Eine regelrechte Abmahnwelle kann einer Kündigung vorausgehen. Der Arbeitgeber will so später eine Verhaltensbedingte Kündigung rechtfertigen. Abmahnungen werden allerdings regelmäßig vor den Arbeitsgerichten kassiert, so dass Abfindungen nach einer verhaltensbedingten Kündigung erwirkt werden könnten.
Wenn ein Arbeitgeber einen Arbeitnehmer loswerden will, unterbreiten die meisten Chefs einen Aufhebungsvertrag. Solche Verträge sind oftmals nachteilig. Wird keine Einigung gefunden, versuchen manche Arbeitgeber, aufgrund angeblicher verhaltensbedingter Verstöße, eine Kündigung dennoch durchzusetzen.
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Einzelne Kündigung meist keine betriebsbedingte Kündigung
Eine betriebsbedingte Kündigung können Arbeitgeber nur schwer nachweisen. Vor allem dann nicht, wenn es sich nur um. einen Arbeitsplatz handelt, der betroffen ist.
Betriebsbedingte Kündigung können nur dann ausgesprochen werden, wenn der Betrieb zum Beispiel in eine wirtschaftlich schiefe Lage gerät. Aber auch dann ist der Arbeitgeber vielen Regularieren unterworfen. Lesen Sie dazu: Anspruch auf Abfindung bei der betriebsbedingten Kündigung
Abmahnungen sollen Fehlverhalten des Arbeitnehmers beweisen
Wird also ein solcher Aufhebungsvertrag nicht geschlossen, lassen sich viele Arbeitgeber dazu hinreißen, dem Arbeitnehmer mit Abmahnungen vermeintlich nachzuweisen, dass dieser gegen den geschlossenen Arbeitsvertrag verstößt. Dann so könne eine “Verhaltensbedingte Kündigung” später nachgewiesen sein, so die Annahme.
“Eine ordentliche verhaltensbedingte Kündigung eines Arbeitnehmers ist nur dann zulässig, wenn dem Mitarbeiter ein wiederholter Pflichtverstoss nachgewiesen werden kann, der bereits in der Vergangenheit schon einmal zur Abmahnung kam”, erklärt der Rechtsanwalt Christian Lange aus Hannover.
Vor einer Kündigung muss eine Abmahnung erfolgen
Das bedeutet, der Arbeitgeber muss nachweisen, dass der Mitarbeiter schon einmal einen gleichen Verstoß beging und dafür abgemahnt wurde.
Der Arbeitgeber könne so vor einem Arbeitsgericht “beweisen”, dass er statt einer Kündigung, bereits eine milderes Mittel, nämlich eine Abmahnung, angewandt hätte.
Wenn nämlich der Arbeitgeber bereits eine Abmahnung aussprach und der Arbeitnehmer erneut gegen den gleichen oder ähnlichen Abmahnungsgrund verstößt, ist eine erneute Abmahnung nicht erfolgsversprechend. Dann kann der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer aus verhaltensbedingten Gründen kündigen.
Andersherum werden ordentliche, verhaltensbedingte Kündigungen vor dem Arbeitsgericht fast immer kassiert, wenn nicht zuvor eine Abmahnung aufgrund eines Pflichtverstoßes erfolgte.
Sind Abmahnwellen zulässig?
“Die Arbeitgeber wissen darum. Deshalb fangen viele Arbeitgeber an, den unbeliebten Mitarbeiter mit zwei, drei und sogar fünf Abmahnungen zu überhäufen, wenn ein Aufhebungsvertrag nicht geschlossen wird”, bestätigt Lange.
Die Chefs warten dann regelrecht darauf, dass der Mitarbeiter vermeintliche Pflichtverstöße begeht. Viele schaffen sogar Gelegenheiten, um Verstöße zu provozieren oder instrumentalisieren andere Kollegen, dass diese besonders auf die Arbeitsweisen des unbeliebten Mitarbeiters achten.
Vor einem Arbeitsgericht wird es dann schwierig nachzuweisen, dass die Pflichtverstöße beispielsweise provoziert wurden. Denn jede Abmahnung ist zunächst erst einmal zulässig. Auch dann, wenn es sich um Vielzahl von Abmahnungen handelt.
Auch wenn der Arbeitgeber 5, 10 oder sogar 20 Jahre während des Beschäftigungsverhältnis keine Abmahnung ausgesprach und auf einmal eine regelrechte Abmahnwelle folgt, ist dies zunächst kein Indiz dafür, dass die Abmahnungen arbeitsrechtlich unbegründet seien.
“In aller Regel nach kann einem Arbeitgeber nicht nachgewiesen werden, dass die Abmahnwelle ein Indiz ist, dass hier Rechtsmissbrauch stattfindet”, so Lange. Aus diesem Grund müssen die Gründe für jede Abmahnung genau geprüft sein.
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Die Abmahnungsgründe prüfen
“Es kommt also nicht auf die Abmahnwelle an, sondern ob der erhobene Vorwurf jeder einzelnen Abmahnung gerechtfertigt ist”, so Lange. Zudem muss geprüft werden, “ob der Vorwurf in der Abmahnung ausreichend und klar beschrieben ist. Das ist oftmals nicht der Fall”, so der Anwalt.
Ein Anwalt muss nunmehr mit dem Betroffenen genau prüfen, ob die verhaltensbedingte Kündigung gerechtfertigt ist. Es muss zum Beispiel geklärt sein, wann ein Verstoß tatsächlich ein Wiederholungsfall darstellt oder eigentlich nur ein anders umschriebener, den selben Vorwurf einer vorangegangen Abmahnung, beschreibt.
Einem häufigen Irrtum erliegen Arbeitgeber, wenn sie meinen, nach der 2. Abmahnung könne der Arbeitnehmer pauschal gekündigt werden.
Ein Beispiel: Ein Arbeitnehmer telefoniert mit seinem Diensthandy auch privat. Hierfür wurde der Arbeitnehmer aufgrund von Zweckentfremdung betrieblicher Einrichtungen abgemahnt. 3 Wochen später kommt der Arbeitnehmer zu spät zur Arbeit. Es folgt eine Abmahnung aufgrund eines Arbeitszeitverstoßes.
Der Arbeitgeber kündigt daraufhin dem Arbeitnehmer, da er glaubt, 2 Abmahnungen reichen aus, um eine verhaltensbedingte Kündigung zu rechtfertigen. Eine Kündigungsschutzklage hätte sehr wahrscheinlich Erfolg und für den Gekündigten könnte eine Abfindung erwirkt werden.
Welche Abmahnungen können einem Pflichtverstoß zugeordnet werden?
- Der Arbeitnehmer erscheint zu spät zur Arbeit. An einem anderen Tag überzieht der Mitarbeiter seine Pause.
- Der Angestellte telefoniert mit dem Diensttelefon privat. Ein Wiederholungsfall ist gegeben, wenn der Mitarbeiter mit seinem Dienstcomputer privat Seiten besucht, die nicht zu seinem Aufgabenbereich gehören
- Der Abgemahnte beleidigte einen Kollegen. Ein Wiederholungsfall liegt vor, wenn auch der Vorgesetzte beleidigt wurde bzw. es sogar zu Tätlichkeiten kam
- Der Mitarbeiter beschädigte ein Arbeitsgerät wegen unsachgemäßer Handhabung. Die Kündigung ist gerechtfertigt, wenn der Mitarbeiter später ein anderes Gerät oder Werkstück beschädigt.
Wann liegt zum Beispiel kein wiederholter Pflichtverstoß vor, obwohl es den Anschein hat?
- Arbeitnehmer bekam eine Abmahnung, weil in der Krankmeldung unrichtige Angaben zur Dauer der Arbeitsunfähigkeit enthalten waren. Der Mitarbeiter hat seine Krankmeldung erst verspätet abgegeben. Hier liegt kein gleicher/ähnlicher Pflichtverstoß vor, da die erste Abmahnung den Inhalt der Krankmeldung betraf und nicht einer verspäteten Abgabe (AZ: 6 Sa 1239/09)
Spricht also der Chef eine verhaltensbedingte Kündigung aus, wird sich demnach zeigen, ob diese tatsächlich wirksam ist.
Wann sind Abmahnungen formell unwirksam
Viele Abmahnungen können auch formell unwirksam sein. Unwirksam wird die Abmahnung, wenn z.B. im Tarifvertrag festgelegt ist, dass zuvor eine Anhörung zu den Verstößen hätte stattfinden müssen, diese jedoch ausblieb.
Unwirksam ist auch die Abmahnung, wenn gleichzeitig mehrere vermeintliche Verstöße aufgelistet sind, einige jedoch falsch bzw. unwahr sind. Dann muss die Abmahnung mitsamt aller Vorwürfe aus der Personalakte entfernt werden.
Wenn der Abmahnungsgrund nicht der Wahrheit entspricht
Der Arbeitgeber kann bei einem weiteren ähnlichem Verhaltensverstoß auch nur dann kündigen, wenn der erste Vorwurf tatsächlich keinen Fehler enthielt. Zum Beispiel, wenn der Betroffene wegen Fernbleiben der Arbeit abgemahnt wird, jedoch krankgeschrieben war.
Wurde bei einer Kündigung der Betriebsrat nach § 102 Abs. 1 des Betriebsverfassungsgesetzes (BetrVG) nicht angehört, ist die Kündigung ebenfalls unwirksam. Der Arbeitgeber muss nämlich dem Betriebsrat erläutern, warum die Kündigung ausgesprochen wird.
Zusammengefasst ist das Arbeitsrecht in Deutschland sehr Arbeitnehmerfreundlich. Es müssen für eine Kündigung strikte Regeln eingehalten sein. “Aus unserer Erfahrung wissen wir, dass viele Arbeitgeber diese Regeln nur unzureichend kennen”, betont der Anwalt.
Oft kann eine Abfindung erwirkt werden
Es lohnt sich daher in den meisten Fällen gegen eine Kündigung vorzugehen, um entweder eine Wiedereinstellung zu erreichen oder eine Abfindung zu erwirken. Da allerdings in fast allen Fällen das Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer zerrüttet ist, sind Abfindungen für beide Seite oftmals der bessere Ausweg.
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