Wie die Rechtsanwältin und Steuerexpertin Patricia Lederer berichtet, wurde in einem Fall eine damals 99-jährige Frau in einem Pflegeheim dazu aufgefordert, Steuererklärungen für mehrere Jahre nachträglich einzureichen.
Der Fall sorgte für Empörung, besonders da die betroffene Rentnerin eine Pflegestufe 5 hat und so nicht in der Lage ist, ihre Steuerpflichten selbst zu erfüllen.
Doch wie sieht die rechtliche Lage in Deutschland aus, und welche Möglichkeiten gibt es für Betroffene?
Was ist passiert?
Eine damals 99-jährige Frau, die in einem Pflegeheim lebt und auf eine geringe Rente angewiesen ist, erhielt ein Schreiben vom Finanzamt.
Sie wurde aufgefordert, Steuererklärungen für 3 Jahre innerhalb von vier Wochen einzureichen. Ihr Sohn, selbst 76 Jahre alt, gab an, dass seine Mutter aufgrund ihres gesundheitlichen Zustands nicht in der Lage sei, dieser Aufforderung nachzukommen, so die Anwältin.
Der Fall wirft die Frage auf: Darf das Finanzamt so vorgehen, und welche Pflichten haben Senioren in solchen Fällen?
Darf das Finanzamt Steuererklärungen von Rentnern verlangen?
Die einfache Antwort lautet: Ja, das Finanzamt darf Steuererklärungen auch von älteren Menschen, die in Pflegeheimen leben, verlangen, sofern sie bestimmte Einkommensgrenzen überschreiten, sagt Lederer.
In Deutschland gilt die Verpflichtung, eine Steuererklärung einzureichen, wenn das Einkommen einen bestimmten Grundfreibetrag übersteigt. Im Jahr 2024 liegt dieser bei Grundfreibetrag bei 11.784 Euro pro Person.
Auch Rentner sind steuerpflichtig, wenn ihre Rente diesen Freibetrag überschreitet, betont die Steuerexpertin.
In dem vorliegenden Fall hat die Dame vermutlich sowohl eine gesetzliche Rente als auch eine Witwenrente bezogen.
Seit einigen Jahren sind Renteneinkünfte steuerpflichtig, und das Finanzamt verfolgt dies zunehmend konsequent. Insbesondere der Bezug einer Witwenrente könnte der Auslöser für das Schreiben des Finanzamtes gewesen sein.
Was passiert, wenn die Steuererklärung nicht abgegeben wird?
Wenn Steuerpflichtige – unabhängig von ihrem Alter oder gesundheitlichen Zustand – die Aufforderung zur Abgabe einer Steuererklärung ignorieren, hat das Finanzamt verschiedene Mittel, um Druck auszuüben.
Zunächst kann es Mahnungen verschicken und eine Fristverlängerung gewähren. Sollte die Steuererklärung weiterhin ausbleiben, droht das Finanzamt mit der Festsetzung eines Zwangsgeldes. Dies ist eine finanzielle Strafe, die zusätzlich zu eventuellen Steuern erhoben wird.
In besonders hartnäckigen Fällen kann das Finanzamt sogar eine Schätzung der Einkünfte vornehmen.
Diese Schätzung fällt in der Regel höher aus als die tatsächlichen Einnahmen, was für den Betroffenen eine höhere Steuerlast bedeutet.
Zudem kann das Finanzamt ein Steuerstrafverfahren einleiten, das dazu führt, dass Steuererklärungen nicht nur für drei, sondern für bis zu zehn oder sogar zwölf Jahre rückwirkend verlangt werden können, warnt auch der Sozialrechtsexperte Dr. Utz Anhalt.
Welche Fristen sind zu beachten?
Im Fall der 99-jährigen Frau wurde eine Frist von nur vier Wochen gesetzt, was selbst für steuerlich versierte Menschen eine Herausforderung ist.
Eine solch kurze Frist kann besonders für ältere Menschen und ihre Angehörigen zu erheblichen Schwierigkeiten führen.
In solchen Fällen empfiehlt es sich, beim Finanzamt eine Fristverlängerung zu beantragen, sagt die Rechtsanwältin. Dies ist in der Regel problemlos möglich, wenn plausible Gründe wie Krankheit oder Pflegebedürftigkeit angegeben werden.
Welche Ausgaben können Rentner von der Steuer absetzen?
Rentner haben verschiedene Möglichkeiten, ihre Steuerlast zu senken. Insbesondere Pflege- und Krankheitskosten können in der Steuererklärung geltend gemacht werden. Zu den absetzbaren Kosten gehören:
- Pflegekosten: Die Kosten für die Unterbringung in einem Pflegeheim sowie zusätzliche Pflegeleistungen können steuerlich geltend gemacht werden.
- Krankheitskosten: Ausgaben für Arztbesuche, Medikamente und medizinische Behandlungen sind ebenfalls absetzbar.
- Versicherungen: Bestimmte Versicherungen wie die Haftpflicht- oder Krankenversicherung können teilweise von der Steuer abgesetzt werden.
- Handwerkerleistungen: Auch Ausgaben für Handwerkerleistungen, die beispielsweise im Rahmen von altersgerechten Umbaumaßnahmen anfallen, sind steuerlich absetzbar.
Was sollten Betroffene tun, wenn sie eine solche Aufforderung erhalten?
Wenn ein älterer Mensch oder dessen Angehörige eine Aufforderung zur Abgabe einer Steuererklärung erhalten, ist es wichtig, schnell zu handeln.
Der erste Schritt sollte sein, eine Fristverlängerung zu beantragen, um genügend Zeit zu gewinnen, die notwendigen Unterlagen zu beschaffen. Anschließend sollten die Einnahmen und Ausgaben sorgfältig zusammengestellt werden.
Es ist empfehlenswert, sich professionelle Unterstützung zu suchen. Dies muss nicht zwangsläufig ein Steuerberater sein.
Auch Lohnsteuerhilfevereine bieten Unterstützung für Rentner und Senioren an. Diese können die Betroffenen darüber informieren, welche Ausgaben absetzbar sind und wie die Steuerlast effektiv gesenkt werden kann, rät Anhalt.
Warum sollte man die Steuererklärung ernst nehmen, selbst wenn die Steuerlast gering ist?
Viele Senioren denken, dass sich der Aufwand für die Erstellung einer Steuererklärung nicht lohnt, da am Ende keine oder nur eine geringe Steuerlast entsteht.
Doch die Abgabe der Steuererklärung ist eine gesetzliche Pflicht, und das Ignorieren kann erhebliche Konsequenzen haben. Neben dem Zwangsgeld und der Schätzung der Einkünfte kann ein Steuerstrafverfahren eingeleitet werden, das es dem Finanzamt ermöglicht, bis zu zwölf Jahre rückwirkend Steuererklärungen einzufordern.
Selbst wenn keine Steuern anfallen, schützt die fristgerechte Abgabe der Steuererklärung vor zusätzlichen Kosten und einem möglichen Strafverfahren. Wer diese Pflicht missachtet, kann mit Zwangs- und Strafgelder belegt werden, warnt abschließend die Anwältin.
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Carolin-Jana Klose ist seit 2023 Autorin bei Gegen-Hartz.de. Carolin hat Pädagogik und Sportmedizin studiert und ist hauptberuflich in der Gesundheitsprävention und im Reha-Sport für Menschen mit Schwerbehinderungen tätig. Ihre Expertise liegt im Sozialrecht und Gesundheitsprävention. Sie ist aktiv in der Erwerbslosenberatung und Behindertenberatung.