Schwerbehinderung: Anspruch auf kostenlose 1. Klasse in der Bahn – Das gilt dann

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Menschen mit Schwerbehinderung haben unter Umständen einen Anspruch darauf, günstiger die erste Klasse im Zug zu nutzen. Dafür brauchen sie in ihrem Ausweis das Merkzeichen „1.Kl.“. Um dieses zu erhalten, reicht allerdings eine außergewöhnliche Gehbehinderung nicht aus. So entschied das Sozialgericht Sachsen-Anhalt (AZ: L7 SB 87/14).

Außergewöhnliche Gehbehinderung wegen Beinverlust

Als Folge einer arteriellen Verschlusserkrankung musste der Kläger seinen rechten Oberschenkel amputieren lassen. Das zuständige Versorgungsamt setzte deshalb einen Grad der Behinderung von 80 fest und zudem bekam er das Merkzeichen aG zuerkannt. Dieses steht für eine außergewöhnliche Gehbehinderung.

Klage wegen Anspruch auf Merkzeichen „1.Kl“

Der Betroffene hielt das Merkzeichen aG nicht für ausreichend. Er klagte vor dem Sozialgericht Dessau-Roßlau darauf, zusätzlich das Merkzeichen „1. Kl“ im Schwerbehindertenausweis zu bekommen, was ihn berechtigen würde, vergünstigt die erste Klasse im Zug zu nutzen.

Dieses Merkzeichen berechtigt dazu, mit einem Fahrausweis der zweiten Klasse in der ersten Klasse zu fahren.

Er begründete dies damit, dass er wegen der Amputation seines Oberschenkels nicht auf den engen Sitzen der zweiten Klasse sitzen könnte.

Das Merkzeichen gibt es nur für zwei Gruppen

Dieses spezielle Merkzeichen können generell nur zwei Gruppen beanspruchen, und das sind erstens Schwerkriegsbeschädigte mit einem Grad der Behinderung von mindestens 70, und zweitens Verfolgte im Sinne des Bundesentschädigungsgesetzes.

Der Kläger hielt die unterschiedliche Behandlung seiner Beeinträchtigung im Vergleich zu Schwerkriegsbeschädigten für ungerechtfertigt, da er die erste Klasse nutzen müsse.

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Die Gerichte lehnen die Klage ab

Das Sozialgericht Dessau entschied gegen den Kläger, und ebenso das Landessozialgericht Sachsen-Anhalt. Beide urteilten, dass ihm das Merkzeichen „1.Kl“ nicht zustehe. Die Gerichte verwiesen auf den Paragrafen 70 im Sozialgesetzbuch X sowie auf den Paragrafen 3 Absatz 1 Nummer 6 der Verordnung für den Schwerbehindertenausweis.

Diese sagten aus, so das Gericht, dass der Nachteilsausgleich 1. Klasse ausschließlich für Schwerkriegsbeschädigte mit einem Grad der Behinderung von mindestens 70 und für Verfolgte im Sinne des Bundesentschädigungsgesetzes in Betracht komme. Es könnte keine Gleichstellung mit diesem Personenkreis geben.

Das Bundesentschädigungsgesetz gilt für Verfolgte des NS-Regimes

Das Bundesentschädigungsgesetz stammt nicht aus dem Behindertenrecht, sondern gilt für „Personen, die in der Zeit vom 30. Januar 1933 bis zum 8. Mai 1945 aus politischen, rassischen, religiösen oder weltanschaulichen Gründen verfolgt wurden und dadurch Schäden an Leben, Körper, Gesundheit, Freiheit, Eigentum oder Vermögen sowie im beruflichen oder wirtschaftlichen Fortkommen erlitten haben.“

Was bedeutet das Urteil für Menschen mit Schwerbehinderungen?

Das Urteil ist rechtskräftig und kann Gerichten in ähnlichen Fällen als Leitfaden dienen. Es sagt nicht nur, dass im konkreten Fall eine Gleichstellung nicht möglich war, sondern dass ein Einbeziehen weiterer Beeinträchtigungen in das Merkzeichen „1.Kl“ grundsätzlich nicht in Betracht kommt.

Menschen mit Schwerbehinderungen, die weder schwerkriegsbeschädigt sind noch Verfolgte laut Bundesentschädigungsgesetz, haben also kaum Chancen, das Merkzeichen „1. Kl“ im Schwerbehindertenausweis durchzusetzen.