Hartz IV Ratgeber: Arbeitslos nach der Ausbildung

Lesedauer 4 Minuten

Nach der Ausbildung ALG I oder ALG II beantragen. Was steht einem nach der Ausbildung zu, wenn man keine Arbeit findet? Dieser kleine Ratgeber soll erste Antworten geben.

Arbeitslosigkeit ist kein persönliches Versagen. »Wer arbeiten will, der findet auch Arbeit« – dieser Spruch hat noch nie gestimmt. Ehrlich gerechnet fehlen hierzulande 4,8 Millionen Arbeitsplätze. Arbeitslosigkeit ist kein individuelles sondern ein gesellschaftliches
Problem.

Selbst eine erfolgreich abgeschlossene Ausbildung ist keine Garantie dafür, auch übernommen zu werden oder sofort bei einem anderen Arbeitgeber eingestellt zu werden. Gerade die »zweite Schwelle«, der Übergang von der Ausbildung in den Berufseinstieg, stellt oftmals eine hohe Hürde dar. Einige Arbeitgeber hätten am Liebsten junge, flexible und dynamische Arbeitnehmer – mit sehr vielen Jahren Berufserfahrung. Ein Irrsinn… Zuletzt waren 363.000 junge Erwachsene unter 25 Jahren arbeitslos gemeldet. Dieser "Hartz IV Ratgeber" ist eine „erste Hilfe“ falls Du nach der Ausbildung zunächst arbeitslos wirst. Und wir wollen Dich ermutigen, Dich weiter zu informieren: Denn wenn Du Deine Rechte und Pflichten gut kennst, dann kannst Du Dir zustehende Leistungen besser bei der Arbeitsagentur (AA) – so heißen die ehemaligen Arbeitsämter heute – durchsetzen und Fallstricke vermeiden.

Mein Anspruch auf ALG I: Was kann ich erwarten ?
Für Auszubildende gelten dieselben Spielregeln wie für alle anderen Arbeitnehmer auch, die arbeitslos werden. Und genau das ist das Problem. Denn das Arbeitslosengeld (ALG) I richtet sich nach dem letzten Verdienst und ein ALG I, berechnet von der Ausbildungsvergütung, ist sehr niedrig.

Wer bekommt ALG I ?
Du musst in den letzten zwei Jahren mindestens 12 Monate versicherungspflichtig beschäftigt gewesen sein. Diese Hürde meisterst Du, denn die betrieblichen Ausbildung ist ja auch eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung.

Wie viel ?
60 Prozent (mit Kind: 67 Prozent) von Deinem durchschnittlichen Nettoverdienst aus den letzten 12 Monaten. Die Arbeitsagentur
(AA) berücksichtigt beim Umrechnen von »brutto « auf »netto« allerdings nicht Deine individuellen Abzüge sondern rechnet pauschal mit einem Arbeitnehmer- Beitrag zur Sozialversicherung von 21%.

Wie lange ?
Nach einer zweijährigen oder längeren Ausbildung hast Du einen Anspruch auf 12 Monate ALG I. Nur ältere Arbeitslose ab 50 Jahren können auch länger als ein Jahr ALG I beziehen.

Wichtig: Persönlich arbeitslos melden
Du solltest Dich spätestens am ersten Tag, an dem Du arbeitslos bist, auch persönlich arbeitslos melden (ohne Meldung gibt es kein ALG I). Früher ist aber besser: Damit Dein Antrag rechtzeitig bearbeitet werden kann und Du frühzeitig mit deinem Vermittler über mögliche Hilfen der AA sprechen kannst. Die Meldung ist schon drei Monate vor dem Beginn der Arbeitslosigkeit möglich.
Die zusätzliche Pflicht, sich frühzeitig arbeitsuchend melden zu müssen, gilt nicht bei einer betrieblichen Ausbildung sondern nur bei einer außerbetrieblichen Ausbildung.

Wohngeld plus Nebenjob oder ALG II
Nach einer Ausbildung im Einzelhandel in Sachsen (Tarif: 694 Euro brutto/3. Jahr) beträgt das ALG I 325 Euro, nach einer in der Metall- und Elektroindustrie in NRW (Tarif: 826 Euro/3. Jahr; 898 Euro/4. Jahr) sind es 403 Euro. Diese Beispiele zeigen, dass man vom ALG I alleine nicht leben kann.

Wenn Du bereits eine eigene Wohnung (oder WG-Zimmer) hast, dann kannst Du in aller Regel zusätzlich noch Wohngeld bekommen. Die Höhe hängt u.a. von der Höhe Deines ALG I und Deiner Miete ab. Bei dem Beispiel mit 325 Euro ALG I (und einer Bruttokaltmiete
von 250 Euro) ist ein Wohngeld von rund 150 Euro realistisch.

Bezieher von ALG I dürfen monatlich bis zu 165 Euro anrechnungsfrei dazu verdienen. Wenn Du einen solchen Nebenjob ergattern kannst, dann ist es vielleicht möglich, so gerade über die Runden zu kommen (ALG I plus Wohngeld plus Nebenverdienst). Ansonsten wird Dir nichts anderes übrig bleiben, als zusätzlich Arbeitslosengeld II (Hartz IV) zu beantragen. Da das ALG I nach einer Ausbildung so niedrig ist, besteht im Regelfall ein Rechtsanspruch auf "aufstokkendes ALG II".

Für Alleinstehende beträgt das ALG II 351 Euro plus die Miet- und Heizkosten, soweit diese angemessen sind. Der Gesamtanspruch liegt im Westen im Schnitt bei 690 Euro, im Osten bei 635 Euro. »Aufstockendes« ALG II bedeutet, dass Dir die Differenz zwischen Deinem ALG I und dem, was Dir an ALG II zusteht, zusätzlich ausbezahlt wird.

Wenn Du unter 25 Jahre alt bist und noch zu hause bei Deinen Eltern wohnst oder verheiratet bist bzw. in einer »eheähnlichen« Partnerschaft lebst, dann wird auch das Einkommen und Vermögen der Eltern bzw. des Partners/der Partnerin geprüft. Oftmals besteht dann kein Anspruch auf ALG II mehr.

Besondere »Eingliederungshilfen«1 für unter 25-Jährige
Arbeitgeber können einen Zuschuss von bis zu 500 Euro monatlich erhalten, wenn sie einen unter 25-Jährigen einstellen, der mindestens sechs Monate arbeitslos war (Eingliederungszuschuss nach § 421p SGB III). Es kann sinnvoll sein, bei eigenen Bewerbungen oder im Vorstellungsgespräch auf diese Förderung hinzuweisen. Das solltest Du vorab mit Deinem Vermittler abklären!

– Wenn Du bereits ausbildungsbegleitende Hilfen (abH, z.B. Stütz- und Nachhilfeunterricht, sozialpädagogische Hilfen) bekommen hast, dann können diese sechs Monate über das Ende der Ausbildung hinaus fortgeführt werden (Übergangshilfen nach § 241 Abs. 3 SGB III).

– Ähnliche Hilfen sind auch erstmalig als „Starthilfe“ bei Aufnahme einer Arbeit möglich (Beschäftigung begleitende Eingliederungshilfen nach § 246a-d SGB III).

Hilfen unabhängig vom Alter
Daneben gibt es eine Vielzahl von (Qualifizierungs) Maßnahmen und »Eingliederungshilfen«, die nicht an ein bestimmtes Alter geknüpft sind und somit auch für junge Erwachsene in Frage kommen. Diese Maßnahmen sind mehr oder minder hilfreich und von sehr unterschiedlicher Qualität. Einige – insbesondere solche für ALG-II-Bezieher – haben eher »abstrafenden« als »helfenden« Charakter.

Bescheid wissen solltest Du über die finanziellen Hilfen bei der Arbeitsuche: So kann das AA Dir beispielsweise Kosten für Bewerbungen oder Fahrtkosten (für Vorstellungsgespräche) erstatten. Dabei gilt die Grundregel: Die Leistungen müssen beantragt werden, bevor die Kosten anfallen! (Zum Jahresbeginn 2009 ist eine Gesetzesänderung zu allen Maßnahmen und Hilfen der AA geplant. Es ist aber davon auszugehen, dass es die genannten Hilfen – ggf. in veränderter Form – im Prinzip weiterhin geben wird.)

Nebenjob bei Arbeitslosigkeit
Arbeitslose dürfen einen angemeldeten Nebenjob haben. Aber Vorsicht: Die wöchentliche Arbeitszeit darf höchstens 14 Std. und 59 Minuten betragen. Wer 15 Stunden und mehr arbeitet gilt nicht mehr als arbeitslos und erhält kein ALG I mehr. Maßgebend ist nicht die Kalenderwoche (Mo.-So.), sondern die „Beschäftigungswoche“: Wenn Du einen Nebenjob an einem Mittwoch anfängst, musst du darauf achten, jeweils von Mittwoch bis zum nächsten Dienstag unter der 15-Std.-Grenze zu bleiben. (aus Förderverein gewerkschaftliche Arbeitslosenarbeit e.V., Koordinierungsstelle (KOS), Text: Martin Künkler, 23.09.2008)

Hilfe, Fragen und Antworten auch im ALG II Forum.

Ist das Bürgergeld besser als Hartz IV?

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