Menschen mit einem Grad der Behinderung (GdB) von mindestens 30, aber weniger als 50, kรถnnen einem schwerbehinderten Menschen gleichgestellt werden.
Die Gleichstellung ist dann vor allem wichtig, wenn die Behinderung die wesentliche Ursache dafรผr ist, dass ein geeigneter Arbeitsplatz nicht erlangt oder behalten werden kann.
Doch wie verhรคlt es sich, wenn ein Arbeitnehmer bereits einen geeigneten Arbeitsplatz hat, aber aufgrund eines Unternehmensverkaufs eine Kรผndigung befรผrchtet?
Der Fall vor dem Sozialgericht Berlin
Der DGB Rechtsschutz in Berlin vertrat vor dem Sozialgericht Berlin einen Maschinenbediener, der bei der Bosch AG angestellt war und ย einen Antrag auf Gleichstellung wegen Gefรคhrdung des Arbeitsplatzes stellte.
Der betroffene Mann stellte Ende 2018 einen Antrag bei der Agentur fรผr Arbeit, um gleichgestellt zu werden. Ein GdB von 30 war bei ihm festgestellt worden.
Der Antrag wurde vor dem Hintergrund eines Angebots des Arbeitgebers gestellt, das eine Abfindung fรผr das Ausscheiden aus dem Unternehmen vorsah.
Dies weckte bei ihm die Sorge, dass sein aktueller Arbeitsplatz gefรคhrdet und damit auch seine Beschรคftigungssituation unsicher sei.
Die Arbeitsagentur, wie es รผblich ist, befragte den Arbeitgeber, den Betriebsrat und die Schwerbehindertenvertretung und lehnte den Antrag ab.
Unterstรผtzung durch den Sozialberater des Arbeitgebers
Im Widerspruchsverfahren holte die Arbeitsagentur eine Stellungnahme des Sozialberaters der Firma Bosch ein.
Der Sozialberater verwies auf geplante Anpassungen des Unternehmens an den technischen Wandel, die schlechtere Chancen fรผr Mitarbeiter mit Einschrรคnkungen und vielen Fehlzeiten bedeuteten.
Trotz dieser Einschรคtzung blieb die Arbeitsagentur bei ihrer Ablehnung. Sie argumentierte, dass der Mann bereits einen behindertengerechten Arbeitsplatz habe und die Gleichstellung nicht dazu dienen solle, behinderte Menschen bei betriebswirtschaftlichen Verรคnderungen zu begรผnstigen.
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Klage beim Sozialgericht Berlin
Der Maschinenbediener legte Klage beim Sozialgericht Berlin (Aktenzeichen S 58 AL 1336/19)ย ein.
Er argumentierte, dass der anstehende Verkauf des Unternehmens und die damit verbundenen Verรคnderungen seinen Arbeitsplatz gefรคhrden kรถnnten.
Trotz seines aktuellen, geeigneten Arbeitsplatzes war ungewiss, wie die Verรคnderungsprozesse seine Beschรคftigungssituation beeinflussen wรผrden.
Entscheidung des Sozialgerichts: Schutz der Gleichstellung
Das Sozialgericht Berlin entschied zugunsten des Klรคgers. Der Richter und die beiden ehrenamtlichen Richterinnen stellten fest, dass dem Klรคger der Schutz der Gleichstellung zusteht, um seinen bestehenden, leidensgerechten Arbeitsplatz zu behalten.
Die Richter stimmten der Einschรคtzung des Sozialberaters zu, dass der Klรคger aufgrund seiner Behinderung schlechtere Chancen habe, seinen Arbeitsplatz zu behalten, wenn das Unternehmen an den technischen Wandel angepasst und mรถglicherweise verkauft wรผrde.
Nachteile durch den technischen Wandel
Das Gericht berief sich auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, das auch in einem Fall, in dem der Antragsteller als Beamter unkรผndbar war, einen Anspruch auf Gleichstellung anerkannte. Entscheidend war die mangelnde Konkurrenzfรคhigkeit des Antragstellers.
รhnlich sei die Situation des Klรคgers, der durch die anstehenden Verรคnderungen im Unternehmen benachteiligt werde. Insbesondere bei Tรคtigkeiten, die schnelle Auffassungsgabe und Anpassungsfรคhigkeit an sich schnell wandelnde Arbeitsbedingungen erfordern, sei der Klรคger im Nachteil.
Hรคufige Ablehnung von Gleichstellungsantrรคgen
Oft werden Antrรคge auf Gleichstellung abgelehnt, wenn der Arbeitgeber angibt, dass der Arbeitsplatz nicht gefรคhrdet sei.
Solche Angaben sind jedoch hรคufig nicht aussagekrรคftig. Arbeitgeber geben selten offen zu, dass sie einen Mitarbeiter loswerden mรถchten.
In diesem Fall hatte die Arbeitsagentur die Stellungnahme des Sozialberaters der Firma Bosch eingeholt, dessen unterstรผtzende Worte jedoch als Bestรคtigung fรผr die Ablehnung des Antrags gewertet.
Die Entscheidung der Sozialrichter, diese Einschรคtzung als maรgeblich anzusehen, war daher von besonderer Bedeutung.
Vorteile einer Gleichstellung
Mit der Gleichstellung erlangt der Klรคger nicht nur den besonderen Kรผndigungsschutz.
Weitere Vorteile sind Hilfen zur Arbeitsplatzausstattung und die Betreuung durch spezielle Fachdienste. Der Zusatzurlaub fรผr schwerbehinderte Menschen zรคhlt allerdings nicht zu den Vorteilen einer Gleichstellung.
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Carolin-Jana Klose ist seit 2023 Autorin bei Gegen-Hartz.de. Carolin hat Pรคdagogik und Sportmedizin studiert und ist hauptberuflich in der Gesundheitsprรคvention und im Reha-Sport fรผr Menschen mit Schwerbehinderungen tรคtig. Ihre Expertise liegt im Sozialrecht und Gesundheitsprรคvention. Sie ist aktiv in der Erwerbslosenberatung und Behindertenberatung.