Teilweise verfassungswidrige Hartz IV-Sanktionen – Was bedeutet das jetzt für Hartz-4 Betroffene?

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Die Sanktionen im Hartz IV-System sind zum Teil verfassungswidrig – Was bedeutet das ganz aktuell?

Das Bundesverfassungsgericht hat geurteilt: Die Hartz IV-Sanktionen verstoßen zum Teil der bundesdeutschen Verfassung. Kürzungen der Regelleistungen dürfen weiterhin bis zu 30 Prozent bei Ablehnung einer Arbeitsstelle erfolgen (AZ: 1 BvL 7/16).

Hartz IV

Keine Vollsanktionen mehr

Sanktionen über dem Maß, also 60 oder gar 100 Prozent sind durch das Grundgesetz nicht gedeckt. Auch die Kosten der Unterkunft dürfen als Sanktion nicht gestrichen oder gekürzt werden. Terminliche Versäumnissen im Jobcenter oder die Sanktionen gegen junge Leistungsbezieher unter 25 Jahre waren heute nicht Gegenstand des Urteils.

Die Richter stellten im Grundsatz infrage, ob die Sanktionen ihr Ziel, die Integration in den Arbeitsmarkt, überhaupt erreichen. Hartz IV Beziehenden müsse die Gelegenheit gegeben werden, “ihr eigenes Verhalten selbst abzuwenden und Sanktionen dadurch zu verhindern”. Es sei auch Verfassungswidrig “Anforderungen an Leistungsbezieher zustellen, die nicht erfüllt werden können”.

Während der Verhandlung, die seit Januar diesen Jahres laufen, wurde den Expertisen und Postionen von Erwerbsloseninititiven und Sozialverbänden Gehör verschafft. Die Richter stützten sich in vielen Teilen in ihrem Urteil auf die Untersuchungen der Verbände.

Jobcenter müssen besondere Härten beachten

Der Gesetzgeber hat nun den Auftrag neue Regeln bei den Sanktionen zu schaffen. Bis dahin gilt eine Übergangsregel. Nun müssen laut dem Gericht die Jobcenter “außergewöhnliche Härten” berücksichtigen. Leistungskürzungen dürfen nur noch bis 30 Prozent erfolgen. Nach Ansicht der Richter und nach den dargelegten Fakten führen Hartz 4 Sanktionen nur selten dazu, dass sich Leistungsberechtigte einem Job nachgehen. Dargelegt wurden ausführlich negative Effekte durch Sanktionen. Positive Effekte konnten nicht im ausreichenden Maße dargelegt werden.

Was passiert mit den Bescheiden?

Der Chef der Bundesagentur für Arbeit Detlef Scheele kündigte eine rasche Überprüfung der bestandsfähigen Bescheide an, die eine Minderung des Regelsatzes bei Verstößen um mehr als 30 Prozent vorsehen. „Aber da werden wir uns jetzt mit dem Bundesarbeitsministerium und der Bundesregierung zusammensetzen und mit den Ländern, wie wir damit umgehen”, sagte er in einer ersten Stellungnahme.

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Erste Stimmen zu dem Urteil

Die ehemalige Jobcenter-Mitarbeiterin Inge Hannemann begrüßte in einer ersten Stellungnahme das Urteil: „Es wurde Zeit, dass ein Urteil aus Karlsruhe zu den Sanktionen gesprochen wurde. Seit Jahren warten Erwerbslose und Erwerbsloseninitiativen auf eine Rechtsprechung zu den Sanktionen in Hartz IV. Dass Karlsruhe die Sanktionen im allgemeinen nun entschärft und die Miete nicht mehr gekürzt werden darf, ist ein Nanoschritt in die richtige Richtung. Trotzdem muss es weiter heißen: für die komplette Abschaffung der Sanktionen muss weiter gestritten und gekämpft werden – damit ein Existenzminimum ein Existenzminimum bleibt.“

Auch aus der SPD, die einst für die Einführung von Hartz IV stand, gibt es positive Stimmen, die das Urteil begrüßen. So sagte Karl Lauterbach: “Es ist ein Trauerspiel, daß ein Gericht uns zwingen muß, unmenschliche Sanktionen aufzuheben. Wir müssen jetzt alle Sanktionen beenden. Das Märchen, Menschen seien zu faul zum arbeiten, können wir nicht weiter vortragen.”

Budesarbeitsminister kündigt Verhandlungen mit der Union an

Der Bundesarbeitsminiter Hubertus Heil kündigte an, dass die SPD schnell in Verhandlungen mit der CDU/CSU treten wolle. “Das Grundsatzurteil erfordert eine Weiterentwicklung des Sozialstaates”, so Heil. Zu möglichen Übergangsregelungen wollte sich der Minister nicht äußern.

Die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Linke, Dagdelen, sagte, dass das Urteil “als Schritt in die richtige Richtung” gewertet werden kann. Der CDU-Abgeordnete Whittaker hingegen betonte, dass “Sanktionen in Ordnung sind, nur nicht in der Höhe.”

Urteil nur ein “Minischritt”

Die Erwerbslosenrechtlerin Sandra Schlensog sieht in dem Urteil nur einen Minischritt, der am Ende nicht ausreicht. “Die schwarze Pädagogik und Drangsalierung der Betroffenen werden weiter aufrecht erhalten. So ist es immer noch den Jobcentern möglich, Menschen das Existenzminimum zu kürzen. Eine Urteil gegen die Menschlichkeit.”

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