Jobcenter-Mitarbeiter schnüffeln Bürgergeld-Beziehern im Internet nach

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Immer wieder kommt es zu Berichten und Beschwerden über Jobcenter, die im Internet Informationen über ihre “Kunden” sammeln, um mögliche Verstöße gegen Leistungsauflagen zu prüfen.

Dies wirft unweigerlich die Frage auf: Dürfen Jobcenter gezielt und systematisch das Netz durchstöbern, um Informationen über Bürgergeld-Leistungsberechtigte zu finden?

Saskia D., die aus Angst vor Konsequenzen des Jobcenters nicht ihren richtigen Namen nennen will, berichtet unserer Reaktion: “Meine Sachbearbeiterin sagte bei einem Termin in der Behörde: Sie sind ja sehr aktiv im Internet. Daraufhin fragte ich, woher wissen Sie das? Daraufhin lächelte sie nur und meinte, wir wissen mehr als Sie denken”.

Ist das nur ein Einzelfall einer “sehr engagierten” Sachbearbeiterin eines Jobcenters?

Eine Recherche des „Correctiv Netzwerkes“ ergab bereits vor einigen Jahren, dass Jobcenter regelmäßig im Internet nach Informationen über Leistungsempfänger suchen.

In sozialen Medien, auf Ebay oder sogar auf privaten Webseiten von Betroffenen wird überprüft, ob Hinweise auf eine (möglicherweise verschleierte) selbstständige Tätigkeit vorliegen.

Auch wenn die Bundesagentur für Arbeit das systematische „Schnüffeln“ offiziell dementiert, werden immer wieder Fälle bekannt, in denen Jobcenter-Mitarbeiter anhand solcher Informationen Bürgergeld-Leistungen gekürzt oder ganz gestrichen haben. Insbesondere wenn Hinweise auf eine mögliche Erwerbstätigkeit entdeckt werden, fordern Jobcenter oft eine Offenlegung der Einkommensverhältnisse.

Welche rechtlichen Grundlagen gelten für Jobcenter bei Internetrecherchen?

Das Sozialgesetzbuch (SGB X) regelt den Umgang mit personenbezogenen Daten und setzt dabei enge Grenzen. Nach § 67 Abs. 2 Satz 1 SGB X dürfen personenbezogene Daten nur dann erhoben werden, wenn dies gesetzlich erlaubt ist oder der Betroffene selbst aktiv an der Datenerhebung beteiligt ist.

Das bedeutet: Eine Recherche im Internet über einen Leistungsempfänger ist grundsätzlich unzulässig, wenn diese ohne Kenntnis oder Zustimmung der betroffenen Person erfolgt. Diese Vorschrift ist als „Ersterhebungsgrundsatz“ bekannt und schützt die Privatsphäre der Betroffenen.

Wann liegt ein „Zufallsfund“ vor?

Eine Ausnahme stellt der sogenannte „Zufallsfund“ dar, ein Begriff, der für den Datenschutz in Deutschland von Bedeutung ist. Ein Zufallsfund wäre gegeben, wenn eine Information zufällig gefunden wird – etwa, wenn ein Jobcenter-Mitarbeiter in seiner Freizeit eine Webseite besucht und dabei auf Inhalte stößt, die für seine berufliche Tätigkeit relevant sind.

Der Datenschutzbeauftragte argumentiert jedoch, dass gezielte Suchen nach Namen von Leistungsempfängern in Suchmaschinen keine Zufallsfunde darstellen, da der Mitarbeiter gezielt Informationen sucht. Diese gezielten Recherchen werden nicht als rechtmäßig angesehen und könnten als Missbrauch der Recherchewerkzeuge gewertet werden.

Was sagt die Datenschutzbehörde zur Schnüffelei der Jobcenter?

Die Bundesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit (BfDI) betont in ihrem Tätigkeitsbericht, dass Jobcenter Recherchen im Internet nur ausnahmsweise und gezielt vornehmen dürfen, wenn klare Anhaltspunkte für Missbrauch vorliegen. Die Behörde sieht die Authentizität von Social-Media-Daten generell kritisch.

Ein Profil kann veraltet sein oder bewusst falsche Informationen enthalten, weshalb solche Recherchen kaum eine verlässliche Grundlage für Leistungsentscheidungen darstellen. Der BfDI betont, dass ein „pauschaler Abgleich“ der Daten ohne konkreten Verdacht unzulässig sei.

Welche rechtlichen Schutzmöglichkeiten haben Betroffene?

Betroffene, die sich von unzulässigen Recherchen der Jobcenter betroffen fühlen, haben prinzipiell die Möglichkeit, sich an die Datenschutzbehörde zu wenden. Der BfDI bietet an, einzelnen Fällen nachzugehen, wenn der Verdacht auf unzulässige Datenverarbeitung besteht.

Allerdings setzt dies eine eigenständige Initiative der Betroffenen voraus. Der rechtliche Schutz greift somit erst, nachdem die verdächtigende Handlung bereits geschehen ist. Das bedeutet, dass Betroffene zunächst in der Beweispflicht sind, ihre Unschuld zu beweisen und ihre finanzielle Existenz nicht gefährdet zu sehen.

Im Fall von Saskia D. folgten keine Konsequenzen, denn sie hatte sich im Sinne des Sozialrechts nichts zu Schulden kommen lassen. Das einzige was sie tat, ist die Arbeit der Jobcenter öffentlich kritisch zu kommentieren. Das war auch der anzunehmende Grund, weshalb die Sachbearbeiterin sie auf ihre Aktivitäten im Netz ansprach.

“Ein komisches Gefühl bleibt”, sagt sie. “Ich habe nun das Gefühl, dass die Sachbearbeiterin vielleicht aus Rache, weil ich Bürgergeld-Gesetze oder die Jobcenter  kritisiere, schärfer gegen mich vorgeht oder vielleicht zustehende Leistungen nicht bewilligt.”