Bürgergeld ist verfassungswidrig, weil es keine gesunde Ernährung ermöglicht

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Das Grundgesetz verlangt vom Staat, dass er denjenigen, die sich ihre Existenz nicht selbst sichern können, das sozioökonomische Existenzminimum sichert. Was bedeutet das bei den Kosten für ein ausreichende Ernährung? Ist das Bürgergeld diesbezüglich verfassungsfeindlich?

Was bedeutet ausreichende Ernährung?

Ausreichende Ernährung bedeutet mehr, als dass jemand lediglich nicht verhungert oder verdurstet. Gesundheitlich ausreichend beinhaltet, dass ein Mensch sich so ernähren kann, dass er keine Mangel- oder Unterernährung erleidet mitsamt den daraus resultierenden Erkrankungen – von Skorbut und Rachitis über Diabetes bis zu Darminfektionen.

“Bürgergeld verletzt Menschenrecht auf angemessene Ernährung

Der Wissenschaftliche Beirat der Bundesregierung bestätigt dies: „Bürgergeld muss (…) ausreichend sein, um materielle und soziale Ernährungsarmut zu vermeiden.

Die aktuellen (…) Beträge entsprechen allerdings nicht diesem Anspruch“. Vielmehr liegt nach einem aktuellen Rechtsgutachten durch die Höhe des gesetzten Existenzminimums beim Bürgergeld (Regelsatz)
eine Verletzung des Menschenrechts auf angemessene Ernährung aus Art. 11 des UN-Sozialpakts.

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Materielles Kriterium für Höhe des Regelsatzes

Die gegenwärtigen Erkenntnisse über ausreichend gesunde Ernährung sind höchst wichtig, da ihnen zufolge der derzeitige Regelsatz gegen die Verfassung verstößt.

Die starre Berechnung des Existenzminimums hat sich sei 14 Jahren kaum verändert, egal, ob die Leistung Hartz IV oder Bürgergeld heißt. Es handelt sich um einen “Statistik-Warenkorb”. (BVerfG 2010, Rz. 43; Bonin u.a. 2023, S. 8f, 29, 55).

Dabei werden für die ärmsten 15 Prozent der Haushalte Konsumausgaben berechnet. Danach werden dann diverse Ausgaben gestrichen und als “nicht regelbedarfsrelevant” ignoriert wie Tierfutter oder Zimmerpflanzen.

Es geht darum, die Zahlungen zu senken

Laut “verfassungsblog. de” hat diese Berechnung nur eine Richtung. Es geht ausschließlich darum, Zahlungen zu senken und aus realen Ausgaben, das zu streichen, was nicht als existennotwendig gilt. Es werden hingegen keine Ausgaben erhöht, weil sie als notwendig gelten.

Bundesverfassungsgericht erwartet klare Berechnung

Das Bundesverfassungsgericht stellte 2010 klar, dass die berechneten Leistungen das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums gem. Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG verwirklichen müssen, so verfassungsblog.de. Seinerzeit verwarf das Gericht, laut verfassungsblog,de, die damaligen Beträge als verfassungswidrig, maßgeblich wegen ihrer Intransparenz und methodischen Schwäche.

An der Grenze

In einem weiteren Urteil ließ das Bundesverfassungsgericht die kargen Regelsätze durchgehen, schrieb aber, diese seien „an die Grenze dessen, was zur Sicherung des Existenzminimums verfassungsrechtlich gefordert ist“, kommt (BVerfG 2014, Rn. 121).

Was sagt die Ernährungswissenschaft?

So gut wie alle Studien, die der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages auflistet, kommen zu dem Ergebnis, dass eine gesunde Ernährung teurer ist als der Regelbedarf für Nahrungsmittel zulässt.

2020 kam der Wissenschaftliche Beirat für Agrarpolitik, Ernährung und gesundheitlichen Verbraucherschutz beim Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft zu dem Ergebnis, dass “die Regelbedarfe realistisch nicht für eine gesundheitsfördernde Ernährung entsprechend der DGE-Empfehlungen ausreichen”. 2023 forderte er, die Berechnung entsprechend anzupassen.

“Gleichstellung der Mangelernährung”

Ein Fehler bei der Berechnung des Regelbedarfs liegt darin, dass deren Grundlage nicht das Minimum für eine gesunde Ernährung ist, sondern die ärmsten 15 Prozent der Bevölkerung.

Dies führt in die Irre, weil diese Menschen die Tafeln aufsuchen müssen, weil sie sich keine (!) gesunde Ernährung leisten können.

Verfassunsgrechtliche Bedenken

Deutlich reicht also der Regelsatz für die Sicherung eines menschenwürdigen Existenzminmums bei der Ernährung nicht aus. Vielmehr müsste die Berechnung am realen Bedarf erfolgen.

Wie sollte sich die Berechnung ändern?

Es ließe sich als Vergleich eine weniger verarmte Gruppe heranziehen oder aber es könnten einzelne Posten in den Warenkörben erhöht werden. Laut Bundesverfassungsgericht sind solche Modifikationen zulässig. (BVerfG 2010, Rz. 139) und das gesamte Modell nicht in Frage stellen (BVerfG 2014, Rz. 109). (Hinweis Tacheles)