassen will.

Die Bundesagentur verschweigt, dass fast alle von den offenen Stellen in der Leih- und Zeitarbeit sind. Die schlechte Bezahlung und die schlechte Jobsicherheit von einer Million Beschäftigten in der Zeitarbeit spielt die Agentur herunter. Hier sind die Statistik-Tricks:

Trick eins: Schummelei mit offenen Stellen

Ein Drittel der offenen gemeldeten Stellen kommen von Leih- und Zeitarbeitsfirmen. Über die Hälfte dieser Stellen sind Helfertätigkeiten. Und bei diesen Stellen werden im Schnitt nicht einmal drei Viertel des Lohns gezahlt, den Festangestellte für die gleiche Arbeit bekommen.

Je nachdem, wo Hartz 4-Bezieher auf Jobsuche sind, sieht die Lage sogar noch düsterer aus: In manchen Gegenden sind laut Bundesagentur 50 % aller Stellenangebote Zeitarbeits­jobs. Doch das ist noch nicht alles: Bei einer Stichprobe des Sprecherinnenrats waren 91 von 100 Stellen für Elektrohelfer in Berlin Leihverträge.

Trick zwei: Entlassungsrisiko für Zeitarbeiter kleinreden

Im ersten Halbjahr 2018 wurden laut Bundesagentur 777.000 neue Zeitarbeitsverhältnisse abgeschlossen. Das klingt erst mal gut. Der Leiharbeitsmarkt sei aber von einer „hohen Dynamik“ geprägt, so formuliert es die Bundesagentur. Was heißt das in Wirklichkeit? Zeitarbeiter haben ein fünffach erhöhtes Kündigungsrisiko. Oder in Zahlen ausgedrückt: In der Zeit, in der 777.000 neue Zeitarbeitsverhältnisse abgeschlossen wurden, wurden 776.000 Leiharbeitsverhältnisse Zeit beendet. Vermittlung in gute Arbeit ist da also Fehlanzeige.

Trick drei: Risiken für Zeitarbeiter ignorieren

ALG II-Empfänger sollen also Zeitarbeit annehmen. Dort bekommen sie Dumpinglöhne und stehen schnell wieder auf der Straße. Zusätzlich betreffen sie aber noch besondere Risiken:

Risiken  
Drehtüreffekt 45 % der Anstellungsverhältnisse in Leih- und Zeitarbeitsfirmen enden nach einem bis drei Monaten. Dann geht’s in der Regel für Betroffene wieder zurück durch die Drehtür zum Jobcenter. In der Statistik der Bundesagentur wird das so gut es geht versteckt.
Unberechtigte Sanktionen Nach einer Kündigung kann das Jobcenter Sanktionen verhängen. Oft passiert das auch bei frist- und grundlosen Kündigungen durch Zeitarbeitsfirmen. Gerade für junge Menschen unter 25 sind diese Sanktionen existenzbedrohend, da ihr Regelsatz auf null gekürzt wird.

 

Über eine Million Leiharbeiter deutschlandweit

Bundesweit arbeiten weniger als 3% der Beschäftigten in der Leih- und Zeitarbeit. Doch das ist immer noch eine erschreckend hohe Zahl. Marcel Nowitzki von der Linken formuliert es so:

„Gut eine Million Menschen arbeiten in Deutschland in Leih- und Zeitarbeit, das sind meiner Meinung nach 1 Million zu viel. Nicht nur, dass diese Stellen schlecht bezahlt sind, sie vermitteln auch keine Sicherheit bei der Lebensplanung, weil die Leih- und Zeitarbeitsfirmen nach Belieben heuern und feuern.“

Dem haben wir nichts hinzuzufügen.

Ist das Bürgergeld besser als Hartz IV?

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