Bürgergeld-Einstellung: Jobcenter verlangte Unterlagen die erst später ausgestellt werden

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Ist es Absicht oder ein Versehen? Obwohl das Jobcenter sehr genau weiß, dass geforderte Unterlagen erst zu einem späteren Zeitpunkt von einer anderen Behörde ausgestellt werden, sollen die Unterlagen vorher eingereicht werden. Ansonsten droht aufgrund “fehlender Mitwirkungspflichten” das Bürgergeld eingestellt.

Eireichen von Unterlagen zwei Wochen vor dem Erhalt

Die Erwerbsinitiative “Basta” aus Berlin machte den Fall öffentlich: “Drangsalierendes Mitwirkungsschreiben vom Jobcenter Treptow-Köpenick: Die Familie hat am 28.3. einen Termin, um ihre Aufenthaltspapiere abzuholen.

Das Jobcenter Treptow-Köpenick weiß das. Es verlangt trotzdem die Papiere schon am 16.3. einzureichen.” Siehe Anschreiben:

Eingefügt ist ein Schreiben des Jobcenter Berlin-Köpenick: “Kopie neue Aufenthaltstitel von Ihnen, Herrn (…) nach Erhalt (Termin 28.03.2024)”, und danach “Bitte reichen Sie diese bis 16.03.2024 ein.”

Darunter steht: “Wer Sozialleistungen beantragt oder erhält, hat alle Tatsachen anzuzeigen, die für die Leistungen erheblich sind und Änbderungen in persönlichen Verhältnissen unverzüglich mitzuteilen.”

“Termine sind einzuhalten”

Weiter wird darauf hingeweisen, dass, wenn auf den entsprechenden Termin nicht reagiert wird oder wenn die erforderlichen Unterlagen nicht eingereicht werden, die Angelegenheit nicht bearbeitet werden kann.

“Versuch, Mittel zu streichen?

Die Erwerblosenini fragt: “Ist das wieder ein Versuch einen Versagungs- und Entziehungsbescheid wegen “fehlender Mitwirkung”, oder eine Zahlungseinstellung zu erwirken? Also die Mittel ganz zu streichen?” Sie schließt: “Die Rechtlosstellung wird in Jobcentern jeden Tag praktiziert!”

Ein Tippfehler?

Die Bundesagentur für Arbeit kommentiert den Post: “Hallo @BastaBerlin, dabei handelt es sich vermutlich um einen Tippfehler. Das kann auch uns leider passieren! In diesem Fall gerne einfach die persönliche Ansprechperson im Jobcenter kontaktieren.”

“Basta” fordert das Jobcenter auf, falls dies der Fall sei, den Fehler zu bereinigen: “Tippfehler vom JC, kennen wir schon. Schreiben Sie den Leuten, wenn ihnen so was passiert, entschuldigen Sie sich und zahlen Sie endlich weiter.”

Mitwirkung vor Erstellung des Schreibens

Leistungsberechtigte erzählen von ihren eigenen Erfahrungen mit solchen Verdrehungen: “Ich hatte schon Schreiben, in denen Mitwirkung vor der Erstellung des Schreibens erfolgt sein sollte. Sorgte dann beim Telefonat beim Sachbearbeiter selbst für Erheiterung.”

April statt März?

Ein Leser denkt ebenfalls, dass es sich um einen Tippfehler handelt: “Vermutlich ist der 16.4. gemeint, das ist auch ein Dienstag und kein Samstag.” Eine Leserin stimmt zu: “Das ist ein Tippfehler (soll wohl 16.4. heißen) – aber keine Drangsalierung. Anrufen und gut ist!”

“Vorsätzliche Nötigung und versuchter Betrug?”

Andere vermuten ein bewusstes Drangsalieren der Leistungsberechtigten. So kommentiert einer: “Ist das nicht schon vorsätzliche Nötigung und versuchter Betrug und versuchte Falschbeschuldigung im Amt? Immerhin wird versucht, betrügerisch Sozialleistungen vorzuenthalten.”

Eine Leserin denkt zwar ebenfalls an einen Fehler, schildert jedoch, wie sich Behördenfehler auswirken können: “Fehler interessieren innerhalb der bürokratischen Mauern niemanden und Verantwortung übernimmt erst recht keiner. Musste das selbst schmerzhaft erfahren – verlor durch Fehler und Behördenwillkür alles, das ich je besaß. Am schlimmsten: mein Kind erlitt ein Trauma durch die Ereignisse.”

Fehlende Sorgfalt oder Bösartigkeit

Eine andere Leserin hält den Fehler aus Schlamperei für ebenso problematisch wie gezielte Schikanen: ” (…) weiß nicht recht was schlimmer ist: Die fehlende Sorgfalt bei solchen Schreiben oder ob das einfach nur Bösartig ist.” Ein anderer antwortet: “Beim JC gehe ich nur noch von Böswilligkeit aus.”

Irrwege im Behördenlabyrinth

Wenn es nur ein Fehler war, dann erläutert die Erwerbslosenini, warum auch das eine Zumutung darstellt: “Für Menschen, die mit deutschen Behörden umgehen können, ist sowas oftmals leicht auszuräumen, (…) insbesondere wenn Deutsch nicht die Muttersprache ist, sind aber so Schreiben (…) schwer verständlich, so dass sie dann zu uns kommen müssen.”

Termin einhalten, sonst gibt es kein Geld

Auch wenn die Betroffenen wissen, dass der Termin überflüssig ist, weil sie die Papiere zum Einreichen vom selben Jobcenter noch nicht haben können, müssten sie trotzdem erscheinen – oder den Fehler des Jobcenters im Vorfeld klären.

Mit zweierlei Maß gemessen

Auch zu einem absurden Termin nicht zu erscheinen, wäre nämlich eine “Verletzung der Mitwirkungspflicht”. Während Jobcenter mit eigenen Fehlern äußerst großzügig umgehen, kann ein verständliches Ignorieren von Quatsch-Terminen für Leistungsberechtigte sehr schnell zu Sanktionen führen, die sie unter das Existenzminimum drücken.

Bei etlichen ähnlich absurden Fehlern der Jobcenter bekommen Bürgergeld-Beziehende erst vor dem Sozialgericht ihr Recht.