Viele Krankengeld-Bezieher erleben schon vor dem ersten offiziellen Schreiben einen Anruf, in dem die Kasse „Hilfe beim Übergang ins Krankengeld“ anbietet.
Rechtlich ist das problematisch: Ohne ausdrückliche, schriftliche Einwilligung (§ 284 SGB V i. V. m. DSGVO) besitzt die Krankenkasse kein Recht, eine Person anzurufen.
Das Telefonat dient häufig dazu, Informationen zu sammeln und die spätere Zusendung eines umfangreichen Fragen- und Einwilligungspakets anzukündigen.
Inhaltsverzeichnis
Was steckt hinter dem Begriff „Fallmanagement“?
Das Fallmanagement nach § 44 SGB V wird in den Anschreiben als Service verkauft, der die Genesung fördern solle.
Wer jedoch unterschreibt, erlaubt der Krankenkasse, weitergehende Gesundheits- und Lebensdaten zu erheben, häufiger telefonisch Kontakt aufzunehmen und bei Bedarf zügig den Medizinischen Dienst (MD) einzuschalten.
Das ist kein neutraler Unterstützungsservice, sondern ein Instrument zur Kostensteuerung: Je früher Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit geäußert werden, desto schneller kann ein MD-Gutachten den Leistungsanspruch beenden.
Welche Formulare sind wirklich Pflicht – und welche freiwillig?
Verpflichtend ist einzig die Rücksendung eines schmalen Zweifragen-Bogens:
Ist eine Rückkehr an den Arbeitsplatz absehbar?
Sind bereits konkrete medizinische Maßnahmen geplant?
Alle übrigen Dokumente – Teilnahmeerklärung am Fallmanagement, Telefon-Einwilligung, detaillierte Selbstauskünfte über Befunde, Reha-Pläne oder private Verhältnisse – sind freiwillig.
Wer sie nicht unterschreibt, verletzt keine Mitwirkungspflicht. Die Krankenkasse darf die Auszahlung nicht aussetzen, solange die beiden gesetzlich zulässigen Fragen beantwortet wurden.
Wie reagiert man auf Druck, Androhungen oder wiederholte Anrufe?
Gesprächsverweigerung ist erlaubt: Kranke dürfen freundlich, aber bestimmt darauf hinweisen, dass sie keine telefonische Kontaktaufnahme wünschen. Sollte der Druck anhalten, empfiehlt sich ein schriftlicher Hinweis an den Vorstand der Kasse mit der Bitte, unzulässige Anrufe zu unterlassen.
Parallel kann man den Vorgang beim Datenschutzbeauftragten des Bundes melden. Selbst wenn aufsichtsrechtliche Schritte selten spürbare Folgen für die Kassen haben, zeigen Erfahrungen, dass viele unzulässige Kontakte nach einer Beschwerde beim Vorstand enden.
Warum setzen Krankenkassen zunehmend auf diese Strategien?
Die Zahl langwieriger Arbeitsunfähigkeiten ist in den vergangenen fünf Jahren stark gestiegen; psychische Erkrankungen und Long-Covid-Verläufe treiben die durchschnittliche Krankengelddauer nach oben. Gleichzeitig will die Politik höhere Beitragssätze vermeiden.
Die Kassen erhalten daher klaren ökonomischen Anreiz, den teuren Leistungsfall „Krankengeld“ möglichst kurz zu halten. Spezialabteilungen suchen aktiv nach Ansatzpunkten, um MD-Begutachtungen einzuleiten oder formale Mitwirkungsmängel zu konstruieren.
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Welche Spielräume haben Versicherte im Konfliktfall?
Wer das Fallmanagement ablehnt und nur die gesetzlich erforderlichen Informationen preisgibt, behält die Kontrolle über seine Gesundheitsdaten. Kommt es dennoch zu einer Leistungskürzung, bleibt der Widerspruch das wichtigste Rechtsmittel; er muss binnen eines Monats schriftlich erhoben werden.
Fällt der Widerspruchsbescheid erneut negativ aus, kann sozialgerichtlich Klage erhoben werden – oft mit guten Erfolgsaussichten, weil die Kasse die Beweislast trägt.
Wie lässt sich unnötiger Stress von vornherein vermeiden?
Das beste Schutzschild ist Transparenz: Versicherte sollten Fälligkeiten und Fristen kennen, ärztliche Folgebescheinigungen lückenlos digital übermitteln lassen und nur die zwingenden Angaben machen.
Wer sich unsicher fühlt, kann jede Kommunikation mit der Kasse auf den Schriftweg verlagern. So entsteht ein überprüfbarer Verlauf – und rhetorische Verunsicherungsversuche am Telefon laufen ins Leere.
Fazit: Selbstbewusst bleiben, Rechte kennen
Krankengeld ist keine Kulanzleistung, sondern ein Rechtsanspruch, der unabhängig von Sympathien oder kooperativer Gesprächsbereitschaft besteht.
Wer seine Pflichtangaben korrekt erfüllt, darf sich nicht einschüchtern lassen: Weder drohende Anrufe noch vermeintlich „verpflichtende“ Zusatzformulare dürfen den Zahlungsfluss beeinflussen. In einem System, das auf Kostendruck reagiert, ist informierte Distanz oft die beste Therapie.