Seit 2024 ist beim Bürgergeld das komplette Streichen des Regelsatzes möglich, wenn ein Leistungsbezieher mehrfach eine “zumutbare Stelle” ablehnt. Was gilt beim Jobcenter als “zumutbare Arbeit”? Wir klären auf, damit Ihr wisst, wann die Behörde kein Recht hat, Euch Mittel zu kürzen, weil Ihr ein Stellenangebot ablehnt.
So schnell wie möglich in Arbeit bringen
Wer Bürgergeld bezieht gilt als arbeitsuchend. Er oder sie verpflichtet sich vertraglich gegenüber dem Jobcenter, alles zu tun, um so schnell wie möglich aus dem Leistungsbezug in eine Arbeit zu kommen.
Verfassungsrechtlich spiegelt sich hier das Sozialstaatsprinzip unseres Grundgesetzes. Der Staat ist verpflichtet, das Existenzminimum derjenigen zu gewährleisten, die dies nicht aus eigenen Mitteln können.
Beim Bürgergeld wird prinzipiell Erwerbsfähigkeit vorausgesetzt, und damit die Möglichkeit der Betroffenen durch die Aufnahme einer Arbeit aus der Hilfsbedürftigkeit und damit der Fürsorge des Staates zu kommen. Bürgergeld-Bezieher müssen also dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen.
Kein Recht auf Wunschberuf
Beim Antreten einer Arbeit haben Bürgergeld-Bezieher keinen Anspruch darauf, dass diese genau ihren Wünschen entspricht. Laut Paragraf 10 des Sozialgesetzbuches II ist erst einmal jede Art von Arbeit zumutbar, um aus dem Bürgergeld-Bezug zu kommen. Wer dies als Leistungsbezieher verweigert, kann sanktioniert werden. Das bedeutet, das Jobcenter kürzt Leistungen.
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Keine Regel ohne Ausnahme
Im Sozialgesetz werden jedoch klare Ausnahmen benannt, in denen eine Arbeit nicht zumutbar ist. Bürgergeld-Bezieher, die eine solche Stelle verweigern, dürfen nicht sanktioniert werden.
Betroffene müssen die Arbeit ausüben können
Eine Arbeit gilt als unzumutbar, wenn Betroffene diese körperlich, seelisch oder geistig nicht ausüben können. In der Regel ist dafür ein ärztlicher Befund nötig, damit das Jobcenter dies akzeptiert.
Das Jobcenter hat das Recht, eine Beurteilung durch einen von der Behörde ausgesuchten Amtsarzt vorzunehmen oder unter Umständen verlangt es auch einen Arbeitsversuch.
Geistig kann zum Beispiel bedeuten, dass jemand ohne die entsprechenden Fremdsprachenkenntnisse nicht als Übersetzer arbeiten kann. Psychisch kann beispielhaft jemand mit einem posttraumatischen Belastungs-Syndrom nicht in einem Umfeld arbeiten, das die Symptome seiner Erkrankung auslöst.
Hält die Tätigkeit Sie von Ihrem Kernberuf ab?
Für Bürgergeld-Bezieher kann folgende Definition von Zumutbarkeit wichtig sein. Falls eine angebotene Tätigkeit es unmöglich macht oder erheblich erschwert, in Ihrem Kernberuf zu arbeiten, dann ist sie nicht zumutbar. Gerade hier geht es indessen um Ermessen und konkrete fachliche Einschätzungen.
Kindererziehung
Eine Arbeit ist dann nicht zumutbar, wenn die Betreuung Ihrer Kinder dadurch nicht mehr geleistet werden kann. Das gilt nur, wenn Sie nachweislich keinen Platz in einer Kinderbetreuung finden, und / oder die Arbeitszeiten außerhalb der Öffnungszeiten der Institution liegen.
Pflege
Eine Tätigkeit ist auch dann unzumutbar, wenn Sie Angehörige pflegen und dies wegen der Aufnahme der Arbeit nicht mehr können. Dafür müssen Sie allerdings den Nachweis erbringen, dass es zu der Pflege durch Sie keine Alternativen gibt.
Einzelfallenstcheidungen
Es gibt individuelle wichtige Gründe, die nicht jeder für sich gesetzlich geregelt sind, in denen eine Tätigkeit nicht zugenutet werden kann, Diese sollten Sie so genau wie möglich darlegen, und, wenn nötig, rechtliche Hilfe in Anspruch nehmen.
Dumpinglöhne sind unzumutbar
Eine Arbeit gilt auch dann als unzumutbar, wenn der Arbeitgeber sittenwidrige Dumpinglöhne bezahlt. Als sittenwidrig gelten Löhne, die weniger als zwei Drittel des üblichen Tariflohns oder des ortsüblichen Schnitts betragen.
Ablehnung wegen Rechtswidrigkeit
Unzumutbar ist auch eine Arbeit, welche verlangt, gegen gültiges Recht zu verstoßen und Leistungsberechtigte nötigt, strafbare Handlungen zu begehen.
Wichtige persönliche Gründe
Das Jobcenter darf Sie nicht dazu verdonnern, einen Job anzunehmen, für den Sie laufende Weiterbildungen, Ausbildungen, Schulbesuche oder Jugendfreiwilligendienste abbrechen müssten.
Selbstbestimmung über den eigenen Körper
Das Jobcenter darf Sie nicht dazu zwingen, einen Job anzunehmen, der in das Selbstbestimmungsrecht über Ihren eigenen Körper eingreift. Dazu zählen sexuelle Dienstleistungen, Strippen, aber auch Organspenden und die Teilnahme an medizinischen Versuchen.
Es gilt die Nachweispflicht
Wichtig: Für Leistungsbezieher im Bürgergeld gilt die Nachweispflicht, wenn sie ein Arbeitsangebot ablehnen, weil es nicht zumutbar ist – zumindest dann, wenn eine Arbeit generell zumutbar sein könnte. Ihre Meinung dazu reicht nicht aus, sondern Sie brauchen Belege.
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Dr. Utz Anhalt ist Buchautor, Publizist, Sozialrechtsexperte und Historiker. 2000 schloss er ein Magister Artium (M.A.) in Geschichte und Politik an der Universität Hannover ab. Seine Schwerpunkte liegen im Sozialrecht und Sozialpolitik. Er war wissenschaftlicher Mitarbeiter bei Dokumentationen für ZDF , History Channel, Pro7, NTV, MTV, Sat1.