Bürgergeld: Wichtige Frist läuft zum Jahresende ab

Lesedauer 4 Minuten

Eine wichtige Frist läuft ab! Überprüfungsanträge, die bis zum 31.12.2023 um 23:59 Uhr eingehen, wirken noch bis zum 1. Januar 2019 zurück. Beim Jobcenter/Sozialamt führen Überprüfungsanträge, die bis zum 31.12. um 23:59 Uhr eingehen, noch zu Nachzahlungen bis zum 1. Januar 2022, eine Minute später nur noch bis zum 1. Januar 2023. Beim Wohngeld bis zum 1. Januar 2022.

Wer Sozialhilfe oder Bürgergeld Leistungen bezieht (oder bezogen hat) und nicht alle seine Rechte kannte oder erst jetzt merkt, dass sein Bescheid falsch war, hat jetzt vielleicht die letzte Chance auf eine Nachzahlung.

Warum sollte ein Überprüfungsantrag gestellt werden?

Fast jeder zweite Bürgergeld Bescheid enthält Fehler. Oftmals zu Ungunsten der Leistungsberechtigten. Um einen Überprüfungsantrag für 2022 zu stellen, um möglicherweise vorenthaltene Leistungen einzufordern, sollte dieser noch im Monat Dezember gestellt werden.

Häufig werden z.B. die Unterkunftskosten falsch berechnet. Oder ein zustehender Mehrbedarf wurde nicht berücksichtigt. Ist der Bescheid fehlerhaft, wird er nach einer gewissen Zeit trotzdem wirksam. Um Änderungen zu beantragen, müssen bestimmte Fristen eingehalten werden. Sind diese verstrichen, gilt der Bescheid unabhängig davon, ob er falsch oder richtig ist.

Was ist ein Überprüfungsantrag?

Wenn ein Überprüfungsantrag nach §44 SGB X gestellt wird, muss das Jobcenter seinen Verwaltungsakt noch einmal auf seine Recht- und Zweckmäßigkeit überprüfen, genauso wie beim Widerspruch.

WICHTIG: Es zählt der Zeitpunkt des Antragseingangs beim Amt.

Überprüfunganträge können gegen Verwaltungsakte eingelegt werden. Was das ist, kann hier in einem Twitter-Thread zum Widerspruch nachgelesen werden. Der Überprüfungsantrag wird verwendet, wenn die Widerspruchsfrist abgelaufen ist, auch wann das der Fall ist, ist im verlinkten Thread beschrieben.

Der Überprüfungsantrag muss durch denjenigen eingelegt werden (oder seinen rechtlichen Vertreter/Bevollmächtigten) an den sich der Verwaltungsakt richtet. Bei einem Verwaltungsakt, der sich an alle in der BG richtet, reicht es, wenn ein Vertreter der BG diesen einlegt.

Ein Überprüfungsantrag muss mindestens folgendes enthalten:
1. Name und Anschrift
2. Datum des Bescheids gegen den der Widerspruch ist
3. Unterschrift

er sollte ergänzend enthalten:
4. BG-Nummer
5. Begründung (kann auch nachgereicht werden, wenn z.B. die Zeit knapp ist)

Begründung des Überprüfungsantrags

Die Begründung ist keine Pflicht, aber sinnvoll.
Das Jobcenter/Sozialamt prüft sonst ohne sich besondere Mühe zu geben, ob irgendein offensichtlicher Fehler gemacht wurde. Die Begründung erklärt genauer, warum man mit der Entscheidung nicht einverstanden ist.

Die Begründung kann auf folgendem basieren:
1. Eine falsche Rechtsanwendung:
Es können Formalia nicht eingehalten worden sein (z.B. Frist abgelaufen) oder auch in der eigentlichen Rechtsanwendung falsch sein (z.B. Verstoß gegen die höchstrichterliche Rechtssprechung).

2. Einem falsch angenommenen Sachverhalt:
Wenn die Behörde falsche Annahmen getroffen hat, die für die Entscheidung wichtig waren, muss sie anhand der korrekten Situation neu entscheiden.

Für den korrekte Sachverhalt können auch neue Fakten und Nachweise vorgelegt werden.

Fristen des Überprüfungsantrags

Ein Überprüfungantrag kann nach §44 Abs4 SGB X für bis zu 4 Jahre vor dem Jahr des EINGANGS des Überprüfungsantrags gestellt werden.

Beispiel: Überprüfungsanträge sind bis 31.12.2023 noch bis 01/2019 möglich.
2023: Jahr des Überprüfungsantrags
2022-2019: die 4 Jahre.
Somit wären noch Nachzahlungen aus 01/22 möglich.

Fristen für Nachzahlungen bei Jobcenter und Sozialamt

Leider gibt es in §40 Abs1 SGB II/§116a SGB XII eine Beschränkung von Nachzahlungen auf das Kalenderjahr vor Stellung des Überprüfungsantrags. Aktuell ist beim Jobcenter/Sozialamt daher eine Nachzahlung bis 01/21 möglich.

Daher liest man online immer wieder eine Überprüfung wäre nur in dieser Frist möglich. Diese Ansicht ist auch im Jobcenter und Sozialamt weit verbreitet. Die Ansicht ist aber nicht korrekt.

Es ist nur die Frist für Nachzahlungen verkürzt, nicht für die Überprüfung.

Fristen für Nachzahlungen bei Wohngeld und Kinderzuschlag

Beim Wohngeld sieht es etwas anders aus, dort gilt eine Frist für Nachzahlungen von 2 Jahren ab Rücknahme nach §31 Abs2 WoGG.

Beim Kinderzuschlag gibt es keine einschränkende Regelung, daher ist dort sogar noch eine Nachzahlung von 01/2019 denkbar.

Überprüfungsanträge gegen Aufhebungs- und Erstattungsbescheide – 4 Jahre

Dass nur die Frist für Nachzahlungen, aber nicht für die Überprüfung bei Bürgergeld, Grundsicherung und Wohngeld verkürzt ist, ist wichtig, weil man nicht mit jedem Überprüfungsantrag direkt eine Nachzahlung erreichen will.

Es besteht schließlich auch ein großes Interesse, einen falschen Aufhebungs- und Erstattungsbescheid überprüfen zu lassen.

Durch die Überprüfung des Aufhebungs- und Erstattungsbescheids, die in der “normalen” Frist von 4 Jahren möglich ist, kann:

1. eine weitere Aufrechnung verhindert werden, aber
2. auch eine Auszahlung bereits aufgerechneter Beträge ereicht werden.

Da es sich nicht um eine Nachzahlung handelt, wären sogar 2019 aufgerechnete Beträge auszuzahlen.

Die Summen wurden bereits in eine Forderung gegen den Leistungsberechtigten ausgezahlt. Es ist daher keine Nachzahlung. Entfällt die Forderung, ist das Guthaben auszuzahlen.

Das hat das BSG mit Urteil vom 13. Februar 2014, B 4 AS 19/13 so entschieden.

Fazit zu den Fristen

Folglich machen Überprüfungsanträge bis Januar des Vorjahres Sinn, die Nachzahlungen von Leistungen bewirken sollen. Und es machen Überprüfungsanträge gegen Aufhebungs- und Erstattungsbescheide bis zum Januar 5 Jahre vor dem Überprüfungsantrag Sinn.

Formulierungvorschlag Überprüfungsantrag:

Überprüfungsantrag
BG-Nr:

Sehr geehrte Damen und Herren,

hiermit beantrage ich die Überprüfung des Bescheids vom xx.yy.zzzz nach §44 SGB X bezüglich …

Begründung:
(je nach Fehler)

Mit freundlichen Grüßen
Unterschrift

Hier nochmal ganz deutlich:
Es gilt NICHT, wann ihr den Antrag abschickt, sondern wann er im Amt eingeht.

Ich empfehle daher die Nutzung eine persönliche Abgabe mit Eingangsbestätigung oder ein Fax mit Sendenachweis (zB. kostenlos online mit dem Faxservice von PDF24).

Rechtsgrundlagen

§44 SGB X – Grundlage des Überprüfungsantrags
§40 Abs1 Nr2 SGB II – Verkürzung der Nachzahlungsfrist Jobcenter
§116a SGB XII – Verkürzung der Nachzahlungsfrist Sozialamt
BSG vom 13. Februar 2014, B 4 AS 19/13 – Anwendung auf Aufhebungs- und Erstattungsbescheide und Auszahlung widerrechtlich aufgerechneter Leistungen
§31 WoGG – 2 Jahre Nachzahlung im Wohngeld

Twitter

Meine hier veröffentlichten Artikel findet ihr (ähnlich) auch bei Twitter. Zum Abschluss noch der Link zum Twitter-Thread für Rückfragen, Ergänzungen oder alles was ihr sonst dazu sagen wollt – natürlich auch gerne zum Retweeten: hier

Ist das Bürgergeld besser als Hartz IV?

Wird geladen ... Wird geladen ...