BSG rettet abschlagsfreie Langjährigen-Rente für Hartz-IV-Bezieher

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Kläger muss nicht vier Monate vorher Abschlags-Rente beantragen

Jobcenter dürfen Hartz-IV-Empfänger nicht in eine vorgezogene Rente mit hohen Abschlägen drängen, wenn sie schon vier Monate später eine abschlagsfreie Rente für langjährig Versicherte bekommen könnten. Ein Antrag auf die Abschlags-Rente wäre dann „unbillig”, urteilte am Donnerstag, 9. August 2018, das Bundessozialgericht (BSG) in Kassel (Az.: B 14 AS 1/18 R).

Es rettete damit einem Mann aus Neubrandenburg seine abschlagsfreie Rente. Anspruch darauf hatte er im Dezember 2017, vier Monate nach seinem 63. Geburtstag.

Mindestalter für die abschlagsfreie Rente nach 45 Beitragsjahren war ursprünglich zwar 63; wie der Zugang zur Regelaltersrente wird dies aber in Stufen erhöht. Für den Geburtsjahrgang 1953 waren es 63 Jahre und zwei Monate, hier im Streitfall des Jahrgangs 1954 dann 63 Jahre und vier Monate. Das Zugangsalter steigt weiter um zwei Monate je Geburtsjahr, bis es schließlich für den Jahrgang 1964 bei vollen 65 Jahren liegt.

Eine vorgezogene Rente mit Abschlägen ist aber weiterhin mit 63 Jahren möglich. Der Abschlag beträgt 0,3 Prozent je vorgezogenen Monat.

Im August 2017 feierte der Kläger seinen 63. Geburtstag, und das Jobcenter forderte ihn auf, eine vorgezogene Altersrente zu beantragen. Der Abschlag hätte 9,6 Prozent betragen. Mit Blick auf die baldige abschlagsfreie Rente lehnte der Mann dies ab. In solchen Fällen kann laut Gesetz das Jobcenter selbst den Rentenantrag stellen. Dies hat es hier getan.

Doch angesichts des hohen Rentenabschlags von hier über 100 Euro pro Monat war dies „unbillig”, urteilte nun das BSG. Laut „Unbilligkeitsverordnung” müssten Arbeitslose kein Antrag auf eine vorgezogene Abschlags-Rente stellen, wenn „in nächster Zukunft” Anspruch auf eine Rente ohne Abschläge besteht. Dies sei hier der Fall.

Ohne Erfolg verwies das Jobcenter darauf, dass in der Begründung eines Referentenentwurfs für die Unbilligkeitsverordnung eine Frist von höchstens drei Monaten erwähnt ist. An diese halten sich die meisten Jobcenter bislang.

Das BSG begegnete dem mit zwei Argumenten. Zunächst sei in die Verordnung gerade keine konkrete Frist übernommen worden. Dies zeige, dass der Verordnungsgeber die Möglichkeit einer Abwägung im Einzelfall gewollt habe.

Zudem sei die Verordnung deutlich älter als die abschlagsfreie Rente nach 45 Beitragsjahren. „Der Verordnungsgeber konnte diese Situation nicht im Blick haben”, so das BSG. Er habe das Interesse der Arbeitslosen an geringen Rentenabschlägen und das Interesse der Jobcenter an kurzen Überbrückungszeiten in ein ausgewogenes Verhältnis bringen wollen. Nach den ursprünglichen Verhältnissen hätte der Rentenabschlag bei vier Monaten aber nur viermal 0,3 Prozent, also 1,2 Prozent betragen. Im Streitfall wäre eine Abschlagsrente gegenüber der neuen abschlagsfreien Rente für langjährig Versicherte aber um 9,6 Prozent niedriger gewesen.

In der mündlichen Urteilsbegründung erwähnte das BSG ausdrücklich die Wartezeit von im konkreten Fall vier Monaten. Ob die Begründung auch für sechs Monate beim Geburtsjahrgang 1955 oder noch längere Überbrückungszeiten für spätere Jahrgänge trägt, blieb offen. mwo/fle

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