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SPD Bürgergeld: Neuer Name, fast altes Konzept
Der SPD-Parteitag ist vorbei. Wurde nunmehr eine Abkehr vom Hartz IV-System beschlossen? Sind Erwerbslosen-Initiativen wie “Sanktionfrei”, “Gegen-Hartz”, “Tacheles” nunmehr überflüssig? Kann die Partei “DIE LINKE” einpacken, weil ihnen die SPD nun eines der Hauptthemen gestohlen hat? Mitnichten!
SPD die Hartz IV Partei
Auf dem diesjährigen Parteitag der SPD wurde eine grundlegende Abkehr von Hartz IV beschlossen. Wir erinnern uns. Es war die SPD, die gemeinsam mit den Grünen unter der Führung des damaligen Bundeskanzlers Gerhard Schröder die Agenda 2010 und damit Hartz IV ins Leben rief und jeden Erwerbslosen unter Generalverdacht setzte.
Damit nicht genug. In Not geratende Menschen wurden in den Niedriglohnsektor gedrängt, die Zeitarbeit blühte auf und ein Sanktionsregime drängte Hartz IV Beziehende in schlecht bezahlte Arbeit. Wer nicht spurte, konnte sogar Totalsanktioniert werden. Erst das Bundesverfassungsgericht stoppte in Teilen diesen Irrsinn.
Die SPD kam ins Straucheln. Ihr soziales Image litt von Tag zu Tag. Das machte sich auch in den Wahlen bemerkbar. Die Basis kehrte zunehmend der Parteispitze den Rücken. Viele Menschen sehen in der SPD nur noch einen Mehrheitsbeschaffer der Union.
Nun soll alles anders werden. Jetzt, wo die Partei bereits mächtig am Boden ist. Werden also soziale Initiativen nunmehr unnötig, weil die SPD gemeinsam mit den LINKEN und Grünen Hartz IV abschaffen?
Schauen wir uns also an, was die SPD auf ihren Parteitag beschloss:
- Statt Hartz IV soll es ein Bürgergeld geben. Die Höhe der Bezüge soll allerdings nicht angepasst werden. Bedeutet, der Hartz IV Regelsatz soll dann wie bei einem PR Gag einfach nur anders heißen.
- Sanktionen sollen weiterhin bis zu 30 Prozent ausgesprochen werden. Diese Regelungen sollen auch für unter 25jährige gelten. Das Bundesverfassungsgericht deutete bereits beim Richterspruch an, dass diese ebenfalls grundgesetzwidrig sind. Die Bundesagentur für Arbeit setzte diese bereits in einer neuen Weisung aus
- Das Arbeitslosengeld 1 soll nach den Vorstellungen der SPD nicht mehr 24 Monate, sondern maximal 36 Monate gezahlt werden
- Ebenfalls wurde eine Kindergrundsicherung von 250 Euro beschlossen, der für alle kindergeldberechtigten Kinder gelten soll. Für Geringverdiener soll die Kindergrundsicherung auf 478 Euro steigen.
- Wer das Bürgergeld beziehen muss, dessen Vermögen und Wohnungsgröße soll in den ersten zwei Jahren nicht überprüft werden.
Antrag Abschaffung aller Sanktionen abgelehnt
Die Jungsozialisten (JUSOS) hatten einen Antrag eingereicht, mit dem beschlossen werden sollte, dass alle Sanktionen abgeschafft werden. Dieser Antrag wurde von der Mehrheit der Delegierten abgelehnt. Stattdessen heißt es nun, dass “auch bei möglichen Sanktionierungen das Existenzminimum nicht unterschritten werden darf.” Ein eindeutiges Statement also für Sanktionen.
Bonussystem bei Weiterbildung
Neben diesen Beschlüssen setzt die SPD nun auf ein Bonussystem. In einer Rede sagte der amtierende Bundesarbeitsminister Hubertus Heil: “Die Sozialdemokratie darf niemals ein gebrochenes Verhältnis zur Arbeit haben”. Wer also aus der Erwerbslosigkeit eine Ausbildung oder Weiterbildung macht, soll mit einem Bonus “belohnt werden”. Wie dieser aussehen soll, darüber herrscht keine Einigkeit.
Aktuelle Umfrage: SPD bei 11 Prozent
All diese neuen Konzepte wurden nunmehr von den Delegierten beschlossen, die nach Bekanntgabe phonetisch den Beschluss auf dem Parteitag mit minutenlangem Klatschen feierten. Derweil veröffentlichte das Meinungsforschungsinstitut eine Wahlumfrage, bei der die SPD bundesweit nur noch bei 11 Prozent liegen.
Ab Montag ist alles anders?
Wird sich nun alles ändern? Wird die SPD also ihre neuen Konzepte mit in die Koalition einbringen? Schließlich ist sie Teil der derzeitigen Bundesregierung. Das neue Sozialkonzept ist nicht mehr als eine Forderung. CDU/CSU werden kaum am Montag zu ihrem Koalitionspartner sagen, “toll machen wir so!”. Es sind nunmehr nur (unzureichende) Forderungen, die im Koalitionsfrieden bitter verhallen. Für all die verabschiedeten Forderungen benötigt es Mehrheiten in der Koalition und im Bundesrat. Ob das passiert, ist unserer Auffassung nach illusorisch.
Hartz IV light mit anderem Namen
Fazit: Die SPD will weiterhin an den Sanktionen festhalten. Das Bürgergeld wird nicht angehoben, sondern soll weiterhin in der Höhe der derzeitigen Hartz IV Regelsätze liegen. Hier und da soll es ein “Bonussystem” für Weiterbildungen geben. Einzig die Länge des Arbeitslosengeld 1 soll reformiert und eine Kindergrundsicherung eingeführt werden. Im Wesentlichen soll eigentlich alles so bleiben wie es ist, nur dass es hier und dort zugegeben auch Verbesserungen geben soll.
Ende gut alles gut?
Und nun kann die Eingangsfrage auch beantwortet werden. Ja, die Arbeit von sozialen Initiativen, die sich für die Belange von Erwerbslosen und Geringverdiener einsetzen, wird weiterhin bitter nötig bleiben. Die SPD verabschiedet sich in die Bedeutungslosigkeit. Die Gesellschaft schwenkt immer weiter nach rechts. Das wird eher zur Folge haben, dass sich die Bedingungen weiter verschärfen als verbessern. Der einzige Weg bleibt über das Bundesverfassungsgericht. Denn nicht die SPD hatte erreicht, dass wenigstens ein Teil der Sanktionen abgeschafft wurden, sondern mutige Betroffene, die für ihre Rechte kämpfen.
Meint die SPD es wirklich ernst damit, endlich einen sozialen Frieden in Deutschland herzustellen, sollte sie Mehrheiten links von Union, AFD und FDP anstreben. Ob diese Mehrheiten noch Chancen haben, wird sich in den nächsten Jahren zeigen. Und das hängt ganz besonders viel von der SPD ab. (Bildnachweis: Olaf Kosinsky / kosinsky.eu)