Eine Mieterin bekam plötzlich eine Eigenbedarfskündigung zugestellt – ausgesprochen durch ihren Vermieter, vertreten von einer bekannten Vermieterorganisation.
Auf den ersten Blick schien dies nicht ungewöhnlich, denn der Eigenbedarf ist im deutschen Mietrecht ein legitimer Grund zur Kündigung. Doch die Umstände dieser Kündigung waren ein Missbrauch dieser Möglichkeit, die sehr häufig vorkommt.
Inhaltsverzeichnis
Warum ist Eigenbedarfskündigung so problematisch?
Der Eigenbedarf ist eine Regelung im Mietrecht, die es Vermietern erlaubt, Mietverhältnisse zu beenden, wenn sie die Immobilie für sich selbst, nahe Verwandte oder Haushaltsangehörige benötigen.
Die Praxis hat jedoch gezeigt, dass die Kündigung des Mietverhältnisses aufgrund eines Eigenbedarfs immer häufiger als strategisches Mittel eingesetzt wird, um langfristige Mietverhältnisse zu beenden, die für den Vermieter wirtschaftlich weniger attraktiv sind, so der Jurist Carsten Wendt vom Mieterverein Kiel. Dies betrifft insbesondere ältere Mietverträge, bei denen die Miete unter dem aktuellen Marktniveau liegt.
Die Anspannung auf den Wohnungsmärkten und die steigenden Immobilienpreise haben dazu geführt, dass die Eigenbedarfskündigung immer öfter als Vorwand genutzt wird.
Dies stellt Mieterinnen und Mieter vor immense Herausforderungen, da die Möglichkeiten, sich dagegen zu wehren, zunehmend eingeschränkt sind.
Die Rechtsprechung hat sich über die Jahre zuungunsten der Mieter entwickelt, indem sie den gesetzlichen Rahmen zugunsten der Vermieter interpretiert hat. Dies zeigt sich auch in der Auslegung der “ernsthaften Absicht” des Eigenbedarfs, die nicht selten zur Farce wird.
Wie verlief der Fall in Kiel?
Die Kieler Mieterin war zunächst nur über den geplanten Verkauf der Immobilie informiert worden. Im Zuge dessen unterbreitete der Vermieter ihr ein Kaufangebot mit einer äußerst kurzen Annahmefrist von nur einer Woche.
“Die Besonderheit dieser Kündigung lag darin, dass der Mieterin zunächst mitgeteilt wurde, dass der Vermieter beabsichtigt, die Immobilie zu veräußern und dann – als Sahnehäubchen – ein Kaufangebot mit einer Annahmefrist von einer Woche unterbreitete. Da fehlen einem dann doch die Worte”, kritisiert der Jurist.
Diese Kombination – die Eigenbedarfskündigung und das darauf folgende Kaufangebot – war an Dreistigkeit daher kaum zu überbieten, kritisiert der Mieterverein.
Der Hintergrund dieser Vorgehensweise war offensichtlich: Durch die Beendigung des Mietverhältnisses sollte die Immobilie ohne vertragliche Bindungen gewinnbringend veräußert werden.
Ein leerstehendes Objekt erzielt in der Regel höhere Preise, da potenzielle Käufer nicht an bestehende Mietverhältnisse gebunden sind und damit flexibler entscheiden können, wie sie die Immobilie nutzen möchten.
Welche Rechte haben Mieter?
Das Beispiel aus Kiel ist kein Einzelfall, sondern symptomatisch. Die Gesetzgebung sieht zwar vor, dass Mieter gegen eine Eigenbedarfskündigung Widerspruch einlegen können, wenn diese unrechtmäßig oder missbräuchlich ist.
Doch in der Praxis erweist sich dies oft als schwierig. Mieter müssen die Unzulässigkeit des Eigenbedarfs beweisen, was nicht selten mit erheblichen rechtlichen und finanziellen Hürden verbunden ist.
Bei einem solchen Missbrauch des Eigenbedarfs, wie im beschriebenen Fall, wäre eine gerichtliche Überprüfung angezeigt. Eine Klage wurde eingereicht, dessen Ausgang noch ungewiss ist.
Ob das zuständige Gericht eine Räumungsklage im Sinne der Mieterin entscheiden würde, hängt von der Beurteilung der Ernsthaftigkeit des Eigenbedarfs ab.
Sollte sich herausstellen, dass der Eigenbedarf nur vorgeschoben war, um das Mietverhältnis zu beenden und die Immobilie gewinnbringend zu verkaufen, könnte dies zur Unwirksamkeit der Kündigung führen. Dies ist jedoch eher die Ausnahme als die Regel, da die Beweislast bei der Mieterin liegt.
Wenn ein Vermieter eine Kündigung wegen Eigenbedarf ausspricht, ist es wichtig, dass Mieter wissen, welche Möglichkeiten ihnen zur Verfügung stehen, um sich dagegen zu wehren oder ihre Rechte zu schützen. Hier sind einige Schritte und Strategien, die Mieter in einem solchen Fall in Betracht ziehen sollten:
1. Prüfung der Kündigung auf formale Richtigkeit
Überprüfen Sie zunächst, ob die Kündigung formell korrekt ist. Eine Eigenbedarfskündigung muss bestimmten Anforderungen entsprechen:
- Schriftform: Die Kündigung muss schriftlich erfolgen und von allen Eigentümern unterschrieben sein.
- Begründung: Der Vermieter muss in der Kündigung genau angeben, für wen der Eigenbedarf geltend gemacht wird (z. B. für sich selbst, einen nahen Verwandten) und warum.
- Frist: Die gesetzliche Kündigungsfrist muss eingehalten werden. Diese richtet sich nach der Dauer des Mietverhältnisses und beträgt zwischen drei und neun Monaten.
2. Prüfen, ob der Eigenbedarf berechtigt ist
Mieter sollten prüfen, ob der angegebene Eigenbedarf tatsächlich besteht. Manchmal ist der Eigenbedarf nur vorgeschoben, um ein Mietverhältnis zu beenden. Beispiele für ungerechtfertigte Eigenbedarfskündigungen:
- Der Eigenbedarf ist nicht real und dient lediglich dazu, die Wohnung für gewinnbringende Zwecke freizubekommen.
- Der Vermieter könnte in der Vergangenheit ähnliche Kündigungen ausgesprochen haben, um Wohnungen schnell wieder zu vermieten oder zu verkaufen.
3. Rechtlichen Rat einholen
Ein Anwalt für Mietrecht oder ein Mieterverein kann Ihnen helfen, die Kündigung auf Rechtmäßigkeit zu überprüfen und gegebenenfalls Widerspruch einzulegen. Besonders Mietervereine bieten oft eine kostengünstige Möglichkeit, rechtliche Unterstützung zu erhalten und können helfen, Ihren Fall zu bewerten und die Chancen auf Erfolg abzuschätzen.
4. Härtefallregelung geltend machen
Falls der Umzug für Sie eine unzumutbare Härte darstellen würde, können Sie sich darauf berufen. Dies könnte der Fall sein, wenn:
- Sie schwer krank sind und ein Umzug Ihre Gesundheit gefährden würde.
- Sie hohes Alter oder eine lange Wohndauer in der Wohnung nachweisen können.
- Familien mit schulpflichtigen Kindern, deren Schulwechsel problematisch wäre. Hier ist es wichtig, die Härtefallgründe detailliert zu belegen und möglichst frühzeitig gegenüber dem Vermieter und im Falle einer Klage dem Gericht darzulegen.
5. Widerspruch einlegen
Wenn Sie der Meinung sind, dass die Kündigung unrechtmäßig ist, können Sie innerhalb von zwei Monaten nach Erhalt der Kündigung schriftlich Widerspruch einlegen. Der Widerspruch muss gut begründet sein und kann sich auf formelle Fehler, die fehlende Ernsthaftigkeit des Eigenbedarfs oder eine unzumutbare Härte beziehen.
6. Verhandlung mit dem Vermieter
Manchmal ist es möglich, mit dem Vermieter zu verhandeln und eine einvernehmliche Lösung zu finden. Dies könnte bedeuten:
- Aufschub des Auszugs: Aushandeln einer längeren Frist.
- Abfindung: Der Vermieter zahlt Ihnen eine Abfindung, damit Sie freiwillig ausziehen.
7. Dokumentation und Beweise sammeln
Sammeln Sie alle relevanten Dokumente und Beweise, die Ihren Fall unterstützen könnten, wie:
- Schriftverkehr mit dem Vermieter.
- Informationen zu den Personen, für die der Eigenbedarf geltend gemacht wird (z. B. ob sie bereits Wohnraum haben).
- Eventuelle Belege für Ihre Härtefallgründe.
8. Gerichtliche Auseinandersetzung
Sollte der Vermieter trotz Widerspruchs eine Räumungsklage einreichen, entscheidet das Gericht über die Rechtmäßigkeit der Kündigung. In solchen Fällen ist es unabdingbar, anwaltliche Unterstützung zu haben. Das Gericht prüft dann die Gründe für den Eigenbedarf und Ihre Widerspruchsgründe.
9. Berufung auf Sonderregelungen
In einigen Fällen gibt es spezielle Regelungen, die den Schutz des Mieters erhöhen, wie z. B. Schutz bei sozialem Wohnungsbau oder öffentlich geförderten Wohnungen. Hier sollten Sie sich genau über die geltenden Gesetze in Ihrer Region informieren.
Hilfen hierfür bieten Mietervereine, die es in fast jeder Stadt gibt und auf das Mietrecht spezialisierte Anwälte.
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