Männlicher Hartz IV Betroffener sollte im Kosmetikstudio arbeiten

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Eigenartige Vermittlungsstratgie der Jobcenter? Mann soll Verkäuferin werden – ansonsten drohen Sanktionen

Jobcenter unterbreiten Jobangebote an Leistungsbezieher. Wer diese ausschlägt, muss mit Sanktionen, also Leistungskürzungen, rechnen. Meistens sind die Angebote im absoluten Niedriglohnsektor angesiedelt. Manchmal sind sie auch mit Demütigungen verbunden. Ein junger Mann sollte als “Verkäuferin” in einem Kosmetikstudie arbeiten. Wenn er sich weigert, werden die Arbeitslosengeld II Bezüge um 30 Prozent gekürzt. Ein Lagebericht aus dem ganz “normalen” Hartz IV-Alltag.

Junger Mann soll in einem Kosmetikgeschäft arbeiten

Markus ist Anfang 20 und lebt von Hartz IV. Immer wieder fordert das Jobcenter den jungen Mann auf, sich für den beigefügten Job zu bewerben. Diese Stellen sind allerdings entweder befristet oder unterbezahlt. Dennoch kommt er den Forderungen des Jobcenters nach, denn er möchte um keinen Preis sanktioniert werden. Schon mit dem vollen Regelsatz kommt er nur schwer bis zum Monatsende zu recht.

Schließlich erhält Markus ein Schreiben vom Jobcenter, in welchem dieses ihn aufgefordert, sich als Verkäuferin in einem Kosmetikgeschäft zu bewerben. In dem Schreiben stand tatsächlich „Verkäuferin“ ohne Schrägstrich oder die Kennzeichnung m/w. Zuvor war sich der junge Mann für keinen Job zu schade gewesen, doch nun war auch seine Toleranzgrenze erreicht.

 

Regelsatz darf bei unter 25-jährigen komplett gestrichen werden

Dieses Schreiben ignorierte er daher und die Quittung ließ nicht lange auf sich warten: 30 Prozent weniger Geld für die nächsten drei Monate. Der junge Mann fühlte sich im Stich gelassen. Er hatte sich dem Jobcenter gegenüber zuvor nicht einen einzigen Fehltritt erlaubt. Dabei hatte er noch Glück gehabt.

Das Gesetz erlaubt dem Jobcenter nämlich, dass es unter 25-jährigen nach einem Verstoß auch direkt den kompletten Regelsatz streicht. Kommt es daraufhin zu weiteren Verstößen, dürfen auch Miete, Strom- und Heizkosten gestrichen werden. Viele junge Hartz IV-Bezieher sind von derartigen Sanktionen betroffen. Dadurch sind sie häufig nicht mehr in der Lage, anfallende Rechnungen zu begleichen und verschulden sich schon im jungen Alter hoch. Eine Belastung, die allgemein viele Hartz IV-Bezieher nachweislich bis in die Depressionen treibt.

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Union will wieder Totalsanktionen

Führende Politiker von CDU und CSU planen getreu ihrem Motto „Wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen.“ die Wiedereinführung von Totalsanktionen unter neuem Namen und auf anderer rechtlicher Grundlage. Dieses Mal auf anderer Gesetzesgrundlage.

Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG, AZ: 1 BvL 7/16) hat die Kürzung des Existenzminimums um mehr als 30% als verfassungswidrigen Eingriff in die Menschenrechte untersagt. Rechtlich bislang unbestritten ist jedoch nach wie vor der komplette Leistungsentzug bei Verletzung grundlegender Mitwirkungspflichten (§§ 60 bis 66 SGB I).

Diesen Umstand wollen sich die Christdemokraten bei der anstehenden gesetzlichen Neuregelung zu Sanktionen in der Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) zu Nutze machen.

Schikane durch das Jobcenter

Um weiteren Sanktionen zu entgehen, nahm Markus mehrere 1-Euro-Jobs an, arbeitete als Hausmeister oder als Verkäufer. Er ist seither kontinuierlich beschäftigt. Allerdings immer nur für ein paar Monate und für ein unterdurchschnittliches Einkommen.

Dass Markus Erfahrung kein Einzelschicksal darstellt, belegt auch eine Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB). Junge Menschen nehmen demnach vor allem aus Angst vor Sanktionen schneller Jobs an. Meistens sind das allerdings befristete und schlecht bezahlte Stellen ohne Perspektive. Natürlich sind sich die Mitarbeiter der Jobcenter über die Ängste der Hartz IV-Bezieher bewusst.

Trotzdem, oder vielleicht auch gerade deswegen, zwingt man sie immer wieder zu Jobs, für die sie nicht qualifiziert sind oder in denen sie kaum etwas verdienen. Gehorchen die Hartz IV-Bezieher nicht, werden sie sanktioniert.

Einen jungen Mann in ein Kosmetikgeschäft stecken zu wollen und ihm bei fehlendem Engagement mit Sanktionen zu drohen ist Schikane. Dass dieser sich weigert, den Job anzunehmen, scheint daher fast bewusst provoziert worden zu sein.

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