Das Krankengeld läuft aus: Wie gehts jetzt weiter?

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Wie geht es weiter, wenn das Krankengeld ausläuft (Aussteuerung), Sie aber immer noch krank sind?

Wenn Arbeitnehmer wegen einer Erkrankung arbeitsunfähig sind, dann zahlt erst einmal der Arbeitgeber für sechs Wochen den Lohn weiter. Danach springt die gesetzliche Krankenkasse ein und leistet bis zu 78 Wochen Krankengeld.

Diese Möglichkeiten gibt es in der Regel

Erstens: Sie sind zwar noch nicht (vollständig) genesen, können aber in ihren Job zurückkehren und werden dabei vom Arbeitgeber unterstützt.

Zweitens: Sie bleiben krank, erhalten Arbeitslosengeld I oder Leistungen des Bürgergelds.

Drittens: Sie sind nicht nur weiterhin, sondern dauerhaft zu krank für eine volle Erwerbsfähigkeit. Dann können Sie Erwerbsminderungsrente beziehen, oder erhalten -wenn Sie dafür die versicherungstechnischen Voraussetzungen nicht erfüllen- Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch XII (Sozialhilfe).

Die Nahtlosigkeitsregelung

Für Versicherte in der Renten- und Arbeitslosenversicherung gilt die Nahtlosigkeitsregelung, und die wird Ihnen die Rentenversicherung nach dem Auslaufen des Krankengeldes (Aussteuerung) empfehlen.

Sind die 78 Wochen Krankengeld vorüber, und Sie sind weiterhin krank? Dann können Sie sich arbeitslos melden (ALG I), wenn Sie in die Versicherung einzahlten. Obwohl Sie faktisch nach wie vor arbeitsunfähig sind, haben Sie diesen Anspruch.

Wichtig ist: In dieser Zeit bekommen Sie nicht nur Leistungen der Agentur für Arbeit, sondern Sie werden auch in den Verischerungszeiten für die Rente gezählt.

Die Agentur für Arbeit erwartet im Gegenzug eine Prüfung, ob eine dauerhafte Erwerbsminderung vorliegt und damit ein Anspruch auf eine Erwerbsminderungsrente.

Diese zahlt dann die Rentenkasse und nicht die Agentur für Arbeit. Für die Zeit, in der die Rentenversicherung prüft, ob eine Erwerbsunfähigkeit / Erwerbsminderung vorliegt, muss die Agentur zahlen, wenn Sie generell berechtigt sind, ALG I zu erhalten.

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Nach Paragraf 145 SGB III wird Ihnen der Bezug von Arbeitslosengeld (ALG I) ausdrücklich auch dann ermöglicht, wenn Sie als Versicherter weniger als 3 Stunden täglich erwerbsfähig sind.

Sie können also bei anhaltender Krankmeldung nach Auslaufen des Krankengeldes Arbeitslosengeld beziehen, ohne zu kündigen.

Diese Nahtlosigkeitsregelung soll eine Versorgungslücke bis zur Entscheidung über die Erwerbsminderung schließen.

Das Hamburger Modell

Wenn eine Aussicht besteht, dass Sie langfristig wieder in Arbeit integriert werden können, nachdem Sie Krankengeld bezogen, dann greift das Hamburger Modell.

Es soll die Wiedereingliederung ermöglichen, indem die Rückkehr in das Arbeitsleben behutsam vor sich geht. Die gesetzlichen Grundlagen sind der Paragraf 74 SGB V sowie bei Behinderungen der Paragraf 28 SGB IX.

Der Eingliederungsplan

Es geht also nicht “auf Knopfdruck” von der Arbeitsunfähigkeit in die volle Arbeitszeit. Der Arbeitnehmer stellt vielmehr mit seinem Arzt einen Eingliederungsplan auf. Dieser regelt , mit wie wenig Stunden die Arbeit beginnen kann, um sie dann Stück für Stück zu steigern.

Die mit dem Arzt getroffene Vereinbarung sollte dem Arbeitgeber auf dem Dienstweg möglich früh mitgeteilt werden, in jedem Fall, bevor die geplante Maßnahme beginnt.

Auch die Krankenkasse muss schnell informiert werden, denn ohne deren Zustimmung kann die Maßnahme nicht stattfinden. Krankenkasse und Arbeitgeber müssen ihr Einverständnis geben.

Das betriebliche Eingliederungsmanagement

Ganz ähnlich verläuft der schrittweise Wiedereinstieg beim Betrieblichen Eingliederungsmanagement (BEM). Dieses soll Arbeitnehmer bei der Rückkehr in den Job unterstützen und zukünftige Krankheitsphasen möglichst reduzieren.

Es handelt sich hier nicht um eine freiwillige Leistung: Arbeitgeber sind verpflichtet, Arbeitnehmern nach mehr als sechs Wochen Kranheit ein BEM zu ermöglichen.

Maßnahmen des BEM können zum Beispiel ein behindertengerechter Umbau des Arbeitsplatzes sein oder die Verfügbarkeit eines bestimmten Hörgerätes. Diese Leistungen des Arbeitgebers sind unabhängig vom Krankengeld.

Dauerhaft arbeitsunfähig

Ergibt die Prüfung der Rentenversicherung jetzt, dass Sie aufgrund Ihrer Erkrankung dauerhaft weniger als drei Stunden pro Tag arbeiten können, dann erhalten Sie eine volle Erwerbsminderungsrente.

Stellt die Rentenversicherung fest, dass keine volle, sondern eine teilweise Erwerbsminderung vorliegt, oder garkeine, dann muss die Agentur für Arbeit weiterhin zahlten, bis Sie nach einer Frist ins Bürgergeld fallen.

Bürgergeld

Wer generell keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld I und Erwerbsminderungsrente hat, weil er oder sie keine Beiträge für die Arbeitslosen- und Rentenversicherung geleistet hat, muss Bürgergeld beantragen. Er oder sie gilt damit als grundsätzlich erwerbsfähig.

Dabei gibt es zwar keine Nahtlosigkeitsregelung, falls aber eine dauerhafte volle Erwerbsminderung vorliegt, ist das Sozialgesetzbuch XII (Sozialhilfe) zuständig und nicht mehr das Sozialgesetzbuch II (Bürgergeld).

Was raten Fachleute?

Drothee Czennia, Expertin für Sozialpolitik beim Sozialverband VdK rät Betroffenen dringend, sich um das Später zu kümmern, während Sie noch Krankengeld bekommen. Czennia zufolge ließe sich vieles mit dem Arbeitgeber klären. Sie warnt: „Wartet man ab, wird es nach gut anderthalb Jahren hektisch.“

Prüfen Sie Ihren Schwerbehindertenstatus!

Wenn Sie über die gesamte mögliche Dauer Krankengeld bezogen und weiterhin an gesundheitlichen Beschwerden leiden, dann ist es möglich, dass diese Ihre Teilhabe derart beeinträchtigen, dass ein Grad der Behinderung festgestellt wird.

Bei einem Grad der Behinderung von 50 gelten Sie als schwerbehindert. Damit haben Sie Anspruch auf Nachteilsausgleiche. Dazu gehört ein besonderer Kündigungsschutz, eine vorzeitige Rente und Vorteile bei der Steuer.

Anmerkung Redakteur Detlef Brock – Sozialrechtsexperte von Tacheles e.V.
Die Zuerkennung einer befristeten Rente wegen voller Erwerbsminderung erlaubt nicht automatisch die rechtliche Würdigung, der Betroffene sei aus gesundheitlichen Gründen nicht erwerbsfähig (§ 7 Abs 1 S 1 Nr 2 iVm §§ 19ff SGB 2) und gehöre somit nicht zum Kreis der Leistungsberechtigten nach dem SGB 2 (LSG BB, L 10 AS 664/10 B PKH).

Denn der rentenversicherungsrechtliche Begriff des Erwerbsfähigkeit ist mit dem in § 8 Abs 1 SGB II in Bezug genommenen grundsicherungsrechtlichen Begriff jedenfalls im Hinblick auf die Voraussetzungen einer sog Arbeitsmarktrente bei einem verbliebenen Restleistungsvermögen von drei bis unter sechs Stunden und gleichzeitiger Verschlossenheit des Teilzeitarbeitsmarktes (stRspr des BSG: vgl hierzu im Einzelnen nur BSG SozR 2200 § 1246 Nr 13) nicht deckungsgleich (vgl. hierzu eingehend: BSG, Urteil vom 21. Dezember 2009 – B 14 AS 42/08 R -).