Hartz IV: Eingliederungsvereinbarung für sich zum Vorteil nutzen

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Die Eingliederungsvereinbarung bei Hartz IV kann auch nützlich sein

Mit der Eingliederungsvereinbarung (EGV, §15 SGB II) versuchen Jobcenter oftmals Hartz IV Beziehende unter Druck zu setzen. Aber wer sich wehrt, kann die Eingliederungsvereinbarung auch für sich nutzen. Wichtig ist, dass nicht gleich alles unterschrieben wird, was das Jobcenter vorlegt.

Eigentlich etwas gutes

Die Eingliederungsvereinbarung (EGV, §15 SGB II) ist eigentlich etwas Gutes, denn niemand weiß besser, was nötig ist, um aus Hartz IV wieder herauszukommen, als Sie selbst. Das ist das eigentliche Ziel einer EGV. Seien Sie daher immer bereit, eine solche zu schließen. Nur nicht unbedingt die, die man Ihnen vorlegt. Eine EGV ist ein zweiseitiger öffentlich- rechtlicher Vertrag, der geschlossen werden soll, um ohne Zwangsverwaltungsakt auszukommen.

Gehen Sie daher zu solchen Terminen unbedingt hin. Überlegen Sie sich aber bitte vorher, was Sie an Unterstützungsmaß- nahmen tatsächlich benötigen (spezielle Softwarekenntnisse, ein bestimmtes Zertifikat, aber auch Gründungskosten für Ihre Selbstständigkeit) oder welche sonstigen Anliegen Sie haben (zum Beispiel eine – ärztlich verordnete – Pause bei zeitweiser Erwerbsunfähigkeit), und teilen Sie dies Ihrem Arbeitsvermittler oder Ihrer Arbeitsvermittlerin mit. Ziel muss sein, in einem festgelegten Zeitraum einen Maßnahmeplan zu erstellen,
der Sie aus Hartz IV wieder herausführt.

Niemals gleich unterschreiben

Dieses Ziel ist der erste Teil der EGV. Es folgen die Teile zwei (Was tut das Jobcenter dafür?) und drei (Was tun Sie dafür?), und Sie haben eine echte EGV geschlossen, die Ihnen wieder eine Perspektive aufzeigt.

Soweit die Theorie. Sich wehren heißt hier, diese Theorie in die Praxis umzusetzen. Daher: Niemals eine EGV einfach so, zwischen Tür und Angel, auf dem Flur des Jobcenters oder nach zwei Minuten unterzeichnen. Freundlich das Papier einpacken und mitteilen, dass Sie 24 Stunden Bedenkzeit benötigen. Diese nutzen, um eine Sozialberatung oder Ähnliches aufzusuchen und sich allerspätestens jetzt überlegen: Ist das das, was Sie wollen und wozu Sie sich auch verpflichten wollen? Wenn ja – gut. Wenn nicht – Änderungsvorschläge unterbreiten (schriftlich oder im Gespräch). Ihre geänderte Fassung der EGV unterzeichnen und schauen, wie der Arbeitsvermittler reagiert – es ist ein zweiseitiger Vertrag mit Angebot und Annahme. Eine einmal geleistete Unter- schrift können Sie später nicht widerrufen. Wenn Sie sich später weigern, eine in der EGV festgelegte Pflicht zu erfüllen, können Sie dafür eine Sanktion erhalten (§§ 31 Abs.1 S.1 Nr.1, 31 a SGB II).

Sie werden überrascht sein, wie oft sich Einvernehmen herstellen lässt, denn auch das Jobcenter hat ein Interesse daran, Sie als »Kundin« oder »Kunden« loszuwerden. Dies ist sogar seine gesetzliche Aufgabe.

Sollten Sie dennoch so nicht weiterkommen und Ihnen stattdessen ein »Ersatz der Eingliederungsvereinbarung per Verwaltungsakt« zugestellt werden, können Sie mit obigen Überlegungen wenigs- tens dagegen Widerspruch und gegebenenfalls Klage einlegen. Gegen eine von Ihnen unterzeichnete EGV können Sie dies nicht mehr, selbst wenn Sie mit der EGV nicht einverstanden waren und nur wegen des Drucks unterzeichnet haben.

Nutzen Sie die EGVals Ihr Instrument! Vereinbaren Sie darin nur, was Sie weiterbringt! Unterschreiben Sie nur, wenn Sie mit der gesamten EGV einverstanden sind!

Möglicher Schutz vor Zwangsverrentung (§5 Abs.3 und12a SGBII)

Eine EGV schützt mitunter sogar gegen Zwangsverrentung. Zwangsverrentung ist die vorzeitige Rentenantragstellung durch das Jobcenter gegen Ihren Willen. Gerichte haben deshalb bereits entschieden, dass der zeitgleiche Abschluss einer auf Förderung gerichteten EGV eine Aufforderung, im selben Moment vorzeitig Rente zu beantragen, rechtswidrig werden lässt.

Auch ist nicht vorgeschrieben, welche Rentenart (§ 235 ff. SGB VI) zu welchem Zeitpunkt zu beantragen ist – dies kann daher auch eine Rente wegen Schwerbehinderung oder Erwerbsminderung sein, wenn bei Ihnen die gesundheitlichen Voraussetzungen hierfür vorliegen (Grad der Behinderung ab 50 oder Arbeitsfähigkeit von unter 3 Stunden täglich). Erfahrungsgemäß ist dies oft der Fall, da älteren Leistungsbeziehenden genau wegen dieser gesundheitlichen Einschränkungen der normale Arbeits- markt verschlossen ist. Lassen Sie sich bei der Gesetzlichen Rentenversicherung beraten, welche Rentenart für Sie vorteilhafter ist.

Unbillig (im Sinne der extra hierzu erfundenen sogenannten »Unbilligkeitsverordnung«) ist es auch, Sie vorzeitig in Rente zu schicken, wenn Sie dadurch in die Grundsicherung fallen. Dies ist dann der Fall, wenn 70 Prozent der erwarteten Rente weniger sind als Ihr Hartz-IV-Satz.

Die verschiedenen Gründe, die Sie vor eine Zwangsverrentung schützen können, finden Sie auch hier.

Abschließend drei Sätze zum Verfahren: Das Jobcenter darf für Sie Anträge stellen, wenn Sie auf eine Aufforderung nicht reagieren. Also reagieren Sie – siehe oben. Behalten Sie die Fäden des Verfahrens gegenüber Ihrer Rentenversicherung in der Hand. Stellen Sie Ihren Rentenantrag für Ihre Rentenart zu Ihrem Zeitpunkt. Das Jobcenter darf Sie nicht sanktionieren und Ihnen dadurch die Leistungen kürzen. Und bei einem vom Jobcenter zuvor gestellten Antrag sollten Sie versuchen, ihn selbst wieder zurückzunehmen. Wehren Sie sich gegen die Zwangsverrentung, zum Beispiel indem Sie selbst bestimmen, welche Rentenart Sie zu welchem Zeitpunkt beantragen!

Ist das Bürgergeld besser als Hartz IV?

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