Jobcenter muss vorläufigen Hartz-IV-Bescheid auch so kennzeichnen
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Jobcenter müssen einen als vorläufig gemeinten Hartz-IV-Bescheid auch als „vorläufig” kennzeichnen. Kann eine Hartz-IV-Bezieherin davon ausgehen, dass endgültig und nicht „vorläufig” die erhaltenen Hartz-IV-Leistungen ausgezahlt wurden, darf das Jobcenter nicht einfach zu viel ausgezahlte Hilfeleistungen wieder zurückfordern, entschied das Bundessozialgericht (BSG) in Kassel in einem am Dienstag, 11. August 2020, schriftlich veröffentlichten Urteil (Az.: B 4 AS 10/20 R).
BSG: Hartz-IV-Rückforderungen sonst nur ausnahmsweise möglich
Die Rückforderung sei nur zulässig, wenn der fehlerhafte Hartz-IV-Bescheid auf arglistige Täuschung zurückgeht, auf grob fahrlässige Angaben des Hilfebedürftigen basiert oder klar erkennbar war, dass ein Vorläufigkeitsvermerk fehlt und zu Unrecht Leistungen gezahlt wurden.
Im Streitfall ging es um eine in Hamburg lebende Hartz-IV-Aufstockerin und ihren minderjährigen Sohn. Die Frau arbeitete in einem Unternehmen auf Abruf mindestens drei Stunden die Woche. Ihre Einkünfte waren von Monat zu Monat unterschiedlich hoch. Um ihren Lebensunterhalt decken zu können, erhielten sie vom Jobcenter Hamburg aufstockendes Arbeitslosengeld II.
Hartz IV Bescheid ohnen Vorläufigkeitsvermerk
In den Streitmonaten Januar und Februar 2014 zahlte das Jobcenter Grundsicherungsleistungen im Voraus unter Berücksichtigung eines fehlerhaft angenommenen gleichbleibenden Einkommens. Der entsprechende Hartz-IV-Bescheid enthielt trotz der tatsächlich schwankenden Einkünfte der Frau keinen Vorläufigkeitsvermerk. Als sich herausstellte, dass die Frau deutlich mehr verdient hatte, forderte das Jobcenter die an Mutter und Sohn zu viel gezahlten Leistungen zurück, insgesamt 761 Euro.
Doch so einfach geht das nicht, entschied das BSG in seinem Urteil vom 24. Juni 2020. Der Bescheid sei nicht als „vorläufig” gekennzeichnet worden. Ohne solch einen Vermerk würden die Leistungen grundsätzlich als „endgültig” bewilligt gelten. Die Rücknahme eines „endgültigen” Leistungsbescheides sei aber nur ausnahmsweise möglich.
Rückzahlung nur bei arglistiger Täuschung oder wegen grob fahrlässiger falscher Angaben
Nur wenn die Hartz-IV-Leistungen aufgrund arglistiger Täuschung oder wegen grob fahrlässiger falscher Angaben gezahlt wurden, könnten diese zurückgefordert werden. Gleiches gelte, wenn der Leistungsempfänger nach seinem Laienverständnis davon ausgehen musste, dass er zu Unrecht Leistungen erhalten hat und er diese möglicherweise zurückerstatten muss.
Ob dies bei der Klägerin der Fall war, müsse nun das Landessozialgericht Hamburg noch einmal prüfen, so das BSG. Doch selbst wenn dies der Fall wäre und die Mutter ihre zu viel erhaltenen Hartz-IV-Leistungen zurückzahlen muss, müsse dies nicht auch für den minderjährigen Sohn gelten.
Die Kasseler Richter verwiesen hierbei auf eine BSG-Entscheidung vom 28. November 2018 (Az.: B 14 AS 34/17 R; JurAgentur-Meldung vom Urteilstag). Danach kann das Jobcenter zu viel gezahlte Hartz-IV-Leistungen nur eingeschränkt von Kindern wieder zurückfordern. Dies ist ab Volljährigkeit möglich, wenn Kinder zu diesem Zeitpunkt über Vermögen verfügen. fle