Gibt es ein spezielles Deutschland-Ticket bei Schwerbehinderung? Welche Ermäßigungen gibt es für Sie als Mensch mit Schwerbehinderung, wenn Sie öffentliche Verkehrsmittel nutzen?
Inhaltsverzeichnis
Welche Unterstützung können Sie beanspruchen?
Gelten diese Vergünstigungen generell bei einem Schwerbehindertenausweis, oder müssen Sie bestimmte Merkzeichen vorweisen?
Wir zeigen, welche Vergünstigungen Menschen mit Schwerbehinderung in Anspruch nehmen können – bei Bahn und Bus, im öffentlichen Nahverkehr und im Fernverkehr.
Gibt es ein extra Deutschland-Ticket bei Schwerbehinderung?
Das Deutschland-Ticket oder 49-Euro-Ticket ist eine günstige Möglichkeit, bundesweit den öffentlichen Nahverkehr zu nutzen.
Gleich vorab: Eine spezielle Ermäßigung bei diesem Ticket gibt es für Menschen mit Schwerbehinderung nicht, – und das aus gutem Grund.
Die Betroffenen können nämlich günstiger den öffentlichen Nahverkehr nutzen, als dafür 49-Euro zu zahlen.
Für Menschen mit Schwerbehinderung gelten bei de Deutschen Bahn und im Öffentlichen Nahverkehr Sonderbedingungen bis hin zum kostenfreien Fahren – zumindest, wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind.
Kostenfrei fahren mit Schwerbehinderung?
Menschen mit Schwerbehinderung, Erwachsene wie Kinder, können den öffentlichen Nahverkehr kostenfrei nutzen, wenn ihr Schwerbehindertenausweis eine gültige Wertmarke enthält.
Diese kostenlose Beförderung gilt für alle Nahverkehrszüge der Deutschen Bahn, also IRE, RE, FEX, MEX, RB sowie S-Bahnen.
Sie gilt ebenso für Nahverkehrszüge anderer Bahnunternehmen auf Verbundstrecken in öffentlichen Verkehrsmitteln im Bundesgebiet.
All diese Anbieter müssen Betroffene kostenlos mitnehmen, und das betrifft auch das Reisegepäck inklusive der Hilfsmittel wie Rollator oder Rollstuhl.
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Welche Merkzeichen sind nötig?
Sie können als Mensch mit Schwerbehinderung den Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) kostenfrei nutzen, wenn in ihrem Ausweis bestimmte Merkzeichen notiert sind.
Das gilt für die Merkzeichen H (Hilflosigkeit) und BI (Blindheit)
Bei weiteren Merkzeichen müssen Sie eine Eigenbeteiligung von 91 Euro pro Jahr oder 46 Euro pro Halbjahr zahlen, um Bus und Bahn in Deutschland zu nutzen.
Das gilt für die Merkzeichen G (Gehbehinderung), aG (außergewöhnliche Gehbehinderung) sowie GO (Gehörlosigkeit).
Die Wertmarke ist notwendig
Ganz wichtig: Um den ÖPNV zu nutzen, brauchen Sie zusätzlich zum Schwerbehindertenausweis eine gültige Wertmarke. Diese befindet sich aufgedruckt auf einem Beiblatt.
Beides, den Ausweis und das Beiblatt, müssen Sie dabei haben, wenn Sie den öffentlichen Nahverkehr nutzen.
Diese Wertmarke erhalten Sie für 46 Euro pro Halbjahr oder 91 Euro pro Jahr bei dem gleichen Versorgungsamt, das ihren Schwerbehindertenausweis ausstellt.
Wer muss nicht für die Wertmarke zahlen?
Bestimmte Gruppen zahlen keine Eigenbeteiligung, fahren also komplett kostenfrei im Nahverkehr. Blinde und Hilflose (Merkzeichen BI und H) wurden bereits genannt.
Hinzu kommen Menschen, die entschädigungs- oder versorgungsberechtigt sind (Merkzeichen VB oder EB), Schwerkriegsbeschädigte, Asylbewerber, sowie Menschen, die Grundsicherung oder Kinder- / Jugendhilfe beziehen.
Schwerbehinderung plus Merkzeichen ist günstiger als das Deutschlandticket
Die erwähnten Regelungen betreffen den Nahverkehr, und damit den Gültigkeitsbereich des 49-Euro Tickets. Eine Wertmarke für 46 Euro für sechs Monate ist um ein mehrfaches günstiger, als 49-Euro pro Monat auszugeben für ein Deutschlandticket.
Bei Schwerbehinderung und entsprechendem Merkzeichen lohnt sich für Sie ein Deutschland-Ticket also nicht, weil Sie bereits wesentlich bessere Konditionen haben.
Kostenfreie Fahrt für Begleitpersonen
Achtung: Wenn Sie das Merkzeichen B im Ausweis haben, dann berechtigt das dazu, dass eine Begleitperson ebenfalls umsonst mitfährt, um Ihnen beim Ein- und Aussteigen zu helfen und im Notfall einzugreifen.
Diese Begleitperson benötigt keine eigene Wertmarke. Sie fährt sogar im Fernverkehr kostenfrei mit.
Gibt es Vergünstigungen im Fernverkehr?
Grundsätzlich gilt auch für Menschen mit Schwerbehinderung: Sie müssen eine Fahrkarte kaufen.
Ausnahmen sind gegeben, wenn Fahrkarten des Verkehrsverbundes freigegeben sind, besonders wegen Störungen oder auf bestimmten Strecken des Fernverkehrs, die ausdrücklich mit Schwerbehindertenausweis und Wertmarke genutzt werden können. Die Reiseauskunft der Deutschen Bahn zeigt diese Strecken an.
Die BahnCard ist vergünstigt
Vergünstigungen gibt es auch im Fernverkehr, nämlich bei der BahnCard 25 und der BahnCard 50. Hier bekommen Menschen mit Schwerbehinderung Sondertarife.
Die ermäßigte BahnCard 25/BahnCard 50 können Menschen beanspruchen, die eine Rente wegen voller Erwerbsminderung beziehen, oder einen Grad der Behinderung von 70 oder mehr aufweisen.
Sie dürfen das Ticket im Zug kaufen
Menschen mit Schwerbehinderung unterliegen im Fernverkehr zwar der Ticketpflicht, dürfen aber, im Unterschied zu Nicht-Betroffenen, ihre Fahrkarte im Zug kaufen.
Dies gilt für ein Ticket im Flexipreis, und Ermäßigungen wie bei einer BahnCard werden berücksichtigt.
Voraussetzung ist ein gültiger Schwerbehindertenausweis oder ein Feststellungsbescheid. Diesen zeigen Sie dem Zugpersonal am besten, sobald Sie diesem begegnen.
Bezahlung auf Rechnung
Die Fahrkarten im Zug werden Ihnen auf Rechnung verkauft, und diese erhalten Sie zusammen mit dem Ticket.
Wenn Sie dies wünschen, erhalten Sie die Rechnung auch noch einmal barrierefrei per E-Mail. Dazu müssen Sie eine E-Mail Adresse angeben.
Die Rechnung muss innerhalb von zwei Wochen bezahlt werden, entweder als Sofortüberweisung über Klarna und PayPal oder als Banküberweisung.
Die Bankdaten sind auf der Rechnung angegeben. In jedem Reisezentrum der Deutschen Bahn können Sie ebenfalls bezahlen.
Ermäßigung auf Schiffen
(Bestimmte) Schifffahrten im Linienverkehr und Inselbahnen können Menschen mit Schwerbehinderung und gültiger Wertmarke ebenfalls kostenfrei nutzen.
Dazu zählen die Strecken Sande-Harlesiel-Wangerooge, Bensersiel-Langeoog, Norddeich Mole-Norderney sowie Norddeich Mole-Juist.
Bei der Reederei AG EMS ist die Strecke Emden Außenhafen-Borkum kostenfrei, die Fahrt mit dem Katamaran kostet jedoch einen Zuschlag.
Die Reederei Baltrum-Linie bietet kostenfreie Fahrten für Betroffene zwischen Norden-Neßmersiel-Baltrum.
Bei der W.D.R ist die Strecke Dagebüll Mole-Amrum frei und zudem die Route Dagebüll Mole-Föhr.
Frei genutzt werden mit Wertmarke kann auch die Strecke Neuharlingersiel-Spiekeroog sowie Nordstrand-Pellworm mit der Neuen Pellwormer Dampfschiffahrts GmbH.
Die Reederei Hiddensee ermöglicht Menschen mit Schwerbehinderung kostenfreie Fahrten von Schaprode bis Hiddensee sowie von Stralsund bis Hiddensee.
Freie Fahrt gilt nur für den Linienverkehr
Achten Sie bitte darauf: Die kostenfreie Fahrt bei gültiger Wertmarke bezieht sich auf den regulären Linienverkehr. Ausflugsboote und Touristenangebote fallen nicht darunter.
Ermäßigungen bei Auslandsreisen
In europäischen Nachbarländern gelten ebenfalls Sonderregelungen für Menschen mit Schwerbehinderungen.
Die Mobilitätsservice-Zentrale der Deutschen Bahn hilft Ihnen, Hilfeleistungen beim Ein- und Ausstegen vorzumelden, und in den jeweiligen Staaten gibt es spezielle Hotlines für Menschen mit Behinderungen.
Wo bekommen Sie Unterstützung?
Die Mobilitätsservice-Zentrale sucht geeignete Züge für Sie heraus, gibt Ihnen Auskunft, wie barrierefrei die jeweiligen Bahnhöfe sind, wie lange die Mindestumsteigezzeiten dauern und organisiert die Hilfen vor Ort.
An nahezu 3000 Bahnhöfen bekommen Sie Unterstützung am Bahnsteig, beim Einsteigen, Aussteigen oder Umsteigen.
Die Mobilitätsservice-Zentrale können Sie per E-Mail kontaktieren (msz@deutschebahn.com) oder anrufen (030-65212888).
Sprechzeiten sind montags bis freitags von 6 bis 22 Uhr sowie samstags, sonntags und feiertags von 8 bis 20 Uhr.
Tipp für Gehörlose: Gehörlose können den Mobilitätsservie unter deaf-msz@deutschebahn.com kontaktieren.
Was tun bei Dringlichkeit?
Geht es um eine besonders kurzfristige Unterstützung oder eine Frage, die umgehend geklärt werden muss, dann sollten Sie dies bereits in der Betreffzeile erwähnen, zum Beispiel mit dem Wort “Dringend!”.
Unterstützung online beantragen
Sie müssen den Mobilitätsservice nicht persönlich kontaktieren. Die Deutsche Bahn stellt auch einen barrierefreien Online-Service zur Verfügung.
Dieser hat den Vorteil, dass Sie benötigte Hilfeleistungen vor Ort schneller anmelden können, da ihre nicht personalisierten Daten mit einem Service-Code gespeichert sind.
Das Eingeben von Fahrplandaten zum gewünschten Reiseziel ist vereinfacht. Hinweise führen durch das Formular und zeigen Ihnen, wie die Eingabefelder ausgefüllt werden müssen.
Bei einer Auslandsreise sollten Sie diesen Service 24 Stunden vorher anmelden, und innerhalb Deutschlands ist es angebracht, bis am Vortrag um 20.00 die UNterstützung anzufordern.
Kostenlose Begleitperson
Das kostenfreie Mitführen einer Begleitperson bei entsprechendem Merkzeichen im Ausweis gilt auch im EU-Ausland, und das bezieht sich auch auf einen entsprechenden Begleithund.
Die Begleitperson benötigt eine Nullpreis-Fahrkarte. Sie zahlt also nicht für das Ticket, muss aber ein kostenloses Ticket vorweisen. Dies gibt es bei den Verkaufsstellen der Deutschen Bahn oder bei der Mobilitätsservice-Zentrale.
Bestimmte europäische Züge wie Eurostar oder TGV bieten Vergünstigungen für Menschen mit Behinderungen, die einen gültigen Ausweis vorlegen. Sie können die Regelungen für die entsprechenden Länder im Kapitel 17 der Internationalen Beförderungsbedingungen der DB AG nachlesen.
Das Deutschland-Ticket für Angehörige
Menschen mit Schwerbehinderung und entsprechenden Merkzeichen können den Nahverkehr also wesentlich günstiger nutzen als es mit dem Deutschland-Ticket der Fall wäre.
Entlastung bietet die bundesweit gültige Fahrkarte jedoch für Angehörige, Freunde und Begleiter von Menschen mit Schwerbehinderung.
Wer Betroffene zu einem Ort bringt oder von diesem abholt, und das regelmäßig, fährt mit dem 49-Euro Ticket wesentlich günstiger, als wenn jedesmal eine Fahrkarte gelöst werden müsste.
Fazit
Es gibt für Menschen mit Schwerbehinderungen keine spezielle Variante des Deutschland-Tickets. Dafür bestehen diverse Sonderregelungen, die Betroffenen Vergünstigungen ermöglichen bis bin zum kostenfreien Nutzen des öffentlichen Nahverkehrs.
- Über den Autor
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Dr. Utz Anhalt ist Buchautor, Publizist, Sozialrechtsexperte und Historiker. 2000 schloss er ein Magister Artium (M.A.) in Geschichte und Politik an der Universität Hannover ab. Seine Schwerpunkte liegen im Sozialrecht und Sozialpolitik. Er war wissenschaftlicher Mitarbeiter bei Dokumentationen für ZDF , History Channel, Pro7, NTV, MTV, Sat1.