Hartz IV: Kinder sollen aus der Statistik

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hartz: Statistische Bereinigung: Wie Kinder aus dem ALG II verschwinden

In jüngster Zeit hat das Jobcenter Hildesheim zahlreiche Empfänger von Arbeitslosengeld II (ALG II) aufgefordert, für ihre Kinder Wohngeld zu beantragen. ALG-II-Bezieher sind jedoch gesetzlich vom Wohngeldbezug ausgeschlossen. Das gilt eigentlich ebenso für im Haushalt lebende Kinder und junge Menschen bis 25 Jahren, da sie Mitglieder einer Bedarfsgemeinschaft sind.

Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) unterstützt diese Praxis und argumentiert, dass Kinder immer dann doch wohngeldberechtigt seien, wenn sie mithilfe des Wohngelds ihren Lebensunterhalt selbst bestreiten können, da sie in diesem Falle kein Mitglied der Bedarfsgemeinschaft mehr seien. Wohngeld gilt – wie Kindergeld, Unterhaltsleistungen, Renten, etc. – als Einkommen. Reicht das Wohngeld nicht zur Sicherung des gesamten Lebensunterhaltes, sind auch Kinder aus Bedarfsgemeinschaften nicht anspruchsberechtigt.

In der mündlichen Ausschussberatung am 28 Mai kündigte der anwesende Staatssekretär des BMAS eine klarstellende Information für die Träger der Grundsicherung und die Länder an. Ziel des Vorgehens sei es, Kinder aus der Armut zu holen. Erwachsene Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft würden aber weiterhin bei eigenem Einkommen als in einer Einstehensgemeinschaft befindlich betrachtet werden. Die Betrachtung von Kindern stelle eine "Ausnahme" von diesem Prinzip dar (mit dem oben genannten Ziel).

Diese Maßnahme hat vor allen Dingen zwei Effekte:
– Die Kosten für die passiven Leistungen in der Grundsicherung für Arbeitssuchende sinken, während die Ausgaben für das Wohngeld steigen.

– Kinder, die ihren Unterhalt selbst bestreiten, gelten nicht mehr als Mitglied der Bedarfsgemeinschaft und werden in der Folge nicht mehr in der Statistik der Grundsicherung für Arbeitssuchende geführt. Die Zahl der von ALG II lebenden Kinder sinkt. Die Kinder aber leben weiter in ihren Familien unter den Bedingungen des Arbeitslosengelds II. Das Prinzip „Hilfe aus einer Hand“, das für das SGB II konstitutiv ist, wird aufgelöst.

Bewertung
Es drängt sich auf, dass es sich bei diesem Vorgehen vorrangig um eine „statistische Bearbeitung“ der Kinderarmut handelt. Die Kinder werden durch den Bezug von Wohngeld aber nicht aus der Armut geholt, sondern nur einer anderen Kostenstelle zugeordnet. An ihren Lebensverhältnissen ändert sich kein Deut. Kinderarmut muss tatsächlich bekämpft und nicht statistisch bereinigt werden. Für das Bundesministerium für Arbeit und Soziales angenehmer Nebeneffekt dieser Maßnahme: Die durch die Verlagerung von Kosten sinkenden Ausgaben für die Grundsicherung für Arbeitssuchende kann die Kritiker der Union ruhigstellen, die das BMAS seit geraumer Zeit wegen zu hoher Kosten für die passiven Leistungen angehen. (Brigitte Pothmer, arbeitsmarktpolitische Sprecherin, B90/Die Grünen- 30.06.2008)

Ist das Bürgergeld besser als Hartz IV?

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